Wie immer beim Wolf gehen die Emotionen hoch. Die Wolfsgegner berichten von Wölfen, die in Ställe eindringen, und zerfetzten Schafen. Die Wolfsrisse führten zu einem Schweigen der Lämmer, sagte Franz Ruppen (SVP/VS), Vorstandsmitglied des Vereins "Lebensraum Wallis ohne Grossraubtiere".

Die Schweiz sei zu dicht bevölkert für den Wolf. Dieser verliere immer mehr die Scheu vor dem Menschen. Wölfe spazierten durch Dorfzentren und rissen Nutztiere wenige Meter von Häusern entfernt. Schäfer gäben Alpen auf. Das sei nicht mehr tragbar.

"Haben Sie einmal einem Schafbauer in die Augen geschaut, dessen Schafen die Eingeweide aus dem Leib gerissen wurden?", fragte Ruppen. Die Bestände müssten reguliert werden können, ohne dass ein grosser Schaden vorliege oder Herdenschutzmassnahmen ergriffen worden seien. Diese seien nämlich nur bedingt geeignet, um Wolfsrisse zu verhindern. Und der Aufwand sei unverhältnismässig.

Ein Abschussgesetz

"Sie wollen den Wolf ausrotten", erwiderte Martin Bäumle (GLP/ZH). Die Tiere hätten aber ein Existenzrecht. Das Gesetz sei faktisch ein Abschussgesetz, und das sei eine Anmassung. Markus Hausammann (SVP/TG) fragte ihn, ob es nicht viel mehr eine Anmassung sei, als Städter der Bergbevölkerung vorzuschreiben, wie sie mit den Grossraubtieren umzugehen habe.

Auch Magdalena Martullo (SVP/GR) warf den Städtern vor, sie wüssten nicht, wovon sie sprächen. "Wir haben ganze Wolfsrudel, die um die Häuser streichen", sagte die Zürcherin und Vertreterin des Kantons Graubünden - und erntete dafür Gelächter.

Natur unter Druck

Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes erinnerten daran, dass Problemtiere schon heute zum Abschuss freigegeben werden können. Sie betonten zudem, dass die Natur durch Klimakrise und Biodiversitätsverlust stark unter Druck sei. Die Grossraubtiere hätten eine wichtige Funktion im Ökosystem, gab Silva Semadeni (SP/GR) zu bedenken. Wo der Wolf lebe, sei der Wald gesünder.

Risse an Nutztieren seien da und dort ein Problem, räumte sie ein. Zu über 90 Prozent passierten sie jedoch in Schafherden ohne Herdenschutzmassnahmen. Die Halter würden für diese entschädigt.

Respekt vor Tieren

Bastien Girod (Grüne/ZH) rief zu etwas mehr Respekt vor den Tieren auf: "Wenn wir nur auf den Schaden schauen, sehen wir den Nutzen nicht." Auch die Freude gehe vergessen. Mit dem neuen Gesetz könnten sogar Tiere wie der Biber, die niemandem etwas zu Leide täten, auf die Abschussliste kommen. "Das kann es doch nicht sein."

Dasselbe gelte für den Luchs. Dessen grosses Verbrechen sei es, dass er effizient Rehe jage - im Interesse des Waldes, aber zum Ärger der Jäger. Girod erinnerte auch daran, dass weitaus mehr Schafe wegen Abstürzen und Blitzen sterben als wegen des Wolfs. Im Übrigen finde er es falsch, die Schweizer Bevölkerung in Flachländer und Bergler zu unterteilen.

Regelung statt Selbstjustiz

Karl Vogler (CSP/OW) rief dazu auf, etwas sachlicher zu diskutieren. Gefragt seien Pragmatismus und der Blick fürs Ganze. Lorenz Hess (BDP/BE), Präsident des Berner Jägerverbandes, sprach von einer leichten Lockerung des Schutzes. Die geschützten Arten würden nicht einfach jagdbar wie Hirsch und Reh.

"Mit einer Rückweisung erweisen Sie den Grossraubtieren einen Bärendienst", warnte Hess. "Wenn wir keine Selbstjustiz wollen, sollten wir dringend dieses Gesetz beraten." Die Mehrheit teilt diese Auffassung: Der Rat lehnte den Antrag auf Rückweisung mit 126 zu 58 Stimmen ab. Nun berät er über die Einzelheiten.

Details umstritten

Umweltministerin Simonetta Sommaruga stellte am Ende der Eintretensdebatte fest, die emotionale Diskussion habe gezeigt, dass es um ein grundlegendes Thema gehe: das Verhältnis von Mensch und Tier und den Umgang mit der Natur. Der Bundesrat lege eine ausgewogene Vorlage vor.

Geht es nach dem Bundesrat, sollen die Behörden künftig nicht mehr nur einzelne Wölfe zum Abschuss freigeben, sondern die Dezimierung von Beständen erlauben dürfen - und zwar ohne dass die Tiere Schaden verursacht haben. Die Regulierung dürfte aber den Bestand der Population nicht gefährden. Weiter wäre sie nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um grossen Schaden oder eine konkrete Gefährdung von Menschen zu verhüten - und wenn dies mit zumutbaren Schutzmassnahmen nicht erreicht werden kann.

Herdenschutz nicht zwingend

Die Umweltkommission des Nationalrates will den Schutz weiter aufweichen. Nach ihrem Willen würde es genügen, wenn Schaden droht. Dieser müsste nicht gross sein. Ausserdem sollen die Abschüsse auch dann erlaubt sein, wenn der Schaden durch zumutbare Schutzmassnahmen wie Herdenschutzhunde verhütet werden könnte.

Auf Bundesratslinie ist die Kommission bei anderen Tierarten. Der Bundesrat will im Gesetz verankern, dass er neben dem Wolf weitere geschützte Tierarten als regulierbar bezeichnen kann. Das könnten Luchs und Biber, aber auch der Höckerschwan sein.