Im Boden setzen Mikroorganismen ihren Kampfstoff Antibiotika lediglich in Kleinstmengen, nur ganz lokal und zu bestimmten Zeiten ein. In der Human- und Tiermedizin werden Antibiotika dagegen teilweise oft verwendet. Antibiotika gehören zur weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamentengruppe.

Die Kehrseite davon: Immer mehr Krankheitserreger haben Resistenzen. Antibiotikaresistenz bedeutet, dass die entsprechenden Bakterien weniger empfindlich oder sogar gänzlich unempfindlich gegenüber Antibiotika sind. Die Wirksamkeit der medizinalen Wunderwaffe nimmt folglich rapide ab. Bei Patienten mit Resistenzen sind die Ärzte heute teilweise genauso machtlos wie vor 70 Jahren.

In Europa sterben jedes Jahr schätzungsweise 25'000 Menschen an Krankheiten, die wegen Antibiotika-Resistenzen nicht richtig behandelt werden können, in den USA gehen 23'000 Todesfälle pro Jahr auf dieses Konto. Alle fünf Minuten erliegt in Südostasien ein Kind einer Infektion, die durch resistente Bakterien verursacht worden ist. Antibiotikaresistenzen gehören zu den grossen globalen Herausforderungen. In allen Weltregionen werden alarmierende Resistenzraten beobachtet. So sind beispielsweise 25 % der Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) auf der ganzen Welt resistent gegen Penicillin. Gegen Tripper (Gonorrhoe) wirkt heute kein einziges Standardantibiotikum mehr. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO können Tripper, aber auch viele andere Infektionen, zukünftig nicht mehr behandelt werden. Damit ist die Menschheit praktisch wieder gleich weit wie vor der Erfindung des Penicillins.

Bei der Anzahl resistenter Bakterienstämme liegt die Schweiz im Humanbereich im Mittelfeld: relativ tief im Vergleich zu Ländern wie Frankreich, Italien, Grossbritannien und ost- und südeuropäischen Ländern, jedoch höher als in Skandinavien und den Niederlanden. Beobachtungen zeigen jedoch, dass gewisse Resistenzen, v.a. bei Klebsiella pneumoniae, E. coli und Staphylococcus aureus in der Schweiz wie in ganz Europa zunehmen.

Gentransfer findet statt

Resistenzen können entweder durch Veränderung des bakteriellen Erbguts (Mutationen) entstehen oder durch die Aufnahme von Resistenzgenen aus anderen Bakterien erworben werden. Dieser sogenannte horizontale Gentransfer passiert dort, wo ein Austausch von genetischem Material zwischen Bakterien stattfindet, d.h. auf und zwischen Menschen, Wild-, Nutz-, und Haustieren oder in der Umwelt z.B. via Verpackungsanlagen, Abwasser, Hofdünger und anderes. Resistenzgene enthalten teilweise die genetische Information für die Produktion eines Enzyms, welches das Antibiotikum inaktiviert. Da Resistenzen vererbt werden können, entstehen resistente Bakterienstämme.

Die Suche nach neuen Substanzen ist in vollem Gange. Neue Stoffe können das Problem jedoch nicht vollständig aus der Welt schaffen: Der Antibiotikaeinsatz muss reduziert werden und vor allem auch gezielter erfolgen. Der in vielen Ländern immer noch praktizierte Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zur Wachstumsförderung oder als Prävention bewirkt das Gegenteil. Und die Abgabemenge von Antibiotika für die Tierhaltung steigt weltweit weiterhin, angeheizt durch einen wachsenden Bedarf an tierischen Lebensmitteln, die oft in der Intensivtierhaltung produziert werden.

In einigen Ländern werden laut WHO fast 80% der für die Humanmedizin wichtigen Antibiotika in Ställen verbraucht, grösstenteils für die Wachstumsförderung von gesunden Tieren. Dabei sollten gesunde Tiere nur Antibiotika verabreicht bekommen, wenn andere Tiere in derselben Herde nachweislich erkrankt seien. Und es sollten nur Antibiotika eingesetzt werden, die für den Menschen wenig medizinische Bedeutung haben. Doch gerade solche kritischen Antibiotika werden in der Nutztierhaltung oft genutzt, obwohl sie teurer als Antibiotika der ersten Wahl sind, da die Dosierung häufig gering, die Absetzfrist kurz und die Wirkung sehr gut ist. Bei gewissen Tierarten (speziell Geflügel) sind für gewisse Krankheiten sogar nur Arzneimittel mit kritischen antimikrobiellen Wirkstoffen zugelassen. Auf das Grundproblem - nämlich Haltungssysteme, in denen die Tiere auf Antibiotika angewiesen sind, damit sie überhaupt überleben - ging die WHO allerdings nicht ein.

