Der Juckerhof in Seegräben ZH hat den Charakter eines Dorfplatzes. Das Gelände bietet Sitzgelegenheiten im Schatten von Dächern und Bäumen oder an der Sonne, mit Sicht auf den Pfäffikersee oder den «Geisslipark», an dessen Eingangstür eine Tafel vor bisweilen zickigen Ziegen warnt. An diesem sonnigen Tag herrscht viel Betrieb. Besucher(innen) verpflegen sich im Selbstbedienungsrestaurant oder kaufen im unbedienten Hofladen ein, durch die offene Tür kann man einen Blick in die Küche erhaschen. «Die Leute konsumieren und verbringen hier ihre Freizeit», sagt Martin Jucker. «Das sind tiefgreifende Marketing-Erlebnisse.»
Bauer und Unternehmer
Im Gespräch mit Martin Jucker, der zusammen mit seinem Bruder Beat die Jucker Farm AG aufgebaut hat, kommen verschiedene Facetten zum Vorschein. Der gelernte Obstbauer erklärt seine Überzeugung, dass die regenerative Landwirtschaft der Weg in die Zukunft ist – obwohl er zuerst fand, die fünf Prinzipien seien in der Schweiz bereits mehrheitlich umgesetzt. Jucker ist aber auch in Wirtschaftsdingen bewandert und ein Unternehmer mit Erfahrung aus der Start-up-Szene, für den nicht-kostendeckende Preise keine Option sind. Schliesslich argumentiert der Zürcher auf emotionaler Ebene und spricht darüber, wie die Zusammenarbeit im grossen Team gelingen kann. Die Jucker Farm kennt die Probleme eines Familienbetriebs, lebt die Zusammenarbeit und hat es geschafft, ihre Produkte erfolgreich selbst zu vermarkten. Sogar der Detailhandel klopfte an, um Produkte mit dem Jucker-Farm-Logo ins Sortiment aufzunehmen.
Dass Martin und Beat Jucker dereinst ein solches Unternehmen gründen würden, hatten ihre Eltern nicht kommen sehen. Wegen schlechter familiärer Erfahrungen war angedacht, dass Martin als Obstbauer den elterlichen Betrieb in Seegräben übernehmen sollte, und Beat, der Landwirt lernte, den Hof mütterlicherseits in Rafz ZH. Auf diese Weise würden sich die Brüder nicht in die Quere kommen, so der Plan. Doch der Betrieb in Rafz erwiessich als zu klein, um in dieser Form weitergeführt zu werden. In Seegräben kam es zu Produktionseinschränkungen durch ein neues Schutzgebiet am Pfäffikersee, wodurch auch dort die minimale Grösse nicht mehr gegeben war. Also spannten die Juckerbrüder zusammen.
Heute gehören neben dem Juckerhof in Seegräben und dem Spargelhof in Rafz auch der Bächlihof in Jona SG und der Römerhof in Kloten ZH zur Jucker Farm AG (siehe Kasten).
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Zentrale Organisation für vier Betriebe
«Agrarrechtlich sind wir ein Betrieb mit vier Standorten», erklärt Martin Jucker die Struktur. Alles ist eine Firma, aber die Betriebe führen ihre eigene Buchhaltung. «Viele Produkte gehen von einem Hof zum anderen», fährt der Obstbauer fort, «wir haben einen intensiven internen Warenfluss». Oft ist die Hofmanufaktur eine Station. Sie mache die Jucker Farm wohl zu dem Betrieb mit der grössten Hofverarbeitung in der Schweiz, sei aber sicher auch die kleinste Lebensmittelindustrie. Angesichts dessen habe sich die Warenwirtschaft zu einer Schlüsselkompetenz entwickelt; Es muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, wo welche Ware ist und wie lange sie noch haltbar ist.
