Am Freitag hat sich der Schweizer Obstverband (SOV) zur Delegiertenversammlung getroffen. Präsident Jörg Hess zeigte sich erfreut, dass nach zwei Jahren Pause wieder ein physisches Treffen möglich ist. Zudem gebe es mit dem 111. Jubiläum etwas Zusätzliches zu feiern.

Hoffen auf höhere Wertschätzung

Es seien alles andere als normale Zeiten, sagte Hess mit Bezug auf die Aktualitäten. Auch im Lebensmittelsektor habe sich einiges verändert. Die neue Bedeutung der Ernährungssouveränität möge sich auch ausdrücken in einer höheren Wertschätzung für die Landwirtschaft, hofft Hess.

Hess kam auch auf die Nachhaltigkeit zu sprechen, ein Begriff, der schon fast Kultstatus erreicht habe. Er zeigte sich zufrieden, dass es dem SOV gelungen sei, mit dem Programm «Nachhaltigkeit Früchte» auf die neuen Nachhaltigkeits-Bedürfnisse des Handels zu reagieren. Mit 6 Rp. pro kg sei auch eine faire Entschädigung gefunden worden.

Für die Produzenten sei es zentral, die Produktionskosten genau zu kennen, damit man faktenbasiert in die Verhandlungen einsteigen könne. Die Preisgestaltung in der ganzen Wertschöpfungskette müsse fair und transparent erfolgen. Dabei gelte es auch die Kaufkraft der Konsument(innen) im Auge zu behalten, Obst dürfe nicht zum Luxusprodukt werden.

Kurzer Rückblick auf 111 Jahre

Ehrenmitglied und Alt-Geschäftsführer Hans-Ueli Daepp warf einen Blick zurück auf das 111-jährige Bestehen des Verbands. Das sei ja passend zur Branche eine Schnapszahl. Zur Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert habe der weit verbreitete Feldobstbau zur Gründung zahlreicher Mostereien und Brennereien. Das Wachstum habe nach einer ordnenden Hand verlangt, so Daepp, dies führte 1911 zur Verbandsgründung.

1915 hatte man bereits 250 Mitglieder. Früh konnte man am Stadtrand von Zug ein Verbandsgebäude erstellen, das noch heute genutzt wird. In den 1960er Jahren stiegen die Erträge aufgrund der Umstellung von Hoch- auf Niederstamm-Anlagen und weiteren Rationalisierungsmassnahmen.

Die eidg. Alkoholverwaltung suchte mit Fällaktionen die Überschüsse und damit die hohen Verwertungskosten zu reduzieren und stiess damit bei Produzenten und Mostereien auf wenig Gegenliebe. Diese Konflikte sind heute längst Vergangenheit. Daepp rühmte die Anstrengungen der Branche zur Integration sämtlicher Beteiligten in der Wertschöpfungskette.

Schwieriges Jahr 2021

In seinem Jahresbericht warf Direktor Jimmy Mariéthoz einen Blick auf die Vergangenheit aus Sicht der aktuellen Verbandsführung. Anhand vergangener Jahresberichte. Die Erntemengen variierten wie heute. Roter Faden war dabei der Preis einer der wichtigsten Apfelsorten: Der Golden galt 1951 Fr. 1.40 pro kg. 20 Jahre später lag er noch bei 70 Rappen. Weitere 20 Jahre später lag der Golden-Preis wieder bei Fr. 1.49. Heute hat sich der Preis auf Fr. 1.02 reduziert.

Bei seinem Rückblick auf 2021 erwähnte Mariéthoz die schwierigen Witterungsbedingungen und deren massiven Auswirkungen auf die Erträge. Auch die zwei Agrar-Initiativen kamen zur Sprache. Es sei kein Zufall, dass der Abstimmung sehr intensive Auseinandersetzungen vorausgegangen seien. Der Verband habe sich nicht dem Schweizer Bauernverband angeschlossen, sondern eine eigene moderne Kampagne gefahren, so Mariéthoz. Man sei aber trotzdem gemeinsam marschiert. Lobende Erwähnung fand auch die bereits oben erwähnte Branchenlösung Nachhaltigkeit Früchte.

Das Thema Nachhaltigkeit sei auch im Blick auf die Zukunft eine Herausforderung. Man erwarte hier auch Unterstützung und Anerkennung durch den Bund. Auch der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden Kostensteigerungen werde die Branche in naher Zukunft stark beschäftigen.

