Auf eine Kultur ausgebrachte Pflanzenschutzmittel (PSM) beschränken sich nicht auf die behandelte Parzelle, sondern finden sich auch auf angrenzenden (Bio-)Flächen. So lautet das Fazit einer Studie von Greenpeace. Das Problem ist eigentlich bekannt, diese neuen Untersuchungen betonen aber das grosse Ausmass und auch, dass die in der Schweiz geltenden Vorschriften zur Vermeidung von Abdrift nicht ausreichend sind, wie Greenpeace in einer Mitteilung schreibt.

Die Ergebnisse passen zu Studien aus Deutschland, die zu ähnlichen Resultaten kamen. Eine Forschungsarbeit der Uni Neuenburg zeigte ausserdem eine Belastung mit Neonicotioden auf den Äckern von Schweizer Biobauern im Mittelland, die durch Verfrachtungen erklärt wird.

Auch nicht-flüchtige Stoffe werden weit transportiert

Es gibt Weisungen des Bundesamts für Landwirtschaft BLW, die Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln reduzieren sollen und auch Vorschriften gegen Abdrift enthalten. So ist es beispielsweise verboten, bei starkem Wind zu spritzen oder es wird eine Maximalhöhe von 50 cm über der Kultur für das Führen des Spritzbalkens vorgeschrieben. Weiter müssen Pufferzonen eingehalten werden, z. B. zu Gewässern, Wohnflächen oder blühenden Parzellen. Die Vorschriften sind aber spezifisch für verschiedene PSM, je nach dem, ob von einem Gefahren- bzw. Abdriftpotenzial ausgegangen wird. 

Die Greenpeace-Studie zeigt jedoch, das auch Stoffe, die kaum flüchtig sind, mit dem Wind verbreitet werden können. Beispielsweise Glyphosat könne sich an Staubpartikel anheften und so verweht werden, schreibt die Umweltorganisation. 

Wie Sie das Abdriften von Pflanzenschutzmitteln verhindern können, lesen Sie hier. 

Gefahr für Gesundheit und Bio-Landwirte

Abgedriftete PSM kontaminieren Ökosysteme, landwirtschaftliche Kulturen und Bio-Produkte, so Greenpeace. So können Produkte von biologisch bewirtschafteten Flächen z. T. wegen zu hoher Belastung nich mehr mit Label verkauft werden. Das trifft auf einen Walliser Winzer zu, in dessen Rebbergen eine der Messstationen stand und wird von der Medienstelle von Bio Suisse in der Mitteilung von Greenpeace bestätigt. Das könne dramatische finanzielle Folgen haben, wird Bio Suisse zitiert. Der Verband sei allerdings nicht an der Untersuchung beteiligt gewesen, wird klargestellt.

Raus aus dem «agrarpolitischen Lockdown»

Greenpeace fordert von Bund und Parlament in dieser Sache ein Massnahmenpaket. Die Politik müsse endlich aus ihrem «agrarpolitischen Lockdown» erwachen und aktiv werden: 

  • Vorantreiben der Ökologisierung der Landwirtschaft, wie sie im Rahmen der Agrarpolitik 2022+ diskutiert wird – trotz dem Widerstand der «Agararlobby»
  • Helikopter zur Ausbringung von PSM verbieten
  • Den Drohnen-Einsatz für den Pflanzenschutz stärker reglementieren
  • Sicherstellen, dass der Biolandbau vor PSM-Drift geschützt wird
  • Unabhängige Studien zum Zusammenhang diverser Erkrankungen (Parkinson, ALS und NH-Lymphome) mit PSM durchführen lassen
  • Permanentes, landesweites digitales Monitoring der der Verwendung und Luftverbreitung von PSM

Wer Bio kaufe, unterstütze den dringend nötigen Wandel des Ernährungssystems, richtet Greenpeace einen Appell an die Konsumenten. 

Widerspruch vom Helikopter-Verband

Die Association romande pour le traitement des terres agricoles par voie aérienne (ARTTAVA) bezeichnet in einer Stellungnahme die Analysen von Greenpeace als falsch. Im Wallis habe die Studie das Vorhandensein von 15 verschiedenen Wirkstoffen in der Luft festgestellt: 3 Insektizide, 1 Akarizid, 3 Herbizide, 8 Fungizide. Erstens habe es nie eine Anwendung von Insektiziden, Akariziden oder Herbiziden per Hubschrauber gegeben. Nur die Anwendung von Fungiziden sei erlaubt. Zweitens seien von den 8 gefundenen Fungiziden nur 3 entweder per Hubschrauber oder Drohne in der Nähe der Messstelle ausgebracht. Das bedeute, dass 12 von 15 Pflanzenschutzmitteln nicht für die Ausbringung aus der Luft geeignet seien. Zudem könnten die 3 Fungizide auch vom Boden aus ausgebracht worden sein. Ein Rückschluss auf eine Quelle aus der Luft sei deshalb unzulässig.

Helikopter seien streng reguliert

ARTTAVA bedauert, dass Greenpeace die Studie veröffentlicht hat, ohne sie vorher mit den Fachleuten für Heli-Behandlungen zu diskutieren. Der Helikopter sei das am stärksten regulierte und kontrollierte Behandlungsgerät in der Schweiz. Versuche, die 2019 vom Kanton Wallis mit Agroscope im Auftrag des BAFU durchgeführt wurden, zeigten, dass eine Anwendung mit dem Helikopter weniger Abdrift verursachten als eine Behandlung am Boden. (lid)

 

Über sechs Monate an vier Standorten gemessen

Für ihre Untersuchung installierte Greenpeace an vier Standorten auf Bio-Betrieben in der Schweiz Passivsammler, die während sechs Monaten (Mai bis November 2019) Pflanzenschutzmittel (PSM) in der Luft sammelten. Pro Standort wurden 213 Wirkstoffe und Metaboliten analysiert. 

Die Standorte repräsentieren verschiedene Anbaugebiete:

  • Standort A (Wallis): Wein- und Obstbau
  • Standort B (Nordwestschweiz): Ackerbau
  • Standort C (Mittelland): Ackerbau
  • Standort D (Ostschweiz): Obstbau

Standort A war am stärksten belastet, B am wenigsten. Insgesamt wurden 25 Wirkstoffe und Metaboliten nachgewiesen (bestimmt werden konnten Mengen ab 20 Nanogramm), die häufigsten: 

  • Die Fungizide Folpet, Captan, Chlorothalonil (heute verboten) und Cyprodinil
  • Die Herbizide Terbuthylazin, Metola- chlor und Pendimethalin 
  • Das Insektizid Chlorpyrifos (heute verboten)

Die vollständige Studie von Greenpeace finden Sie hier.

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Summarische Pestizidbelastung (Sommer und Herbst zusammen) der vier Standorte. Folpet wurde hier weggelassen, da die Messstelle am Standort A von einer Drohne wahrscheinlich damit besprüht worden ist und daher eine vergleichsweise sehr hohe Menge dieses Fungizids gemessen wurde. (Grafik Greenpeace)

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Sowohl die Anzahl auch als die Wirkstoffklasse der nachgewiesenen PSM unterscheiden sich je nach Standort. (Grafik Greenpeace)