Die Buchung der Warenflüsse erfolgt digital in SAP Business one, einem Planungsprogramm für mittelständische Unternehmen. Neben den Warenflüssen vereint die vier Jucker-Farm-Höfe jeweils eine gemeinsame Abteilung für Marketing, Personalfragen und Finanzen. «Eine solche zentrale Organisation ist für Unternehmen in der Wirtschaft üblich, in der Landwirtschaft aber nicht», stellt Jucker fest.
Direktzahlungen erhält die Jucker Farm je nach Jahr bzw. je nachdem, welcher Bereich jeweils gewichtiger war. Folgende Betriebe sind in der Jucker Farm AG zusammengefasst:
Juckerhof, Seegräben: 16 ha, Erlebnisbauernhof, Steinobst und Beeren, Äpfel, Birnen Reben, Apfellabyrinth, Hofladen und Restaurant, Räumlichkeiten für Events, Geisslipark, Strohhüpfburg, Naturspielpatz
Bächlihof, Jona: 9 ha, Kernobst und Beeren, Hofmanufaktur, Restaurant, Naturspielplatz, Strohhüpfburg, Geisslipark, Events und Seminarräume, Hofladen
Spargelhof, Rafz: 26 ha Eigenland plus Pacht, Hauptproduktionshof, u.a. Spargeln, Kürbisse, Getreide, Beeren, Wintergemüse, Hofladen, Solarstrom
Römerhof, Kloten: 2 ha, Blumen selber schneiden, Hofladen
Produkte: Das Kassensystem führt rund 600 Artikel aus eigener Produktion.
Den Wert genau kennen
Innerhalb der Jucker Farm verkaufen die Höfe ihre Produkte aneinander. «Das ist wichtig, damit wir den Wert genau kennen», sagt Martin Jucker. Nur so sei es etwa möglich, dass in den Hofrestaurants oder den Hofläden korrekte Preise festgelegt werden können. Basierend auf diesen Berechnungen zu Gestehungskosten, übt der Zürcher Kritik an den Preisempfehlungen des Schweizer Bauernverbandes für Direktvermarkter. «Die sind zum Teil haarsträubend unterpreisig», findet er. Wahrscheinlich werde da die Arbeitszeit nicht sauber eingerechnet. «Aber bei uns arbeitet niemand eine Minute gratis», betont Jucker. Bei ihm sei das grosse Erwachen gekommen, als Angestellte und damit fixe Lohnkosten zu den üblichen Familienarbeitskräften dazustiessen.
Weil ihre Strukturen – verglichen mit anderen Akteuren in der Lebensmittelverarbeitung – klein sind, kann die Jucker Farm keine sehr günstigen Produkte anbieten. Aber: «Wir verkaufen nicht nur Produkte, sondern auch Emotionen und Mehrwerte.»
Diese Bemerkung lenkt die Unterhaltung zum Thema Regenerative Landwirtschaft. Es seien mehrere Faktoren gewesen, die für die Jucker Farm in diese Richtung gewisen hätten, schildert der Obstbauer. «Wir spüren die Wertvorstellungen unserer Kundschaft und ihre Bedürfnisse und wollen erklären können, was wir tun.»
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Beurteilung ändert alles
Auf der anderen Seite steht der Druck der Politik, die Ressourcen wie z. B. Pflanzenschutzmittel zunehmend einschränkt. Ausserdem habe der Weg der Grünen Revolution, die dank chemischer Hilfsstoffe und Kunstdüngern zu höheren Erträgen verholfen hat, ein Ablaufdatum. «Irgendwann braucht es etwas anderes, weil es so nicht mehr geht», ist Martin Jucker überzeugt. Gemeinsam extensivierten die Betriebsleitenden die Jucker Farm und gestalteten die Produktion nachhaltiger, um schliesslich zur Regenerativen Landwirtschaft zu kommen.