Ausgeglichenes Budget

Im Finanzbereich gab es ebenfalls einige interessante Zahlen aus dem Jahr 2021 zur Kenntnis zu nehmen: 51 % der Einnahmen von gut 6 Mio Fr. gehen auf das Konto der Mitgliederbeiträge (3,378 Mio Fr.), die Absatzförderungsbeiträge des Bundes betrugen 2,1 Mio Fr. und damit 32 % des Ertrags, weitere je rund 7 % brachten die Liegenschaften und die Dienstleistungen ein. Grösste Ausgabeposten sind Werbung (3,6 Mio Fr. / 56 %) und die Löhne (1,7 Mio Fr. / 26 %). Der Gewinn betrug rund 7000 Franken. Das Budget 2022 sieht ähnliche Zahlen vor.

Im Traktandum Verabschiedungen wurde Hansruedi Wirz als Präsident des Produktezentrums Krischen/Zwetschgen gewürdigt. Er habe Produktion und Handel zusammengebracht und neue Zusammenarbeitsformen mitinitiiert. Glücklicherweise bleibe er dem Verband im Vorstand weiterhin erhalten. Verabschiedet wurde auch der Geschäftsführer von Swisscofel, Marc Wermelinger.

Ein Baum vom SBV

Sandra Helfenstein, ehemalige Mitarbeiterin des SOV und heute Geschäftsleitungsmitglied des Bauernverbands kam, um mit dem Obstverband zu jubilieren. Dafür gebe es mehrere Gründe, einerseits den Erfolg im Abstimmungskampf zu den Agrar-Initiativen. Es sei ein beispielsloses Engagement auf allen Ebenen gewesen. «Ich hoffe, dass sie sich auch dieses Jahr ein bisschen solidarisch zeigen mit den tierhaltenden Kollegen», so Helfenstein mit Blick auf die Massentierhaltungs-Initiative. Weitere Gründe zum Jubilieren seien die Jubiläen des SOV und des SBV, der heuer 125-jährig wird. Wie alle anderen Mitgliederverbände erhält auch der SOV vom SBV einen Obstbaum nach Wunsch.

Voller Einsatz für die Dreiphasenlösung

Im Verschiedenen erkundigte sich ein Delegierter, ob das Dreiphasensystem zum Schutz der inländischen Produktion ungefährdet sei. Präsident Jürg Hess erklärte, er setze sich dafür bei jeder möglichen Gelegenheit ein. SOV-Vorstandsmitglied und Nationalrätin Simone de Montmollin betonte, dass im Nationalrat – vorläufig – noch eine Mehrheit für die Stützung des Systems bestehe. Auch sie will sich dafür einsetzen, dass dies so bleibt.

Ein weiterer Delegierter erkundigte sich danach, was mit dem Tag des Apfels geschehen sei, dieser habe früher eine wichtige Funktion erfüllt, sei aber etwas in Vergessenheit geraten. Man habe aufgrund der Corona-Pandemie beschlossen, den Anlass nicht an Bahnhöfen durchzuführen, sagte Christian Schönbächler vom SOV. Man habe das Konzept angepasst, so seien 2020 etwa Spitäler beliefert worden, letztes Jahr habe man die Bildungsinstitutionen bedient und heuer wäre die Kultur vorgesehen, so Schönbächler. Eine Rückkehr an die Bahnhöfe sei aber in Prüfung.  

Erfahrungen mit Nachhaltigkeit im Südtirol

Gastreferent war Robert Wiedmer, Koordinator im Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau. Dieser hat 6300 Mitglieder mit 22'000 ha Fläche und 51 Mitarbeitenden. Die seit 1957 aktive Organisation wurde von Landwirten gegründet.

Der Südtiroler Sektor wird oft kritisiert für seine intensive Produktion, namentlich im Bereich Pflanzenschutz. Auch hier ist verbesserte Nachhaltigkeit deshalb eine zentrale Herausforderung. Wichtigste Elemente der Nachhaltigkeitsstrategie sind eine sektorenübergreifende Kreislaufwirtschaft, neuen und Robusten Sorten, Pflanzenschutz, der vermehrt auf Nützlinge setzt, Innovationen, bedarfsgerechte Bewässerung, mehr Rücksicht auf Biodiversität und optimierte Ausbildung. Nachhaltigkeit ist ein Prozess und keine Studie, sagte Wiedmer. Diese umfasst 10 Nachhaltigkeitspakete.  

Als konkretes Beispiel erwähnte er Massnahmen zur Reduktion der Abdrift beim Pflanzenschutz. Das grosse Problem sei hier, dass der Platz im Südtirol sehr eng sei, man arbeite mitten in Privatgärten.