Happiges Urteil für den pensionierten Aargauer Landwirt Georg Oeschger, weil er Feldmäuse bekämpfte, um seine Hochstammbäume zu schützen: «Mehrfache versuchte Tierquälerei durch qualvolles Töten von Tieren mittels Hervorrufen von Explosionen im Erdreich», befand Ende Februar die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und brummte ihm eine saftige Busse und Gebühren auf. Das liess Oeschger nicht auf sich sitzen und erhob Einsprache beim Bezirksgericht Laufenburg. Ende Juni traf das 26-seitige Urteil ein: «Schuldig der mehrfachen versuchten Tierquälerei gemäss Tierschutzgesetz.» Busse 800 Franken, Gebühren über 2500 Franken und bedingte Geldstrafe von 3300 Franken.

Anzeige wegen Explosion

Was war geschehen? Mitte November 2020 ging bei der kantonalen Polizei ein Notruf von einer Drittperson ein, dass seit mehreren Tagen jemand auf dem Feld etwas am Sprengen sei. Die ausgerückte Polizeipatrouille traf in Gansingen Oeschger mit einer Apparatur auf dem Feld, an der zwei Gasflaschen angeschlossen waren. Oeschger erklärte, dass er mit dem von einem Berufskollegen ausgeliehenen Gasdetonationsapparat «Rodenator» Mäuse bekämpfe. Und er bestritt, dass er wegen dieses Einsatzes in Kauf genommen habe, dass Feldmäuse qualvoll litten und starben. Im Gegenteil seien die Mäuse nach der Explosion innert Sekunden tot. Das sei bei andern Methoden wie Fallen oder Giften nicht immer der Fall. Die Polizei liess sich nicht abhalten und verzeigte ihn bei der Staatsanwaltschaft.

Vorwurf Tierquälerei

Und nun hatte das Bezirksgericht ausführlich zu klären, ob der Beschuldigte mit dem Einsatz des Rodenators die Feldmäuse tierschutzkonform bekämpft hat. Oder ob er gegen die Tierschutzgesetzgebung verstiess, indem er die Mäuse qualvoll leiden und sterben liess. Das Gericht holte dazu mehrere Gutachten ein. So befand die Kantonspolizei in einem Fachbericht der Gruppe Umwelt- und Tierdelikte, dass die Handhabung mit dem Rodenator nicht unter die Sprengstoffgesetzgebung falle. Ebenso wurde Stellung genommen zu andern Bekämpfungsmethoden und deren korrekte Handhabung wie Giftköder oder Fallen. Eine Schwachstelle des Rodenators sei, dass bei der «Tiertötung mittels Explosiva ein verzögerungsfreier Ablauf der Tötung nicht sichergestellt und der Vorgang des Tötens auch nicht überwacht werden kann.»

Nicht zulässig und qualvoll

Konsultiert wurde vom Gericht auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Dieses beurteilte die Schadnagerbekämpfung mittels Explosiva (beispielsweise Propangas und Sauerstoff, wie im Rodenator verwendet) als «nicht zulässig und potenziell qualvoll». Die Methode führe nicht sicher zum Tod aller betroffenen Tiere. Es könne im Gegenteil zu schweren Verletzungen wie abgerissenen Gliedmassen bei den Mäusen kommen.

Im Biolandbau bewilligt

Fructus, die Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten, bestätigte die Notwendigkeit der Bekämpfung von Wühlmäusen zum Schutz von Obstgärten. Oeschger setze sich als Mitglied für den Erhalt alter und wertvoller Obstsorten ein. Explizit habe man ihm das eingesetzte Gasdetonationsgerät nicht empfohlen, Fructus verwies aber auf die «Pflanzenschutzempfehlungen für den Erwerbsobstbau» von Agroscope, worin diese Bekämpfungsmethode aufgeführt sei. Auch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau nahm in einem Schreiben an den Beschuldigten Stellung und unterstrich die Wichtigkeit der Mäusebekämpfung. Im Biolandbau seien neben den Topcat-Fallen und CO-Vergasern auch die Regulierung mit dem Gasdetonationsapparat bewilligt.

Und schliesslich bat Oeschger auch noch den Bauernverband Aargau (BVA) um eine Beurteilung. Dieser beschied ihm eine grosse Erfahrung und Kompetenz bei der korrekten Anwendung des Geräts und Beurteilung des Wirkungsumfeldes. Der BVA hinterfragte die Beurteilung des BLV, wonach der Rodenator abgerissene Extremitäten bei Mäusen verursachen könnte. «Andernfalls hätte das BLV den Rodenator verbieten müssen, was aber nicht passiert ist.»

