Die Fohlengeburten in der Freibergerzucht sind rückläufig und mit ihnen natürlich die Züchter der letzten noch existierenden Schweizer Pferderasse. Neben diesem Umstand schüttelt es den Schweizerischen Freibergerverband (SFV) zuweilen kräftig durch. So auch in der vergangenen Woche. Diskutiert wurde über den Ausschluss des Hengsts Cartoon du Padoc im Besitz der Familie Juillard-Pape aus Damvant JU, vom Stationstest am Nationalgestüt in Avenches VD (siehe Kasten). Das Geschehen um den Hengst sei aber nur die Spitze des Eisbergs, heisst es von verschiedenen Seiten. Einer, der diese Meinung teilt, ist Albrecht Dreier. Er ist vergangene Woche, mit sofortiger Wirkung von seinen Funktionen im SFV zurückgetreten. Mit seinem Abgang fehlt dem Verband nicht nur der Zuchtkommissionspräsident, sondern auch einer der beiden Vizepräsidenten.
Dreier gibt Fehler zu
Die BauernZeitung hat mit Albrecht Dreier gesprochen. Sein Rücktritt habe wenig mit der Diskussion um den Hengst Cartoon zu tun. Er räumt aber ein, mit dessen Selektion in Glovelier JU, einen Fehler gemacht zu haben.
Nun folgt Cartoons Ausschluss durch den SFV-Vorstand. Grund: Das Reglement bezüglich der weissen Abzeichen wurde nicht eingehalten. Marie Pfammatter, Geschäftsführerin des SFV, erwähnt auf Anfrage, dass es bedauerlich sei, dass dieser Hengst den Stationstest nicht beenden könne. Die Tatsache, dass das Reglement in Glovelier nicht beachtet worden sei, wiege aber schwerer. «Der Vorstand hat die Verpflichtung, diese Reglemente zu beachten», erklärt sie. Und das ohne Ausnahme.
Branchenkenner Roland Baumgartner hingegen glaubt: «Meines Erachtens ist der FM-Vorstand rechtlich gar nicht kompetent, den Stationstest des selektierten Hengsts Cartoon abzublasen.» Laut den Weisungen für «Die Kontrolle der weissen Abzeichen» würden nur die beiden vom Verband bestimmten Personen über die Zulassung entscheiden. Heuer waren dies Albrecht Dreier und Dominique Odiet. Auch Odiet ist nun zurückgetreten, laut Medienmitteilung des SFV, die vergangene Woche verschickt wurde, habe sein Rücktritt aber nichts mit der Angelegenheit zu tun.
Hengst oder Dreier?
Was wiegt nun schwerer? Der Ausschluss des Hengsts oder Albrecht Dreiers Abgang? Schliesslich scheinen die beiden Vorfälle nur wenig Zusammenhang zu haben. In Sachen Hengst haben sich viele Züchter ihre Meinung gemacht. Einige bedauern den Ausschluss, einige finden es richtig, andere hinterfragen das späte Handeln des Verbands, andere sagen, Dreier und Odiet sollten es ausbaden, wieder andere finden die Diskussion um die weisse Farbe übertrieben und ganz viele zeigen grosses Mitgefühl mit der Familie Juillard.
Auf Facebook postet Familie Juillard am Dienstag unter ihrem Zuchtnamen Elevage du Clos Virat ein Bild des Hengsts mit dem Text: «Cartoon - der Neid hat dich besiegt.»
