Der Düngerpreis hat sich weltweit um das Dreifache erhöht. Zum Teil sind Düngemittel sogar schwer verfügbar, weil zum einen die Nachfrage in den letzten Jahren stark angestiegen ist und zum anderen Fabriken wegen der steigenden Erdgaspreise ihre Produktion herabsetzen oder gar einstellen mussten (wir berichteten). Eine Entspannung ist schwer vorherzusagen, hört man aus den Fachkreisen. Zudem steht die Düngung schon länger im Fokus der Politik und in der Kritik. Der Bundesrat lancierte im Frühjahr einen Massnahmenplan für sauberes Wasser: die Stickstoff- und Phosphorverluste sollen zum Schutz der Gewässer bis 2030 reduziert werden.
Wie kann das Ziel erreicht werden, um dennoch eine ausreichende Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel und Rohstoffe sicherzustellen? «Neben Innovationen und modernen Technologien lassen sich Zielkonflikte eventuell mit Biostimulanzien entschärfen», sagt Sven Hartmann, Leiter Fachbereiche Pflanzenernährung und Biostimulanzien des deutschen Industrieverbands Agrar e. V. (IVA), an einer Medienveranstaltung zum Thema Nährstoffeffizienz.
Was sind Biostimulanzien?
Biostimulanzien liefern nicht wie Dünger Nährstoffe, sondern enthalten Substanzen oder Mikroorganismen, welche auf die Pflanzen oder die Rhizosphäre (Teil des Bodens, der direkt von Pflanzenwurzeln beeinflusst wird) aufgetragen werden. «Diese unterstützen und stimulieren in der Pflanze die Nährstoffaufnahme und Nährstoffeffizienz. Sie können zudem die Toleranz gegenüber zum Beispiel Hitze- oder Trockenstress verbessern», erklärt Sven Hartmann deren Funktion. Weitere Eigenschaften seien zudem:
- Förderung des Wurzelwachstums und Verbesserung der Bodenstruktur
- pH-Wert-Veränderung
- Besserer Aufschluss von Bodenphosphat
- Stickstofffixierung
- Auslösen von Abwehrmechanismen gegen Frassfeinde und Krankheitserreger.
Ihre Wirkung können Biostimulanzien vor allem auf Standorten und bei Umweltbedingungen entfalten, die nicht optimal sind, ergänzt Hartmann.
Kein Düngerersatz, aber ...
Trotz der vielen positiven Eigenschaften, welche die Biostimulanzien an den Tag legen, solle man aber keine Wundermittelerwarten. «Biostimulanzien können zwar eine positive Wirkung auf die Produktqualität leisten, sie haben aber ihre Grenzen, wie jede andere Produktgruppe», so der Wissenschaftler. Sie seien nicht als Ersatz von Düngemitteln anzusehen, betont Sven Hartmann, sondern als «ergänzendes Instrument im Werkzeugkasten des Landwirts neben dem Pflanzenschutz, der Düngung und dem Saatgut». Der Düngemitteleinsatz liesse sich mit Biostimulanzien aber reduzieren.
Starten die Biostimulanzien jetzt richtig durch? Ja, beantwortet er: «Der gesellschaftliche Druck auf die Landwirtschaft erzeugt politische Forderungen. Auch werden klimatische Veränderungen zunehmend zur Herausforderung für die Landwirtschaft. Biostimulanzien können deshalb ein wichtiger Beitrag zum integrierten Pflanzenbau der Zukunft sein.»
Noch als Düngemittel kategorisiert
In der EU werden Biostimulanzien zukünftig einer eigenständigen Produktgruppe zugeordnet, führt Sven Hartmann aus. In der Schweiz werden sie noch als Düngemittel betrachtet und als solche zugelassen. Im Rahmen der Totalrevision der Düngemittelgesetzgebung wird gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft jedoch eine Kategorie definiert, die den Namen «Pflanzenbiostimulanzien» tragen wird. Die neue Verordnung werde voraussichtlich im Januar 2024 in Kraft treten.
60 kg N pro Hektar reduzieren
Alexander Schmithausen vom international tätigen Saatgut- und Agrarchemieunternehmen Corteva stellte das firmeneigene Produkt Utrisha N vor. «Es fixiert bis zu 25 Prozent des Stickstoffbedarfs der Pflanzen aus der Luft, das können je nach Kultur und Anwendungsbedingungen 30 bis 60 kg Stickstoff pro Hektare sein», sagt er. Utrisha N enthält Methylobacterium symbioticum und wird auf das Blatt appliziert. Die Bakterien besiedeln schnell die Pflanze und dringen in die Stomata ein, wo sie nach zirka sieben Tagen den ersten Stickstoff in Ammonium umwandeln und an die Pflanze abgegeben, erklärt Schmithausen. Da die Bakterien mit der Pflanze mitwüchsen, müsse das Produkt nur einmalig appliziert werden.
Einsatz in Grenzregionen
Ustrisha N könne somit ergänzend zur Düngestrategie eingesetzt werden. Vor allem in Regionen, wo die Applikationsgrenze von Stickstoff erreicht wurde, bei Trockenheit und damit schlechter Aufnahme von Bodenstickstoff, entlang von Gewässern, wo es Einschränkungen beim Düngen gibt, und in Biobetrieben. In Versuchen mit Winterweizen konnte die Stickstoffmenge sogar um durchschnittlich 60 kg/ha reduziert werden, führt Schmithausen aus. Die Erträge seien dabei stabil geblieben. Ein Einsatz sei in allen Kulturen möglich. Empfehlungen existieren bislang für Mais, Raps, Kartoffeln und Getreide.
Ein Erfahrungsbericht
Der deutsche Landwirt Florian Uherek aus Gröbitz, Sachen-Anhalt, hat das Produkt in diesem Jahr in Sommergerste und Mais angewendet. Er bewirtschaftet 300 Hektaren mit verschiedenen Ackerkulturen. Herausfordernd sind für ihn vor allem Trockenheit und Winderosion. «Mit Biostimulanzien konnte ich 30 kg N/ha einsparen, um den gleichen Ertrag zu erhalten», so der Landwirt.
Die Akzeptanz für Biostimulanzien sei bei den Berufskollegen noch nicht so stark vorhanden, da die Wirkung auf den ersten Blick nicht greifbar sei wie z. B. bei den Fungiziden, sagt er. Das Thema sei aber aktuell und werde Anklang finden.
In Deutschland und Österreich ist Utrisha N bereits erhältlich. In der Schweiz soll der Vertrieb laut Corteva im nächsten bzw. übernächsten Jahr beginnen.