Das Konzept mit seinen fünf Prinzipien – Förderung der Biodiversität, reduzierte Bodenbearbeitung, dauerhafte Durchwurzelung, dauerhafte Bodenbedeckung, Integration von Tieren – findet Martin Jucker an sich nicht schwierig. Aber, «man muss zuerst die Beurteilung ändern – dann ändert sich alles», erzählt er und gibt ein Beispiel: «Was zeichnet etwa eine erfolgreiche Weizenproduktion aus?» Infrage kämen der Ertrag in Kilo, ein schöner, unkrautfreier Bestand, gute Kornqualität, Verzicht auf Pflanzenschutzmittel («nur, falls die Beiträge stimmen»), nach der Ernte dank des Pflugs ein sauberer Tisch – in der Auswahl, die Martin Jucker gibt, klingt seine Kritik an konventionellen Anbausystemen durch. «Wenn man da die fünf regenerativen Prinzipien anschaut, passt das alles nicht.»
Ertrag in Franken statt Kilo
Stattdessen werde in einem ersten Schritt alles dem Humusaufbau und der Bodenfruchtbarkeit untergeordnet. «Der Ertrag in Kilo ist egal, der Ertrag in Franken ist wichtiger.» Ob das Feld schön aussieht oder nicht, spiele keine Rolle mehr, der Pflug bleibt im Schopf. Alles, was der Bodenfruchtbarkeit zuwiderläuft, wird vermieden. So komme man auf eine ganz andere Ebene, die geänderte Denkweise stelle den ganzen Jahresablauf auf den Kopf. «Und man braucht ganz viel Wissen, das heute kaum mehr vorhanden ist.» Um es sich anzueignen, hat Martin Jucker einen Kurs in Regenerativer Landwirtschaft absolviert. Dieser Kurs wurde von der Jucker Farm als Lehrgang selbst aufgebaut und steht allen Bauern offen.
Viel früher haben die Jucker-Brüder Ökonomie-Luft geschnuppert und zwei Winterkurse am Schweizerischen Institut für Unternehmerschulung (SIU) besucht. Als Bauern waren die zwei Exoten in einer Klasse, die mehrheitlich aus Handwerkern und anderen Gewerblern bestand. «Für uns war das der Schlüssel, um aus dem landwirtschaftlichen Denken auszubrechen und unternehmerisch den nächsten Schritt zu tun», meint Martin Jucker. Um ihre neu zusammengeschlossenen Betriebe weiterzubringen, setzen sie auf Direktvermarktung. Da aber die Laufkundschaft fehlte, mussten Menschen auf den Hof gelockt werden, wobei Juckers ihr neues Marketingwissen einsetzen konnten. Per Zufall fanden sie damals zu den Kürbissen, für die die Jucker Farm noch heute bekannt ist.
Die Gemeinde greift ein
Der Ausbau der Direktvermarktung sei schneller gegangen, als er hätte geplant werden können. Der Hofladen in Seegräben florierte derart, dass die Gemeinde mittels Verkehrsberuhigung das Kundenaufkommen um ein Drittel reduzieren wollte. «Statt eines Drittels waren es dann 80 Prozent», erzählt Martin Jucker. Die Lösung lag im Aufbau der Selbstbedienungsrestaurants. Autos fahren auf den Juckerhof keine mehr vor, was zur Idylle des Ortes beiträgt. Die Vermietung von Tagungsräumen und Events wie Hochzeiten sorgen für eine konstante Auslastung der Küche, in der professionelle Köche arbeiten. Dank schockgefrorenen Menüs ist es ihnen möglich, auf spontane Nachfrage zu reagieren – kommt die Sonne, kann der Platz plötzlich voller Menschen sein.
