«Es bedrückt einem sehr, wenn man solche Bilder sieht», sagt Arnold Wüthrich am Telefon. Seit einem Monat ist er mit seiner Familie und mit den Tieren auf der Alp Längenberg in der Gemeinde Reutigen z Bärg und schon müssen sie einen Wolfsriss beklagen.

Von hinten angefressen

Letzte Woche hat bei ihnen der Wolf zugeschlagen: Eine Ziege mussten Wüthrichs einschläfern lassen, sechs weitere hat das Raubtier verletzt. «Um fünf Uhr morgens hörte ich, wie die Ziegen um die Hütte rannten», so der Landwirt. Als er nach dem Rechten sehen wollte, sah er die Ziege vom Göttibub vor der Stallstüre liegen, die Därme draussen, das Tier noch lebend. «Der Wolf hat sie von hinten angefressen, unmöglich, es so leiden zu sehen», sagt Wüthrich leise am Telefon.

Für die Ziege gab es keine Rettung mehr, für die anderen sechs heisst es jetzt die Wunden pflegen. Kein leichtes Unterfangen bei dieser Hitze, bei diesen vielen Fliegen. «Das ist ein enormer Zeitaufwand, damit sich die Verletzungen nicht entzünden können», so der Älpler. Sie seien noch nie von einem Wolfsriss betroffen gewesen. «Wenn man das eigene Tier, mit aufgerissenem Bauch, völlig zerfetzt am Boden liegen sieht, geht einem das sehr nahe», so der Landwirt weiter.

Ziegen suchen Schutz

Wüthrichs Ziegen können überall auf der Alp frei umherlaufen, meistens suchen sie Stellen auf, wo kein Rind und wo keine Kuh mehr hinkommt. Sie machen Weidenpflege auf einfachste Art. «Als der Wolf bei ihnen war, sind sie wahrscheinlich zu den Kühen gerannt», erzählt Arnold Wüthrich. Auf jeden Fall habe er am Morgen bei einer Kuh Blut am Kopf entdeckt. «Wir haben zwei, drei Kühe, die sind ziemlich aggressiv gegenüber Hunden, auf jeden Fall kann unser Treibhund, ein Border Collie, nichts mit ihnen anfangen», weiss der Landwirt. Diese Aggressivität habe wahrscheinlich den anderen Ziegen das Leben gerettet. Der alarmierte Wildhüter habe Proben entnommen und ein Wolfsriss wurde bestätigt.

Wildhüter ist frustriert

Nicht nur er sei frustriert, sondern auch der Wildhüter: «Er hat mir persönlich gesagt, dass es ihn, auf Berndeutsch gesagt, langsam anscheisse, weil er von einem Wolfsriss zum anderen gerufen werde», so der Landwirt. Viel lieber möchte der Wildhüter wieder mal was «Schönes» sehen, zum Beispiel die ausgesetzten Steinböcke am Stockhorn mit ihren Jungen oder die Auerhühner mit ihren Küken. Arnold und Tanja Wüthrich halten auf der Alp 20 Ziegen, Ziegen, die nicht nur die Büsche und Sträucher in Schach halten. «Sie sind für uns sehr wertvolle Tiere, sie sind ein wichtiger Betriebszweig. Erst recht, da der Ziegenkäse stark nachgefragt wird.»

Aufgeben ist keine Option

Für ihn sei es keine Option, die Ziegenhaltung aufzugeben. Aber: «Der Wolf kommt wieder», da ist er sich sicher. «Während des Tages ist es den Tieren zu heiss, sie verbringen diese Stunden lieber im Stall», so der Landwirt. Deshalb lässt er sie jetzt am Morgen und am Abend ziehen. «Um 21 Uhr holen wir sie wieder in den Stall zurück, ein Mehraufwand, denn es nicht zu unterschätzen gilt», sagt der Landwirt. «Einerseits fordert der Tierschutz, dass die Tiere möglichst viel Weidegang bekommen, und andererseits sind wir gezwungen, der Raubtierproblematik wegen unser Vieh im Stall zu halten», sagt Arnold Wüthrich verärgert.

Eine leichte Beute

Für ihn sei es schwierig, abzuschätzen, wie der Sommer auf der Alp noch verlaufen wird. «Ich mag gar nicht daran denken, wenn sich in unserem Gebiet Wolfsrudel bilden können», so der Landwirt. Dann seien nicht nur die Ziegen oder die Schafe, sondern auch die Kühe, Rinder und die Kälber eine leichte Beute für das Raubtier. «Wollen wir die Alpwirtschaft erhalten, muss etwas geschehen», sagt er bestimmt. Am liebsten möchte er ohne Wölfe z Bärg können, damit er wieder ruhig schlafen könne.