 

Resistenzen in der Nutztierhaltung

In der Schweiz sind für die öffentliche Gesundheit und den Veterinärbereich besonders folgende zwei resistente Bakterientypen relevant:

Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)

Staphylococcus aureus Bakterien besiedeln die Haut von beinahe jedem dritten Menschen ohne eine Erkrankung auszulosen. Bei Personen mit geschwächtem Gesundheitszustand oder nach medizinischen Eingriffen können diese Bakterien jedoch schwere Infektionen hervorrufen. MRSA kommen auch bei den Nutztieren vor, meist ohne eine Erkrankung auszulösen. In der Schweiz sind sie insbesondere bei den Schlachtschweinen verbreitet. Die Besonderheit dieser MRSA-Stämme ist, dass sie gegen die Standardbehandlung mit Antibiotika der ersten Wahl und oft auch gegenüber weiteren Antibiotikaklassen resistent sind. MRSA-Bakterienstämme gehören zu den bedeutendsten resistenten Erregern von Spitalinfektionen.

Multiresistente Darmbakterien

Ebenfalls hochproblematisch sind Darmbakterien mit Multiresistenz. Dazu gehört das Bakterium Escherichia coli, welches im menschlichen und tierischen Darm vorkommt. Es existieren zahlreiche unterschiedliche Stämme, von denen die meisten keine Krankheiten auslösen. Aber manche Stämme verursachen bakterielle Infektionskrankheiten sowohl beim Menschen als auch beim Tier. Diese krankmachenden E. coli können unter anderem Durchfallerkrankungen, Harnwegsentzündungen, Hirnhautentzündungen, Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen hervorrufen. Gegen Darmbakterien mit sogenannter Extended-Spektrum-Betalaktamase-Resistenz (ESBL) gibt es nur noch einige wenige Reserveantibiotika, die eingesetzt werden können, z.B. Carbapeneme. In Ländern des indischen Subkontinentes, aber beispielsweise auch in Italien, Griechenland und Zypern werden inzwischen jedoch zunehmend Darmbakterien beobachtet, die bereits Carbapenem-resistent sind, das bedeutet, dass eine Behandlung solcher Infektionen dort kaum mehr möglich ist. Da diese multiresistenten Darmbakterien auch in der gesunden Bevölkerung zunehmen, können sich die multiresistenten Darmbakterien relativ einfach weiterverbreiten. ESBL-produzierende Darmbakterien werden auch in Nutztieren sowie in Heimtieren, Zoo- und Wildtieren gefunden.

Massentierhaltung fördert Resistenzen

Studien aus Deutschland zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen Herdengrössen und MRSA-Vorkommen: In konventionellen Schweinemasten mit tausend und mehr Tieren beträgt der Wert 67 %, in tierfreundlichen Ökobetrieben dagegen nur 13 %. In Holland könnten bei 99% der Schlachtschweine multiresistente Keime nachgewiesen werden, in Spanien, das ebenfalls ein grosser EU-Schweinefleischerzeuger ist, bei 84 %. Bei Schlachtkälbern waren in Deutschland und Belgien je 45% betroffen, in der CH lediglich 4 %. Je mehr Tiere ein Betrieb hat und je länger ein Transport dauert, desto höher scheint der Anteil an resistenten Keimen zu sein.

Was für die Tierhaltung gilt, gilt aber auch für die nachfolgenden Schritte: Je mehr Fleisch in einem Schlachthof verarbeitet oder im Detailhandel verkauft wird, desto höher ist die Gefahr, dass dabei antibiotikaresistente Bakterien übertragen werden. Bei einer ausführlichen Untersuchung von Pouletfleisch wurden deutliche Hinweise dafür gefunden, dass die Kontamination erst nach der Schlachtung bei der Verarbeitung und Verpackung erfolgt sein könnte. Auf dem Pouletfleisch wurden z.T. auch MRSA-Stämme gefunden, die bei Nutztieren gar nicht vorkommen. Da das Pouletfleisch im Detailhandel mehr belastet war als das Fleisch vom Schlachthof, muss man davon ausgehen, dass es beim Schlachtprozess und der Verarbeitung zu Kreuzkontaminationen zwischen Tieren, Verarbeitungsmaterial und Personal kommt.