Auch in der Hofmanufaktur arbeiten Profis, Lebensmitteltechnologen entwickeln neue Produkte wie Hofriegel oder verschiedene Popcorn-Varianten. Im Winter beschäftigt die Jucker Farm rund 150 Mitarbeitende, in der Saison knapp 400. Es gibt 20 Kaderstellen im Bereich Landwirtschaft (sprich Anbau) und die Jucker-Brüder lassen ihren Teams viel Freiheit. Entscheidungen werden oft dezentral gefällt. «Wir haben es einfacher, mit Mitarbeitenden zu diskutierenn, als ein bäuerlicher Familienbetrieb, auf dem drei Generationen wohnen und arbeiten, die alle überzeugt werden müssen», findet Martin Jucker.
«Vieles definieren wir über gemeinsame Werte, so kommt man viel weiter», sagt er. Die angestellten Landwirte haben ein festes Einkommen und die Möglichkeit zum Ausprobieren und Mitgestalten, ohne das unternehmerische Risiko tragen zu müssen. «Von zehn auf der Jucker Farm gestarteten Projekten scheitern acht», schätzt der Obstbauer. Angeichsts sehr vieler Projekte gibt es aber auch jedes Jahr zahlreiche funktionierende Neuerungen. Wenn etwas scheitert, werde nicht gescholten, sondern man lerne aus den Fehlern. Fehlschläge teilt die Jucker Farm ausserdem offen via ihren Online-Farmticker, was dazu beitrage, das Unternehmen authentisch und sympathisch wirken zu lassen.
Martin Jucker glaubt, dass vielen Landwirt(innen) in einem solchen Angestelltenverhältnis wohler wären, weil ihnen keine Sorgen und Risken den Schlaf raubten. «Aber sie werden von der Politik regelrecht in die Selbstständigkeit gedrängt», kritisiert er.
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«Bund würgt ab»
Gleichzeitig werde in der Schweiz Agrarpolitik für eine «Gotthelf-Landwirtschaft» betrieben, fährt Martin Jucker fort. «Viele Bauern handeln zwar unternehmerisch, der Bund würgt aber jeden Spielraum ab, um sich vom herrschenden Marktversagen loszueisen.» So werde es praktisch verunmöglicht, einen rentablen, gesetzeskonformen Hofladen zu betreiben – und die Direktvermarktung zugleich als Heilmittel für bessere Wertschöpfung angepriesen. «Das geht nur auf, weil die Arbeitszeit der Bäuerinnen und Bauern nicht korrekt abgerechnet wird.» Nicht umsonst sehe eine landwirtschaftliche Buchhaltung ganz anders aus, als sie ein Unternehmen in der Wirtschaft machen würde.
Dabei ist es Martin Jucker wichtig, die Landwirtschaft als Teil der lokalen Wirtschaft zu sehen. «Sie sollte aber auch dieselben Möglichkeiten haben», ergänzt er. «Wir brauchen mehr Freiheiten und müssen aus der Opferrolle raus.» Konkret müssten seiner Meinung nach die vor- und nachgelagerten Stufen für Landwirtschaftsbetriebe zugänglich werden, also mehr Eigenversorgung und Verarbeitung auf den Höfen. «Mehr Freiheiten und Unternehmertum wird den Strukturwandel beschleunigen», ist sich Jucker bewusst. Aber die Anzahl Bauernbetriebe habe nichts mit der resultierenden Lebensmittelproduktion oder dem Grad der Ernährungssicherheit zu tun. «Nur in der Landwirtschaft wird am Leben erhalten, was nicht rentiert.» Der Zürcher wehrt sich gegen das Credo, klein sei gut und gross sei schlecht. Die Jucker Farm funktioniere nur dank ihrer Grösse und bringe für die angestellten Landwirte – wie erwähnt – verschiedene Vorteile. Sie arbeitet über die vier angeschlossenen Betriebe hinaus mit rund 40 Landwirt(innen) aus der Region zusammen – vom Landabtausch über Produktevermarktung bis zur Verarbeitung – alles mit individuell gestalteten Lösungen. Auf diese Weise wird auf rund 150 ha für die Jucker Farm produziert.
