Die Nachfrage nach Speisepilzen hat in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erfahren. Davon profitiert hat vor allem die Schweizer Edelpilzproduktion: Während in den 1990er-Jahren noch die wenigsten Edelpilze kannten, besteht das Schweizer Pilzangebot heute zu einem mittlerweile doch bedeutenden Teil aus Shiitake, Austernpilzen, Kräuterseitlingen und anderen Edelpilzen.

Die Produktion in diesem Bereich ist in den letzten Jahren stark gewachsen – ja, hat sich in den letzten zehn Jahren sogar verdoppelt. So hat auch der Inlandanteil stark zugenommen: Fast jeder zweite nachgefragte Edelpilz wächst in der Schweiz.

Den Boom von Beginn an miterlebt

Auf dem Biohof der Familie Schneebeli im zürcherischen Obfelden werden seit über 40 Jahre Edelpilze angebaut. Sein Vater habe mit der Pilzproduktion angefangen, erklärt Fabian Schneebeli: «Damals noch ganz primitiv in kleinen Häuschen aus einem mit Plastik überzogenen Holzgerüst – und auch nur, wenn draussen die Temperaturen gestimmt haben.» Das kleine Projekt ist aber stetig gewachsen und in der Zwischenzeit zum wichtigsten Betriebszweig des 22 Hektaren grossen Betriebs geworden.

«Früher haben wir nur im Frühling und im Herbst produziert und konnten saisonal an Grossverteiler liefern», erzählt der Betriebsleiter weiter. Als die Nachfrage nach Pilzen zunehmend stieg, seien die sporadischen Lieferungen zu wenig geworden und die Abnehmer hätten eine ganzjährige Pilzzüchtung verlangt – also investierten Schneebelis 1997 in ein modernes Gewächshaus.

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Austernseitling – der Pilz für den Bauernhof

Die moderne Pilzzucht kombinierten sie damals mit einer Bio-Junghennenaufzucht: Zwanzig Jahre lang wuchsen im unteren Stockwerk Küken zu Hennen heran, während im oberen Stockwerk die Pilze gediehen. Unter anderem aufgrund der nach wie vor steigenden Nachfrage nach Edelpilzen entschied sich die Betriebsleiterfamilie vor ein paar Jahren dann, die Hennenaufzucht zugunsten der Pilzproduktion aufzugeben.

Der Biobetrieb der Familie Schneebeli konzentriert sich bei der Pilzzucht vor allem auf die Produktion von Austernpilzen, baut in kleineren Mengen aber auch noch Shiitake und Limonenseitlinge an. Austernseitlinge sind typische Strohpilze, wachsen also auf einem Substratgemisch aus Stroh. «Dieser Pilz passt am besten auf einen Landwirtschaftsbetrieb, weil es viele Ackerkulturen gibt, bei denen als Nebenprodukt Stroh anfällt, das man für das Substrat weiterverwenden kann», meint Fabian Schneebeli.

So stelle sich ein gewisser Kreislauf ein: Für den optimalen Nährboden für seine Pilze verwendet der Landwirt Stroh, das er auf den eigenen Feldern produziert oder er kauft es von Biobauern aus der Region zu. Am Ende des Pilzproduktionsprozesses kann der Landwirt das alte Substrat «recyceln» und frisch aufzubereitendem Substrat zumischen. Im Winter, wenn die Mutterkühe nicht auf der Alp sind, verfüttert er zudem einen Teil den Tieren.

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Pasteurisieren und impfen

Bis heute wird das spezielle Substrat auf dem Betrieb selbst gemischt und aufbereitet. Dafür werden rund 50 Tonnen Stroh im Mistwagen mit Wasser und etwas Maisspindeln gemischt und zerkleinert. Nach drei Tagen ist das Stroh mit Wasser vollgesogen und kommt dann für fünf Tage in den Substratraum, wo es zum Pasteurisieren auf 65 Grad erhitzt wird. «Das schafft ein optimales Milieu für die erfolgreiche Anzucht der Austernpilze und hemmt das Wachstum anderer Pilze, Bakterien und Schädlinge», erklärt Fabian Schneebeli. Nach dem Pasteurisieren wird das Substrat abgekühlt und fermentiert auch bereits etwas.

Nach diesem Prozess wird das Substrat geimpft: Fabian Schneebeli und seine Mitarbeiter bestreuen das aufbereitete und vorfermentierte Strohgemisch während des Einfüllens in die eigens konzipierten Produktionswände mit der sogenannten Körnerbrut. Die Körner- oder Pilzbrut besteht meist aus Getreidekörner, die mit dem jeweiligen Kulturpilz infiziert und mit dem Pilzmyzel durchwachsen sind. Nach der Impfung kommen die angesetzten Produktionswände für zwei Wochen in den dunklen Anwachsraum, wo sich das Pilzmyzel geflechtartig ausbreitet und das Substrat gleichmässig durchwächst.