Erhebliche Risiken

Das Gericht befand schliesslich, dass zwar die Bekämpfung von Feldmäusen mittels Explosiva in der Tierschutzgesetzgebung nicht ausdrücklich verboten sei. Wer aber ein Gasgemisch einsetze, das zur Explosion gebracht wird, entscheide sich für eine aussergewöhnliche Tötungsmethode, die mit erheblichen Risiken verbunden sei. Daher habe sich die Person, die damit hantiere, vorgängig vertieft mit der tierschutzrechtlichen Problematik auseinanderzusetzen. Das habe der Beschuldigte aber nicht gemacht, beziehungsweise erst nach der Strafanzeige. Er habe in Kauf genommen, dass an der Peripherie des Explosivgemisches Tiere nicht getötet, sondern nur verletzt werden und dann qualvoll sterben. «In diesem Sinne ist die eventualvorsätzliche Tatbegehung zu bejahen.»

Urteil weiterziehen

Zusammenfassend verletze die Bekämpfung von Feldmäusen mit dem Gasdetonator die Tierschutzgesetzgebung. «Insbesondere werden mit dieser Tötungsmethode die Kriterien einer fachgerechten und tierschutzkonformen Tötung gemäss Tierschutzverordnung nicht beachtet.»

In Fachkreisen löste das Urteil Unverständnis aus. Offenbar ist im Aargau ein anderes Urteil zu einem gleichen Fall noch hängig, wie Ralf Bucher vom BVA berichtet. Georg Oeschger jedenfalls wird das Urteil weiterziehen.

 

Empfehlung des Rodenators wird hinterfragt

Bei Gasdetonationsapparaten wird ein entzündliches Propangas-Sauerstoff-Gemisch in die Schermausgänge geleitet und anschliessend zur Explosion gebracht. Anwender müssten Gesichts- und Gehörschutz sowie feste Kleider und Sicherheitsschuhe tragen. Die Lärmemissionen seien enorm.

Tests der AGFF hätten nur eine mittelmässige Wirksamkeit dieser Methode gezeigt, heisst es in den «Pflanzenschutzempfehlungen für den Erwerbsobstbau 2020/2021» von Agroscope. Darin ist der Gasdetonationsapparat zur direkten Bekämpfung von Mäusen aufgeführt. Inzwischen sei das «Mäusemerkblatt» aber gelöscht worden, als das BLV darauf hinwies, das diese Tötungsmethode nicht mehr zulässig sei, ist dem Gerichtsurteil zu entnehmen. Agroscope habe in Studien schon vor 15 Jahren festgestellt, dass der Rodenator nur eine mittlere Wirksamkeit gegen Schermäuse auf Wiesen und Weiden habe und das Gerät im Grasland nur bedingt empfohlen werde. Unter Obstbäumen, wo Mäuse oft tiefere Gänge anlegen, konnten keine Beobachtungen gemacht werden. Es sei von Agroscope auch keine Studie bekannt, die untersuche, ob das Gerät zum schnellen und sicheren Tod der Tiere führe.

Der Rodenator ist in der Schweiz seit vielen Jahren gegen Mäuse im Einsatz. Allerdings sind gemäss Agroscope schätzungsweise nur 100 bis 200 solcher Geräte verkauft worden. Seit ein paar Jahren sei das Gerät im Handel nicht mehr erhältlich. Seit der Tierschutzverordnung 2018 sei die Regelung des Einsatzes durch die Tierschutzgesetzgebung bestimmt, zuständig sei das BLV. In England werden solche Geräte übrigens auch gegen Wildkaninchen eingesetzt. 

 

 

Kommentar: Eine juristische Entgleisung

Im Aargau wurde ein Landwirt von der Staatsanwaltschaft gebüsst, weil er Mäuse bekämpfte. Er zog das Urteil weiter vors Bezirksgericht, blitzte ab und wurde zu einer saftigen Strafe verurteilt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, Bauer Oeschger aus Gansingen reichte Beschwerde ein und geht vor die nächste Instanz.

Dies mit Unterstützung des Bauernverbands Aargau, denn «wir erachten das Urteil als weg­weisend für die Schädlingsbekämpfung allgemein. Sonst wird dann bald noch das klebrige Fliegenband verboten, weil die Fliege darauf auch nicht sofort tot ist», begründet Geschäftsführer Ralf Bucher. In der Tat wirft das Urteil des Bezirksgerichts Rheinfelden-Laufenburg viele Fragen auf. Zwar sei die Bekämpfung von Mäusen mittels Explosiva in der Tierschutzgesetzgebung nicht ausdrücklich verboten, aber sie sei mit erheblichen Risiken verbunden, heisst es im Urteil. Der Ablauf der Tötung könne nicht sichergestellt und die Tötung nicht überwacht werden.

Ups, da müssten in der Tat noch viele Bekämpfungs­methoden gegen Schädlinge in der Landwirtschaft hinterfragt werden. Richtig deshalb, dass diese juristische Entgleisung angefochten wird.