So individuell müsste nach Meinung von Martin Jucker auch jede Betriebsentwicklung aussehen. Das «System Jucker Farm» lasse sich kaum kopieren. «Aber es ist schrittweise entstanden», gibt er zu bedenken, «und diesen Weg kann jeder gehen.» Wie es Juckers über die Jahre erging – inklusive Überforderung, Pleitegehen und enormem Ideenreichtum – erzählt die «Juckersaga» im Farmticker.
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Uniforme Urproduktion gefördert
Je nach Gegebenheiten und Persönlichkeit der Beteiligten sieht Martin Jucker unterschiedliche Möglichkeiten, wie ein Betrieb sich weiterentwickeln könnte. Ein anderer könne vielleicht als authentischer Betriebsleiter seine Besucher am Grill bedienen. Jucker selbst erkennt keiner der Gäste, die den frühlingshaften Nachmittag in Seegräben geniessen, als Mitbegründer der Jucker Farm. «Aber es ist 100 Prozent Landwirtschaft, was ich mache», betont er, «denn wir verkaufen unsere Produkte.» Und obwohl das – inklusive des Festlegens eigener Preise und der Pflege von Kundenkontakten – in der Landwirtschaft kaum ein Thema sei, so gehöre es doch eigentlich untrennbar dazu. «In jedem anderen Unternehmen ist das klar.» Es gewinne nur, wer sich abheben könne, zitiert er Wirtschaftswissen. Aber die Agrarpolitik fördere das genaue Gegenteil, nämlich eine uniforme Urproduktion.
Die Jucker Farm ist dank 30-jähriger Aufbauarbeit zu einer Marke geworden, die die Kundschaft mit so viel Positivem verbindet, dass sie höhere Preise zu bezahlen bereit ist. Das gilt auch für den Detailhandel: «Unsere Kürbissuppe läuft im Coop am besten, weil sie die beste ist», sagt Martin Jucker. Sie entsteht in der Hofmanufaktur auf dem Bächlihof in Jona aus Ausschuss-Kürbissen vom Hof in Rafz. Die Etikette mit dem geschwungenen Schriftzug ist eine Herkunftsbezeichnung, die für ein sorgfältig vermarktetes Gesamtpaket steht.
Regenerativ auf der Jucker Farm
Zum regenerativen Ackerbau ist bereits viel bekannt und die Jucker Farm ist damit erfolgreich, z. B. mit Untersaaten im Getreide. «Wir haben das 2021 zum ersten Mal ausprobiert – ausgerechnet in diesem nassen Jahr», erinnert sich Martin Jucker. Sie hätten die Parzelle bereits abgeschrieben und erwarteten grosse Probleme durch hohen Krankheitsdruck, weil die Nässe eher im Bestand bliebe. «Am Ende war das die einzige Fläche, auf der das Getreide verwertbar war.»
«Man will mehr davon»
Der Zürcher erklärt sich das so, dass die Wurzelausscheidungen der Untersaat die Kultur stärkten und robuster gemacht haben. «Ich verstehe nicht genau, wie es funktioniert», räumt er ein. «Aber wenn man sowas erlebt, will man mehr davon.» Dieses «Mehr» an regenerativen Methoden zeigt sich etwa durch den Einsatz von Terra Preta, dank dem die Jucker Farm nach eigenen Angaben heute 60 Prozent weniger Kunstdünger verwendet. Damit werde der Boden statt der Pflanze gedüngt, erklärt Jucker. Die Mikroorganismen seien aktiver, Humus werde aufgebaut und die Pflanzen bekämen die Nährstoffe dann, wenn sie sie brauchten. «Das ist ein ganz normales, natürliches System – kein anthroposophischer Firlefanz.»
Mit regenerativem Spargelanbau betritt die Jucker Farm unbekanntes Terrain. Mit Gründüngungen nach der Spargelernte und Winterweizen zwischen den Dämmen sieht der Spargelacker in Rafz reichlich ungewöhnlich aus. Doch die kräftigen Stangen in der Auslage des Hofladens in Seegräben lassen wenig Zweifel daran, dass es funktioniert. «Mit dem Grünspargel sind wir noch nicht so weit», bemerkt Martin Jucker.