Pilze sind keine Pflanzen
Pilze sind weder Pflanzen noch Tiere, sondern bilden die eigene Gruppe der Fungi. Wie Pflanzen sind sie standortgebunden – im Gegensatz zu diesen können sie aber keine Photosynthese betreiben und so auch keine Energie aus dem Sonnenlicht ziehen.

Wie Tiere ernähren sie sich deshalb von organischem Material, welches sie aus dem Boden gewinnen. Nach heutigen Erkenntnissen sind Pilze deshalb näher mit Tieren als mit Pflanzen verwandt.

Ideale Bedingungen schaffen

Ein grosses Augenmerk liege auf der Hygiene, erzählt Fabian Schneebeli. Nebst dem Pasteurisieren des Substrats, um ungewollten Pilzen und Schädlingen vorzubeugen, wird auch die Luft sowohl im Anwachs- wie auch in den eigentlichen Produktionsräumen im Gewächshaus gefiltert. «In der Luft hat es Sporen, deshalb wird diese auch gefiltert und bevor wir das pasteurisierte Substrat abfüllen, waschen und desinfizieren wir den sogenannte Spickraum sorgfältig», erklärt der Landwirt.

Nach den zwei Wochen im Dunkelraum werden die Gestelle mit dem vom Pilzmyzel gut durchwachsenen Substrat in das eigentliche Gewächshaus gebracht. «Wir haben beim Gewächshaus bewusst auf eine Glasfassade», erläutert Fabian Schneebeli. So ist der Betrieb zwar nicht auf Kunstlicht angewiesen, dafür muss der Kontrolle des Klimas in den Produktionsräumen besondere Beachtung geschenkt werden.

Nebst einer konstanten Luftfeuchtigkeit zwischen 80 und 90 Prozent liegt die ideale Temperatur für das gute Gedeihen von Austernpilzen nämlich zwischen 14 und 18 Grad. «Wir haben eine Sonnenstore, damit das Glas nicht zu fest aufheizt und eine Klimaanlage, die für die Junghennenaufzucht damals sowieso vorgeschrieben war und die auch bei den Pilzen gute Dienste leistet», erklärt der Landwirt. Im Frühling und Herbst sei es temperaturbedingt grundsätzlich am besten zum Produzieren. Daneben wird die Klimaanlage mit der Photovoltaik vom Dach betrieben und geheizt mit einer Holzschnitzelheizung.

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Von Erfahrung und Tüftelei

Um den Temperaturunterschieden etwas zu begegnen, gibt es ausserdem verschiedene Stämme von Austernpilze. So mögen die Sommerstämme gegenüber den Winterstämmen etwas mehr Hitze vertragen. Nach ein bis zwei Wochen im Glashaus kommen dann die ersten kleinen Austernpilze zum Vorschein und wenig später, können dann bereits die ersten geerntet werden. «Die erste Erntewelle ist am ergiebigsten und nach zwei bis drei weiteren Wochen – je nach Temperatur – gibt’s eine nächste Erntewelle», erzählt Fabian Schneebeli.

Bis zu dreimal wird an jeder Produktionswand geerntet, bevor die Gitter geleert, gewaschen und desinfiziert und danach im Spickraum mit frischem Substrat befüllt werden. «Das Problem ist, je älter das Substrat wird, desto mehr zerfällt es und der Mücken- und Insektendruck nimmt in der Folge zu», erläutert der Landwirt. Nach der Ernte werden die Austernpilze dann sofort kühl gestellt und anschliessend von verschiedenen Pilzrüstern weiterverarbeitet.

Die optimale Ernte setzt von der Substratproduktion bis hin zur Ernte viel Erfahrung voraus. «Wir produzieren ja schon lange Pilze, aber zwischendurch haben wir immer wieder mal das Gefühl, dass wir keine Ahnung haben», lacht Fabian Schneebeli. Es komme immer wieder mal vor, dass die Pilze nicht richtig wachsen würden und sie nicht genau wüssten warum. «Der Fehler kann irgendwo im Detail versteckt sein – wenn wir dann von anderen Produzenten erfahren, dass sie auch Probleme haben, ist beispielsweise eine fehlerhafte Körnerbrut naheliegend und wir können Fehler auf unserer Seite ausschliessen», ergänzt der Landwirt. Ansonsten gelte: Ausprobieren und die Prozesse weiter optimieren.

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