Eine Übertragung von MRSA via Lebensmittel auf Menschen scheint es nach bisherigem Wissensstand allerdings kaum zu geben. MRSA-Erreger machen gesunde Menschen in der Regel auch nicht krank. Werden MRSA jedoch in Spitäler eingeschleppt, können sie dort bei Patienten zu Infektionen führen, die schwierig zu behandeln sind. Im Deutschen Resistenzmonitoringprogramm GERMVet wurde festgestellt, dass bei Hunden und Katzen vermehrt Antibiotikaresistenzen auftreten und diese resistenten Bakterien dann beim engen Kontakt, zum Beispiel bei Ablecken des Gesichts oder der Hände oder auch beim Streicheln des Hundes oder der Katze besonders leicht auf den Menschen übertragen werden können.

Poulets aus dem Ausland deutlich mehr belastet

2014 wurde eine Stichprobe Pouletfleisch auf das Vorkommen antibiotikaresistenter Erreger untersucht. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede bei den Herkunftsländern: Während jedes dritte deutsche Poulet solche Erreger enthielt, wurde nur in 1 Prozent der Schweizer Poulets dieselben Keime gefunden.

Herkunft

Anzahl Proben

Anzahl mit MSRA

In Prozent

Schweiz

194

2

1.00%

Deutschland

58

18.00%

31.00%

Frankreich

17

1

5,6%

Ungarn

18

1

5,6%

Slowenien

19

0

 

Österreich

7

0

 

Holland

3

0

 

Italien

2

0

 

Brasilien

1

0

 

Nationale Strategie mit Schwerpunkt Landwirtschaft

Um das Problem der Antibiotikaresistenzen einzudämmen müssen Humanmedizin, Tiermedizin, Landwirtschaft und Politik zusammenarbeiten. Der Bundesrat hat im Rahmen von "Gesundheit 2020" eine breit abgestützte, nationale Strategie gegen Antibiotikaresistenzen lanciert und eine Nationale Strategie gegen Antibiotikaresistenzen, kurz: StAR, erarbeitet. Dabei wurden acht strategische Ziele definiert, die von Überwachung über Prävention, Forschung Bildung bis zu Rahmenbedingungen reichen. Mit der Umsetzung der Strategie wurde 2016 begonnen. Doch es gibt noch viel zu tun.

Die Datenlage im Bereich Humanmedizin ist nach wie vor lückenhaft (siehe oben). In der Veterinärmedizin werden dagegen die jährlich verkauften Antibiotikamengen der Vertriebsfirmen erfasst und auf die Nutztierbestände umgerechnet. Diese Daten werden jeweils auch in der EU veröffentlicht, so dass die Zahlen mit den Vertriebszahlen anderer Europäischer Länder verglichen werden können. Eine zentrale Antibiotikadatenbank zur Erfassung der Antibiotikaanwendungen auf Ebene Vertreiber, Tierarzt und Tierhalter ist derzeit im Aufbau. Mit ihr soll es künftig möglich sein die Behandlungshäufigkeit bei den einzelnen Tierarten, bzw. Produktionsformen zu beurteilen. Mit diesem System sollte dann auch ein regionaler, nationaler und internationaler Vergleich des Antibiotikaverbrauchs und der Behandlungsintensität möglich sein. Ein übermässiger oder unsachgemässer Antibiotikaeinsatz sollte so entdeckt werden können.

Keine Überwachung gibt es derzeit im Umweltbereich. Man weiss nur wenig darüber, wie sich Antibiotika in Kläranlagen, im Hofdünger, in Gewässern und im Boden verhalten. Eine solche Überwachung wäre wünschenswert, weil alle verwendeten Antibiotika und allfällig entstandene resistenten Organismen irgendwann entweder mit Gülle und Mist auf Böden ausgebracht oder mittels Abwaschung und Erosion in die Oberflächengewässer gelangen.

Im Humanbereich gelangen Antibiotika mit dem Abwasser in die Kläranlagen und von dort in die Gewässer, wo sie letzten Endes von Menschen und Tieren wieder aufgenommen werden können. Bis 2040, also rund 20 Jahren sollen 100 von über 700 ARA mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe ausgerüstet werden mit dem Ziel, die Belastung der geklärten Abwasser durch Mikroverunreinigungen zu reduzieren. Dabei sollen auch die in den Abwassern noch vorhandenen Antibiotika erfasst werden.