Keine Auslobung der Produkte
Insgesamt ist die Bilanz nach vier Jahren regenerativem Anbau auf der Jucker Farm durchzogen. Zwar sank wie erwähnt der Verbrauch von Mineraldünger deutlich und auch der chemische Pflanzenschutz ging im 40 Prozent zurück. «Noch sind wir aber nicht so weit, ich es gerne hätte», sagt Landwirt Sven Studer im Farmticker. Er ist auf der Jucker Farm als Experte für Regenerative Landwirtschaft tätig. Zuerst müsse es runter gehen, dann gehe es wieder bergauf, glaubt Martin Jucker. Zwar schätzt er, dass er die Regenerative Landwirtschaft relativ einfach seiner Kundschaft erklären kann. Seine Produkte explizit dafür auszuloben, lehnt er aber ab. «Der Marketingvorteil durch Regenerative Landwirtschaft hält hoffentlich nicht lange an», meint er. Seiner Meinung nach sollten möglichst viele Betriebe umstellen und er ist sicher, dass die Regenerative Landwirtschaft in Zukunft Standard wird – «irgendwann». Von einer breiten Umstellung profitiere er selbst auch, da das Gesamtsystem resilienter werde.
Bisher gibt es bis auf Ziegen zum Streicheln und Beobachten durch die Besucher keine Tiere auf den Jucker-Farm-Betrieben. Dies könnte sich im Sinn der Regenerativen Landwirtschaft bzw. deren Prinzip der Integration von Tieren ändern. «Aber nicht mit intensiven Fleischproduktion», stellt Martin Jucker klar. Er sieht darin keinen wachsenden Markt und ausserdem wäre das – neben Ackerbau, Gemüse-, Obst- und Weinproduktion eine weitere, ganz neue Disziplin.
Ist die Farm zu gross geworden?
Die Jucker Farm ist v.a. durch ihre Kürbisausstellungen berühmt geworden. Die erste war mehr ein Zufall, denn die zu Testzwecken angebauten Kürbisse mussten nach der Ernte zwischengelagert werden und stapelten sich entsprechend überall, wo ein Dach Schutz bot. Die Beliebtheit der Kürbisse und die Faszination für die daraus gebauten Figuren in den Ausstellungen der Jucker Farm im In- und Ausland sind ungebrochen. 2024 stiess die Eventfreude in Seegräben aber an ihre Grenzen. Die Gemeinde verlangte eine Verkleinerung der Veranstaltung, die Juckers daraufhin verkürzten. Ausserdem führten sie neu Eintrittspreise ein, der Umsatz sank deutlich.
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Es gibt noch eine weitere Entwicklung, die den Eindruck vermitteln kann, die Jucker Farm sei jetzt doch zu gross geworden: Statt in einer hofeigenen Mühle, wird das Getreide neu bei einem Müller in der Region gemahlen. Die eigenen Kapazitäten und Qualitäten reichten trotz 24-Stunden-Dauerbetrieb nicht mehr aus.
Martin Jucker sieht beides allerdings nicht als Rückschritte. «Ausserhalb der Schweiz gab es noch nie eine Kürbisausstellung ohne Eintritt», bemerkt er. Die Regelung des Verkehrs, die Verlängerung einer Busstrecke bis zum Juckerhof und das spätere Säubern des Dorfs seien für die Jucker Farm langsam ziemlich ins Geld gegangen. Die eigene Mühle auf dem Hof sei zwar schön zum Zeigen gewesen, aber nicht praktisch. Sie ist nun auf einem anderen Betrieb im Einsatz – worüber die interessierte Kundschaft der Jucker Farm dank Farmticker auch Bescheid weiss.
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