Pape-Juillard bleibt im Vorstand
Chantal Pape-Juillard befindet sich beim Anruf der BauernZeitung im Krankenhaus. Ein Sportunfall, der sich bei der Züchterin und zweiten Vizepräsidentin des Verbands bereits vor Glovelier ereignet habe, hat sie in Behandlung gezwungen. Es gehe ihr aber gut, wie sie erklärt. «Cartoon steht noch am Nationalgestüt, wir werden ihn aber bald nach Hause holen», sagt sie. Also kein Rekurs, trotz guter Aussichten? «Nein», sagt Pape-Juillard. Es stehe noch nicht fest, wie es für ihn weitergehe, die Familie habe noch nicht entschieden. «Wir werden uns noch darüber unterhalten müssen.» Die Ereignisse seien derart schnell aufeinander erfolgt, dass nun noch etwas Zeit nötig sei, alles zu verdauen. Chantal Pape-Juillard erzählt von einer schwierigen Vorstandssitzung am 30. Januar, in der sie von ihrem Vorstandskollegen, der ebenfalls mit Hengsten in Glovelier war, stark mit Vorwürfen attackiert wurde. Neid? «Ich gehe davon aus», sagt sie diplomatisch. Bereits kursieren erste Gerüchte, Pape-Juillard könnte aus dem Vorstand demissionieren. Das verneint sie vehement. «Ich will bleiben, für die Pferde und die Züchter, die mich brauchen. Ich liebe alle Pferde und fast alle Züchter», sagt sie und lächelt dabei.
«Ich habe jahrelang gelogen»
In der laufenden Diskussion bekommt man das Gefühl, dass der Hengst mit seinen weissen Beinen mehr zu beschäftigen weiss, als der Verlust eines Vorstandsmitglieds. Für den Kanton Bern ist es aber die dritte Person in Folge, die den SFV-Vorstand vorzeitig verlässt. Was sind die Gründe dafür? «Es ist die Art und Weise, wie man miteinander umgeht», sagt Albrecht Dreier. Dieser Terror, diese Tonalität.» Und da kommt Reue auf beim Landwirt und Pferdezüchter. «Ich habe jahrelang gelogen, um gewisse Vorkommnisse in diesem Verband zu beschönigen. Da scheint auch der um fünf Jahre zurückliegende Fall vom gekörten Hengst Don Athos dazuzugehören. Bei ihm entdeckte man am Stationstest einen weissen Fleck am Bauch. Wo war der denn in Glovelier? Dazu äussert sich beim SFV niemand mehr. Dreier erinnert sich: übermalt.
Chronologie der Abläufe
11. Januar:Freiberger Hengstselektion in Glovelier JU mit Sieger Cartoon.
20. Januar: Start des 40-Tage-Tests in Avenches VD.
30. Januar: Erste SFV-Vorstandssitzung nach der Selektion. Cartoon wird thematisiert. Der Vorstand entscheidet zugunsten des Hengsts. Er soll den Test beenden können.
3. Februar: Demission von Albrecht Dreier geht ein.
6. Februar: Zweite SFV-Vorstandssitzung. Erster Entscheid wird überworfen. Cartoon wird disqualifiziert. An der Sitzung fehlt Albrecht Dreier. Chantal Pape-Juillard muss den Raum verlassen.
Züchter sollen Freude haben an ihrem Produkt
«Ich kann das einfach nicht mehr», sagt er. Spätesten hier wird klar, die Diskussionen, wie jene um die weissen Abzeichen, die sich immer wiederholen, sind nur Ausdruck dessen, was dahintersteckt. «Wir müssen wieder lernen, dass die Züchter an ihren Produkten Freude haben. Wir müssen Richter finden, die das sehen, die Züchterschaft loben, damit sie auch weiterhin der Rasse treu bleiben. Mit lauten, cholerischen und selbstherrlichen Menschen im Vorstand, in den Richtergremien und in den Kommissionen verlieren wir dieses Pferd, weil die Leute einfach keine Lust mehr haben, das zu ertragen.» Es gäbe viele Ansichten, wie ein Pferd zu züchten sei, und nicht nur jene der Spitzenzüchter wie Pierre Koller, Bellelay BE, ist Dreier sicher. «Ich habe jetzt einen ersten Schritt gemacht, nun braucht es die Züchter, die einen zweiten tun. Sie alle sind der Verband und nicht ein einzelner unter ihnen.»