Falsche Handhabung

Die Resistenzbildung wird durch übermässigen und unsachgemässen Einsatz von Antibiotika beschleunigt. Unsachgemäss ist etwa die Behandlung von Viruserkrankungen mit Antibiotika - denn gegen Viren nützen Antibiotika nichts. Das liegt daran, dass Antibiotika in den Stoffwechsel der Bakterien eingreifen. Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel, sondern bedienen sich bei ihrem Wirt. Sie bieten Antibiotika damit praktisch keinen Angriffspunkt. Laut einer Studie werden in OECD-Ländern mehr als die Hälfte (!) aller viralen Erkrankungen mit Antibiotika behandelt. Vor allem in Spitälern, Allgemeinpraxen und in der Langzeitpflege würden Antibiotika zu oft, zu lang und auch falsch eingesetzt, mit den entsprechenden Krankheits-, Kosten- und Resistenzfolgen.

Aber auch eine Unterdosierung der Wirkstoffe kann sich verheerend auswirken. Bakterien sollte man stets mit einer hohen Antibiotika-Dosis über möglichst kurze Zeit attackieren. Sind die Mikroben über längere Zeit einer suboptimalen Antibiotika-Konzentration ausgesetzt, passen sie sich an und es kommt zur Resistenzbildung. Die Verabreichung von Breitband-Antibiotika in Fällen, in denen Schmalspektrum-Antibiotika ausreichend wären, begünstigt zudem die Ausbreitung von Multiresistenzen. Multiresistente Keime sind Bakterien, die gleichzeitig gegen mehrere Antibiotika oder, in sehr seltenen Fällen, sogar gegen alle Antibiotika resistent sind.

Da bei resistenten Erregern die Standardantibiotika (Antibiotika der ersten Wahl, z. B. Penicillin) oft nicht mehr wirken, müssen nach eindeutiger Diagnose für die Behandlung andere Antibiotika eingesetzt werden. Wirken auch diese nicht mehr, muss auf Reserveantibiotika wie beispielsweise Carbapeneme zurückgegriffen werden. Um die Bildung neuer Resistenzen zu vermeiden, sollten solche Stoffe nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Denn wenn auch diese Reserveantibiotika ihre Wirkung verlieren ist eine Behandlung der Infektion praktisch unmöglich. Neu entwickelte Antibiotika werden aus diesem Grund meist als Reserveantibiotika deklariert.

 

Übertragungsprobleme

Die Übertragung resistenter Bakterien erfolgt zwischen Menschen (gesunde Träger oder Patienten) vorwiegend über die Hände (z. B. ausgehend von Stuhl oder infizierten Wunden). Im Kontakt mit Tieren können resistente Keime ebenfalls zwischen Menschen und Tieren ausgetauscht werden. In der Umwelt sind Übertragungen auf pflanzliche Lebensmittel wie Früchte und Gemüse möglich (z. B. durch kontaminiertes Wasser). Zudem ist es möglich, dass während der Schlachtung von Tieren resistente Bakterien auf das rohe Fleisch und beim Umgang damit auch auf die Konsumenten übertragen werden können.

Antibiotikaresistenzen kennen keine Landesgrenzen. Unter anderem tragen Handel und die menschliche Mobilität zur Verbreitung resistenter Keime bei. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass Länder, in denen vergleichsweise wenig Antibiotika eingesetzt werden, auch eine tiefe Resistenzrate haben. Die Senkung des Antibiotikaverbrauchs gehört deshalb zu den wirkungsvollsten Massnahmen gegen Antibiotikaresistenzen. Dazu müssen Infektionen, die einen Einsatz von Antibiotika unumgänglich machen, wenn möglich vermieden werden. Die Möglichkeiten zur Vermeidung von Infektionen durch gezielte Impfungen sowie optimierte Betriebsabläufe in Tierhaltungen und die Förderung der Tiergesundheit sollten ausgeschöpft werden.

Vorbeugen ist besser

Da in der Veterinärmedizin teilweise Medikamente der gleichen Substanzklassen wie in der Humanmedizin eingesetzt werden, wird davon ausgegangen, dass Antibiotika in der Nutztierhaltung die Resistenzsituation in der Humanmedizin zumindest mitbeeinflussen. Verschiedene nationale und internationale Organisationen und Experten sind deshalb der Meinung, dass das Problem der Antibiotikaresistenz durch eine Senkung des Antibiotikaeinsatzes in der tierischen Produktion angestrebt werden soll. Auch wenn die Zusammenhänge zwischen Antibiotika in der Nutztierhaltung und Resistenzen im Humanbereich noch nicht geklärt sind, ist eine Senkung des Einsatzes schon nur aus Imagegründen angezeigt.

