Obwohl Tofu mit Futtersoja hergestellt werden kann, ist es viel einfacher, mit einer speziell für den Nahrungsmittelsektor gezüchteten Sorte zu arbeiten. Diese Spezialsorten mit grossen, farblosen Samen und hohem Eiweissgehalt führen bei der Verarbeitung zu deutlich besseren Ergebnissen. Allerdings galt der Anbau von Soja in der Schweiz insbesondere im Bioanbau als agronomisch schwierig.


Seit rund 30 Jahren bemüht sich das Sortenzüchtungsprogramm von Agroscope auf die klimatischen Bedingungen der Schweiz abgestimmte Sojasorten zu züchten. Frühe Sorten, die während der Blütezeit auch kühlen Temperaturen standhalten, ausfallresistent und zudem ertragsreich sind, stehen den Landwirten bereits seit Jahren zur Verfügung.


Die Entdeckung einer japanischen Sorte mit einem angenehmen Geschmack hat nach langer Selektionsarbeit zur Züchtung mehrerer Sorten mit angenehmem Haselnussgeschmack geführt. Die Sorten Aveline und Amandine stammen direkt aus dieser Züchtungsarbeit. Einen ebenso angenehmem Geschmack aber höheren agronomischen Stellenwert weist die Linie CH22138 auf, für die derzeit der Eintrag beantragt ist. Mittlerweile hat Agroscope ACW weitere eiweissreiche Züchtungen wie Protéix und Protibus mit hohem Tofuertrag entwickelt.


Karma sorgt für hohe Nachfrage
Die wichtigsten Akteure auf Stufe Logistik und Handel haben sich auf die steigende Nachfrage eingestellt. Heute sucht auch die Fenaco in intensiver Zusammenarbeit mit den Getreidesammelstellen und Mühlen nach Bio-Sojaproduzenten. Die eigentliche Aufbau- und Pionierarbeit leistete die Westschweizer Produzentenorganisation Progana in Zusammenarbeit mit der Mühle Rytz AG. Gemeinsam haben diese Partner schon vor rund 15 Jahren die Produktion von Bio-Soja zur Tofuherstellung in der Schweiz lanciert und nach und nach aufgebaut. Anfänglich stand einzig die kanadische Sorte Maple Arrow zur Auswahl. Dank der eingangs erwähnten Züchtungsarbeit von Agroscope sind die spezifischen Tofusorten Aveline und Protéix entstanden. Sie haben eine deutlich bessere Ertragssicherheit, so dass in den letzten Jahren mehr und mehr Bioproduzenten für den Sojaanbau motiviert werden konnten.


Für einen grossen Nachfrageschub sorgt derzeit die Lancierung der Tofuherstellung für die Coop-Linie "Karma", für die ausschliesslich Schweizer Bio-Soja aus Sorten der Agroscope-Züchtung eingesetzt wird. Die Mühle Rytz hat für die Ernte 2014 rund 120 Hektar unter Vertrag. 10 Hektar davon sind für die Saatgutproduktion, in Zusammenarbeit mit der Saatzuchtgenossenschaft Düdingen, reserviert. Bei normalen Ertragsverhältnissen können von dieser Fläche rund 250 Tonnen erwartet werden. Um die Nachfrage von Coop zu befriedigen, ist jedoch noch eine starke Ausweitung der Anbaufläche erforderlich. Coop will diesen Prozess mit einer Abnahmegarantie zu stabilen Preisen auf gutem Niveau beschleunigen.


Auf Käse-Know-How aufbauen
Schon bevor Soja als Lebensmittel angebaut wurde, haben sich in der Schweiz verschiedene Tofuhersteller erfolgreich etabliert. Neben den Grossverteilern bildet seit eh und je der Biofachhandel einen wichtigen Absatzkanal. In diesen Kanälen ist ein breiteres Sortiment an Tofu in verschiedene Verarbeitungs- und Geschmacksvariationen zu finden.

