Dass wir zum Schutz des Klimas von fossilen Energien wegkommen müssen, steht ausser Frage. Nun zeigt eine Forschungsarbeit der Eawag und der ETH Zürich sowie von Forschenden aus den USA, dass die Energiewende auch unerwartete Nebeneffekte auf den Pflanzenbau haben dürfte. Dies deshalb, weil neben dem CO2-Ausstoss auch die Mengen an Selen und Schwefel abnehmen werden, die in die Atmosphäre und via Regen in die Böden gelangen. 

Essentiell für Mensch und Pflanze

Zwar sind Selen und Schwefel in hohen Konzentrationen schädlich, wohldosiert spielen sie aber als Nährstoffe im Pflanzenbau eine wichtige Rolle. So ist Schwefel ein essentieller Nährstoff für das Wachstum von Pflanzen und die menschliche Gesundheit, schreibt die Eawag in einer Mitteilung. Der Stoff sei daher von zentraler Bedeutung, um hohe Erträge sicherzustellen.

Im Gegensatz dazu sind Pflanzen nicht auf Selen angewiesen, sie nehmen es aber ebenfalls aus dem Boden auf und sind daher eine wichtige Selen-Quelle für Mensch und Tier. Für sie ist das Spurenelement lebenswichtig und insbesondere für das Immunsystem von Bedeutung. 

Mangel zeigt sich schon heute

Um gesunde, selenreiche Nahrungsmittel zu produzieren, muss der Boden demnach ausreichende Menge des Spurenelements enthalten. Laut Mitteilung geht man aber davon aus, dass bereits heute zwischen einer halben und einer Milliarde Menschen mit Selen unterversorgt sind. Auch Schwefelmangel werde bei Nutzpflanzen immer häufiger festgestellt, was in den letzten Jahrzehnten die weltweite Ernährungssicherheit zunehmend gefährde. 

Bis zu 90 Prozent geringerer Eintrag

Das internationale Forscherteam hat anhand eines Aerosol-Chemie-Klimamodell die Menge an Selen und Schwefel, die von 2005 bis 2009 weltweit aus der Atmosphäre in den Boden eingetragen wurde (Deposition) mit zwei Zukunftsszenarien verglichen. Dabei modellierten sie die Werte für die Jahre 2095 bis 2099 unter der Annahme unterschiedlich erfolgreichen Klimaschutzes und damit unterschiedlichem Ausstoss aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Die Berechnungen zeigen einen starken Rückgang der Deposition auf landwirtschaftlichen Flächen. «Die Einträge von Schwefel könnten um 70 bis 90 Prozent bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zurückgehen, diejenige von Selen um 55 bis 80 Prozent», wird der Erstautor der Studie zitiert. Vor allem dort, wo dem Boden über grosse Ernten grosse Mengen Nährstoffe entzogen werden, werde eine ausreichende Düngung zur Herausforderung. 

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Beide Zukunftsszenarien zeigen, dass deutlich weniger Selen in die Böden gelangen wird. (Grafik Ari Feinberg und Lenny Winkel / Bild Shutterstock)

Beobachten und Lösungen finden

Die sich verändernde Nähstoffversorgung in der Landwirtschaft müsse weiter beobachtet werden, folgern die Forschenden. Ausserdem müssten nachhaltige Lösungen entwickelt werden, um die Böden in Zukunft ausreichend zu düngen. Das könne dazu beitragen, die gesunde und nährstoffreiche Ernährung der Weltbevölkerung künftig sicherzustellen. 

 

Klimawandel wirkt verstärkend

Gemäss einer älteren Studie der Eawag und fünf weiterer Institute wird der Selengehalt im Boden stark von Niederschlägen beeinflusst. Viel Regen wäscht das Spurenelement aus. Ist der Untergrund zu trocken, haftet Selen schlechter an den Bodenpartikeln. Da mit Klimawandel sowohl starke Niederschlagsereignisse als auch Trockenheitsphasen zunehmen, werde der Selengehalt im Boden bis zum Ende des Jahrhunderts sinken. Besonders betroffen seien Ackerflächen in Europa, Indien, China, der Süden Südamerikas, Südafrika und der Südwesten der USA.