Vor 40 Jahren war die Berufsbezeichnung «Melker» noch eine gängige Angelegenheit. Heute sagt man Herdenmanager oder landwirtschaftliche Angestellte – tönt moderner. Die Melker waren früher gesucht, sehr gesucht sogar. Sei es auf privaten Betrieben, in Alters- und Pflegeheimen oder in Justizvollzugsanstalten. Diese hatten meistens noch einen zusätzlichen grossen Viehbestand, den es zu versorgen galt. Einer, der noch als Melker angestellt wurde, ist Albert Wälti. Heute wohnt er zusammen mit seiner Frau Romy in Wasen im Emmental.

[IMG 2,3]

Beworben im Jahr 1988

Ende 1988 bewarb sich Albert Wälti auf ein Melker-Inserat des Alters- und Pflegeheims Frienisberg. Am 1. Januar 1989 trat er die Stelle an. 60 Kühe hatte damals das Altersheim – 30 Stück auf diesem Läger und 30 Stück auf jenem Läger. Kopf an Kopf standen damals die Kühe im modernen Anbindestall. In der Mitte war das Futtertenn, zwei Melker betreuten den Viehbestand. Wälti hatte «seine» 30 Kühe zu versorgen, die anderen 30 wurde von seinem Arbeitskollegen übernommen. Melken, Kühe putzen, den Stall in Schuss halten, die Nachzucht betreuen, die Zäune in Stand stellen, das Betreuen einiger Pfleglinge usw., gehörten fortan zu den Hauptaufgaben von Wälti. Unterstützt wurde er bei seiner täglichen Arbeit auch von seiner Frau Romy und den beiden Kindern Martina und Simon.[IMG 4]

Einige Ausstellungen

«Obwohl der andere Melker und ich Arbeitskollegen waren, hatten wir züchterisch doch eine ganz andere Vorstellung», weiss Albert Wälti noch. Dieser gesunde Konkurrenzkampf spornte ihn zusätzlich an, um auf seinem Läger die eine oder andere maximal punktierte Kuh zu züchten. «Bei der Stierenauswahl hatten wir freie Wahl, ausser dass der Werkführer keine Holstein wollte», sagt er. Sie konnten entscheiden, welche Kuh zum Metzger ging und welche Kuh man an der Viehschau präsentieren wollte. «Die alljährliche Herbstviehschau war für mich immer ein grosser Höhepunkt», erzählt Wälti. An diesem Tag konnte er jeweils aufzeigen, dass sein Paarungsplan doch nicht so daneben war. «Als ich 1989 die Stelle antrat, hatten die Kühe auf meinem Läger einen Notendurchschnitt von 86,4 Punkten, als ich nach 18, 5 Jahren gegangen bin, war er auf 93,6 Punkten geklettert.»

Aber nicht nur dass: Auch 16 Zuchtfamilienschauen, davon aus einer Stammkuh sage und schreibe drei Generationen, insgesamt 29 Stück, an einer einzigen Auffuhr; eine BEA-Kuh und eine sechs-Generationen-Kuhfamilie im Stall, gehörten zu seinen züchterischen Höhepunkten. Auch die 100-Jahr-Feier der Viehzuchtgenossenschaft Meikirch 1997 blieb ihm noch in bester Erinnerung. «Mit 52 Kühen sind beide Melker und das Helferteam bei strömendem Regen frühmorgens los marschiert», weiss Romy Wälti noch. «Das Treichel- und Glockengeläut ging einem damals schon unter die Haut», sagen beide rückblickend. Geschmückt wurden die Kühe auch, wenn das Alters- und Pflegeheim seine alljährliche Sichlete durchführte. «Von der Weide zurück in den Stall liefen wir mit den Kühen extra durch den Klosterhof, was nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Pensionären gut ankam».

[IMG 6]

In bester Erinnerung bleibt Albert Wälti noch, als er den Auftrag bekam, eigenhändig einen Simmentalerstier zu kaufen. «Ich war bei Armin Schmid in Guggisberg, bei Gottfried Oesch in der Schwarzenegg und bei Niklaus Wittwer in Zweisimmen», so der Melker. Die angebotenen Stiere habe er dort akribisch auf Abstammung und Exterieur kontrolliert. Schlussendlich fiel seine Wahl auf den Kanis-Sohn Bänz von der Familie Wittwer. «Wir haben damals für den zweijährigen Stier 5200 Franken bezahlt», sagt er. Und aus Bänz habe man später auch die erste 98-punktige Kuh gezüchtet.

Grosses Kompliment

Für die zwei Melker war auch der jährliche Besuch des Verwaltungsrats des Alters- und Pflegeheims Frienisberg ein grosses Ereignis. Mit einer Visite sei der Start jeweils im Stall gewesen. Dort wollte man die Arbeit der Melker überprüfen. Für Albert Wälti gehörte es dazu, dass er seine 30 Kühe von ihrer besten Seite zeigen konnte. Nicht nur die Kühe wurden auf Hochglanz poliert, sondern auch der Stall. Schickte sich der Verwaltungsrat sein Läger zu begutachten, waren die Kühe am fressen, die Schwänze aufgebürstet und das Stroh reichte bis unter ihre Bäuche. «Der Verwaltungspräsident Ruedi Fischer sagte mir einmal, dass sehe ja aus wie an der BEA», weiss Wälti noch. Das sei für ihn jeweils das grösste Kompliment gewesen.

[IMG 5]

Es waren noch 16 Pferde im Stall

In den 50er-Jahren arbeiteten auf dem 90 ha grossen Landwirtschaftsbetrieb, der zum Wohn- und Pflegeheim Frienisberg dazugehörte, 13 Angestellte mit 70 bis 80 Pfleglingen. In den 60er-Jahren waren sage und schreibe noch 16 Pferde und erst ein Traktor im Einsatz, wie den Schriften zu entnehmen ist. Der Traktor kam aber nur zum Zuge, wenn alle 16 Pferde eingespannt waren.

Die Arbeit mit den Pfleglingen sei nicht leicht gewesen, wie der damalige Werkführer Hans Schmid schreibt. Man musste aufpassen, dass sich die Männer nicht in die Haare gerieten. Damit diese beschäftigt werden konnten, wurde auch das Heu von Hand gewendet. Die 80 Pfleglinge seien dann mit Rechen und Gabel ausgerückt.

Die Wurzeln des Wohn- und Pflegeheims Frienisberg liegen im gleichnamigen, ehemaligen Kloster. Nach dessen Auflösung 1528, im Zuge der Reformation in der Schweiz, war es ein Sitz der Berner Landvögte in Frienisberg. Ab 1834 war die kantonale Knabentaubstummenanstalt, bis zu deren Umzug 1890 nach Münchenbuchsee, ansässig.

Die nachfolgende Verpflegungsanstalt wurde 1897 von der heutigen Trägerschaft käuflich erworben und im Verlauf des 20. Jahrhunderts bis zum heute bekannten, überregionalen Wohn- und Pflegeheim entwickelt. Heute ist der Landwirtschaftsbetrieb privat verpachtet.