Tofuverarbeitung erfordert spezifisches Know-How, kann aber auf gut schweizerischem Handwerk aufbauen, weil gewisse Ähnlichkeiten zur Käseherstellung bestehen. Häufig arbeiten bei den Tofuherstellern denn auch Fachleute aus der Milchbranche. Beat Schmid produziert mit der Futur Naturprodukte GmbH in Frutigen seit vielen Jahren Tofu- und Tempehprodukte sowie verschiedene vegetarische Burger in Bio-Knospe-Qualität.
"Seit ich mich entschieden habe, die Käseproduktion aufzugeben und eine Tofuproduktion aufzubauen, war es mein Ziel mit Schweizer Biosoja zu arbeiten und den Landwirten einen attraktiven Sojapreis zu zahlen", sagt Beat Schmid. Aufgrund seiner jahrelangen Pioniererfahrung zieht er eine positive Bilanz: "Dank spezifischen Züchtungen und nach zwanzig Jahren Erfahrung als Tofuproduzent bestätige ich: Es hat sich gelohnt auf Schweizer Biosoja zu setzen. Die Konsistenz und das Aroma sind sehr gut und die Ausbeute hat sich positiv entwickelt."


Soja aus der Schweiz - Mit gutem Gewissen
Ende 2003 übernahmen Noppa und Jörg Helbling die von Ian Spearing bereits seit 20 Jahren betriebene "Tofuerei Pfannenstil" und zügelten die Produktion auf den Demeter-Betrieb "Triemenhof" am Bachtel. Heute produziert die Noppa AG in Rüti, ist also ihren Zürcher Oberländer Wurzeln treu geblieben. In der Tofurei Pfannenstiel blieb es nicht bei 100 Kilo Tofu pro Woche und etwas Selbständigkeit für Noppa. Bald schon klopften Vegi-Grössen wie Hiltl oder Tibits bei Helbling an und die Produktionsmengen wuchsen ebenso stark an wie die Experimentierfelder für die Sortimentsentwicklung.
"Wir haben uns zuerst aus falschen Vorurteilen dagegen gesträubt, mit Schweizer Soja zu arbeiten. Wir glaubten nicht an die nötige Qualität und den Proteingehalt von 45 bis 50 Prozent", gibt Helbling offen zu, "unser Logistik- und Büropartner Alfred Reinhard vom Eierlieferanten Hosberg hat uns dann dazu animiert, es wenigstens einmal zu versuchen. Und siehe da. Der Tofu aus Schweizer Soja ist wunderbar geraten. Jetzt machen wir damit weiter."


Inzwischen verarbeitet die Noppa AG 75 bis 80 Prozent ihrer Tofuproduktion mit CH-Soja. Der Schweizer Anbau von Sojabohnen in Demeter- Qualität deckt bis jetzt die Nachfrage der Verarbeiter noch nicht. Da ein wesentlicher Anteil der Noppa-Produkte in Demeter-Qualität hergestellt wird, bildet dies eine zusätzliche Herausforderungen für die Sojabeschaffung aus Schweizer Quellen.
"Wir produzieren so oder so mit sehr gutem Gewissen. Man weiss heute sehr wohl, wie viel CO2 eine Sojapflanze selbst klimaschonend verbraucht. Wie andere Hülsenfrüchte-Arten schafft es die Sojapflanze, dank einem komplexen Zusammenspiel u.a. mit Bodenbakterien, die für ihr Wachstum nötigen Stickstoffverbindungen eigenständig aufzubauen. Besonders für den Biolandbau ist diese Eigenschaft sehr wertvoll. Soja muss nicht gedüngt werden." Ein weiteres Ziel ist, Soja in der Schweiz heimisch zu machen. Und dieser Pflanze wie zum Beispiel der Kartoffel vor hunderten von Jahren den Anstrich des Exotischen wegzunehmen.

Peter Jossi, lid