Das Körpergewicht spricht man bei Menschen meist aus Höflichkeit nicht an. Wenn es ums Reiten geht, ist es aber tierschutzrelevant. Und es gilt zu beachten, dass nicht nur augenscheinlich massige Menschen viel Gewicht in den Sattel bringen können, sondern auch grosse Personen oder solche mit viel Muskelmasse. Jedenfalls werde der Belastung des Pferderückens durch zu hohe Reitergewichte zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, warnt der Schweizer Tierschutz STS.

Faustregel über das Verhältnis

Es gibt verschiedene Methoden, um das maximale Reitergewicht für ein Pferd oder Pony abzuschätzen. Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) gibt in einer gemeinsam mit dem STS verfassten Broschüre folgende Faustregel: Der Reiter oder die Reiterin sollte nicht mehr als 15 Prozent des Körpergewichts des Tieres auf die Waage bringen. Wie schwer ein Pferd ist, findet man entweder mit einer Grosswaage heraus, oder man orientiert sich an der Formel:

 

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Belastbarkeit dank Index abschätzen

Gewichtsverhältnisse scheinen in dieser Sache aber nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Die obige Faustregel biete allenfalls eine grobe Orientierung, hält die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. in einem Merkblatt fest. Einen besseren Eindruck von der Tragfähigkeit eines Tieres gebe der Röhrbeinbelastungsindex:

 

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Somit haben grazile Pferde wie Araber eher tiefe Werte, sind also weniger belastbar was das Reitergewicht angeht. Ebenfalls tiefe Indexwerte haben schwere Pferde – ihr Bewegungsapparat sei bereits durch ihr hohes Eigengewicht stärker belastet. Bei übergewichtigen Pferde müsse aus demselben Grund die zusätzliche Belastung tiefer angesetzt werden.

Der Körper zeigt die Tragfähigkeit

[IMG 4]Man muss indes nicht zwingend zum Taschenrechner greifen. Der Körperbau eines Pferdes gibt bereits klare Hinweise auf dessen Belastbarkeit. Als besonders aussagekräftig gilt die Lendenpartie: je breiter der Bereich zwischen letzter Rippe und Hufthöcker, desto geringer seien die Muskelschäden mit höherer Gewichtsbelastung. Damit ist klar, warum die kräftig gebauten Ponys im Verhältnis zu ihrer eigenen Körpermasse tendenziell mehr Gewicht tragen können.

Auch der Röhrbeinumfang allein soll schon vielsagend sein: Man nimmt an, dass ein Umfang von mindestens 20 cm je 450 kg Körpergewicht des betreffenden Pferdes mit guten Trageigenschaften verbunden ist, so die deutsche Tierärzteschaft.

Röhrbeinumfang bei der Körung mitentscheidend

Seit diesem Jahr ist der Röhrbeinumfang ein Körungskriterium für Freiberger-Zuchthengste. Es gilt ein Minimum von 20 cm. Bei einem Gewicht von beispielsweise 550 kg ergibt das einen Röhrbeinbelastungsindex von 3,64 für ein Freiberger Pferd. Das ist eher tief, verglichen mit einem Shetlandpony (7,4) oder einem Englischen Vollblut (4,4). Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. nennt 4,5 bis 6 als Hinweis auf eine «relativ höhere Belastbarkeit» im Vergleich zu grazilen Rassen wie Arabern. Unter unserem Freiberger-Rechenbeispiel rangiert z. B. das Süddeutsche Kaltblut (3,0).

Zwar werden einige Pferderassen – darunter Freiberger – als «Gewichtsträger» bezeichnet und verfügen über ein starkes Fundament und einen soliden Körperbau. Wie der SVPS schreibt, wurden sie aber oft ursprünglich zum Ziehen und für Feldarbeiten gezüchtet, was eine andere Art der Belastung für den Körper bedeutet und sie nicht automatisch zum idealen Reittier für schwerere Menschen macht. 

Ein Faktor unter vielen

Im Endeffekt ist die Be- oder Überbelastung eines Pferds beim Reiten zu komplex, um sie auf einen einzelnen Faktor herunterbrechen zu können. Z. B. spielt die Bodenbeschaffenheit mithinein, die Ausrüstung und entscheidend auch das Können der Person im Sattel. Diese sollte etwa im Gleichgewicht sitzen, weshalb der SVPS der Fitness und Koordination des Menschen ebenso Bedeutung beimisst, wie der guten Ausbildung des Pferds. Zur besseren Selbsteinschätzung bietet der Verband eine Netzgrafik zum Selbstausfüllen an, die Sie hier herunterladen können. Ausserdem wurde in Zusammenarbeit mit Fachleuten ein eigenes Fitnessprogramm für Reiter(innen) zusammengestellt und es gibt eine ausführliche Broschüre mit Hinweisen zum passenden Sattel.

Überbelastung ist tierschutzwidrig

Es gibt in der Schweiz weder ein Gesetz noch ein allgemeingültiges Reglement, das ein maximales Reitergewicht festlegen würden – schliesslich ist die Sache wie erwähnt komplexer und jedes Reiter-Pferd-Paar sollte gemäss SVPS individuell beurteilt werden. Empfehlungen gibt es vom Schweizerischen Voltigeverband und der Islandpferde-Vereinigung Schweiz jeweils für diese Disziplin bzw. Rasse.

Wohlbefinden und Gesundheit des Pferdes sind aber tierschutzrelevant und eine Überbelastung verstösst gegen das Tierschutzgesetz. «Wenn Tiere genutzt werden, muss ihr Wohlbefinden gesichert sein und zwingend an erster Stelle stehen», heisst es dazu beim STS. Menschen, die reiten, müssten sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Pferd und dessen Gesundheit jederzeit bewusst sein.   

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So zeigt sich eine Überbelastung

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. weist darauf hin, dass zusätzliches Gewicht auf dem Rücken eines Pferdes unbestrittener Massen zu Veränderungen an Anatomie und Bewegungsablauf führe:

  • Verstärktes Durchbiegen der Wirbelsäule
  • Versteifung der seitlichen Bewegung
  • Verlängerung der Standphase und Verkürzung der Hängephase der einzelnen Gliedmassen

Wie stark sich diese Veränderungen zeigen, hängt von der Gewichtsbelastung ab. Ausgleichend bzw. entlastend wirkt da Aufwölben des Rückens durch angespannte Bauchmuskulatur.

Mehr darüber, wie man die Belastung durch das Reitergewicht minimieren kann, lesen Sie hier.

Von Natur aus sei kein Pferd dazu gemacht, eine(n) Reiter(in) zu tragen. Unter gewissen Voraussetzungen können die Tiere aber ohne Probleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen ein Gewicht auf ihrem Rücken tragen, ist der SVPS überzeugt.