Antibiotika sollten nur eingesetzt werden, wenn nachgewiesen ist, dass es sich um eine bakterielle Infektion handelt und keine alternativen Behandlungen existieren. Zudem sollten möglichst spezifische, auf den konkreten Befund abgestimmte Antibiotika eingesetzt werden. Doch die Diagnostika ist oft teuer und es dauert manchmal lange, bis ein Ergebnis vorliegt. Der unspezifische Einsatz von Antibiotika wird deswegen häufig als sicherer und billigerer Weg angesehen.

Der Einsatz von Antibiotika liesse sich durch verbesserte Produktions- und Haltungsbedingungen und konsequenteres Umsetzen vorhandener Erkenntnisse (z.B. Interpretation Zellzahlen, integrierte Gesundheitsdaten, Staphylococcus aureus Diagnostik) sicher weiter senken. Viele der Massnahmen sind allerdings, zumindest kurzfristig, mit höheren Kosten verbunden. Zumindest ein Teil der als Euterschutz eingesetzten Antibiotika liesse sich durch alternative Methoden wie z.B. Trockenstellen ohne Euterschutz oder interne Zitzenversiegler ersetzen. In Betrieben mit Eutergesundheitsproblemen kann durch eine permanente Beratung und Betreuung der Milchproduzenten eine Verbesserung erreicht werden. Bei Mastitis werden in der Regel alle vier Euterviertel behandelt, auch wenn drei von vieren gesund sind. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine euterviertelspezifische Anwendung den Antibiotikaeinsatz minimieren kann, ohne das Infektionsrisiko an unbehandelten Vierteln zu erhöhen.

 

 

Vieles ist unerforscht

Komplementärmedizinische Methoden und alternative Produkte wie Immunmodulatoren, Prä- und Probiotika sowie komplementärmedizinische Präparate und phytogene Ergänzungsfuttermittel, welche einen positiven Einfluss auf die Tiergesundheit versprechen, sind teilweise vorhanden oder in Entwicklung. Ihre Wirksamkeit ist aber häufig nicht oder nur ungenügend wissenschaftlich belegt. Das hält viele Bauern davon ab diese Methoden einzusetzen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Tierbeobachtung. Das braucht in erster Linie Zeit - und Zeit zu haben kostet. Ganz ohne ökonomische Anreize oder gesetzliche Vorgaben werden sich diese Verfahren deshalb nicht so schnell durchsetzen. 

Weiterführende Studien sollen im Rahmen der Nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) und des vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Nationalen Forschungsprogrammes "Antimikrobielle Resistenz" (NFP72) gestartet werden. Das Ziel: zusätzliche Kontaminationsquellen wie der Boden oder landwirtschaftlich genutzte organische Dünger sollen genauer untersucht werden. Und Agroscope will im Rahmen dieses NFP ein bis drei agrarpolitische Programme zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes ausarbeiten und auf Akzeptanz prüfen. Gut möglich, dass es in Zukunft Direktzahlungen für weniger Antibiotika geben wird.

Der Ansatz ist sicher gut. Auffällig ist nur, dass die meisten Arbeiten in Bezug auf Antibiotika den Fokus auf die Landwirtschaft richten. Dabei zeigt die stete Abnahme der Gesamtvertriebsmenge von Antibiotika seit 2008 auf eine hohe Sensibilisierung der Tierärzte und Bauern hin, die sich in den letzten Jahren noch gesteigert hat. Zwar ist die Abnahme der Gesamtmenge weniger wichtig als die Anzahl Behandlungen pro Tier bzw. die Anzahl behandelter Tiere.

Die Abnahme zeigt aber, dass bereits umgesetzte Massnahmen, wie zum Beispiel das Verbot einer Abgabe auf Vorrat von kritischen Antibiotikaklassen oder von Antibiotika für den prophylaktischen Einsatz sowie die Publikation eines Therapieleitfadens für Tierärztinnen und Tierärzte wirken. In der Tiermedizin wurde mit dem Verein Kometian zudem ein Beratungsangebot geschaffen, welches in der Nutztierhaltung den Einsatz von Homöopathie fördert und damit erfolgreich zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes beiträgt. Im Bereich der Humanmedizin ist nichts Vergleichbares vorgesehen. Die Bauernn gehen also mit gutem Beispiel voran. Ob die Gesellschaft den Einsatz honoriert, wird sich  zeigen müssen.