Die süssesten Äpfel hängen hoch – dieses Sprichwort hat im Obstbau eine doppelte Bedeutung. Wer auch die besonders sonnenverwöhnten Früchte zuoberst in den Kronen ernten will, muss in der Regel etwas Mehraufwand betreiben. Also auf eine Leiter steigen oder sonst eine Pflückhilfe einsetzen. Das gilt auch für die Obstkultur als Ganzes. Nur wer es schafft, die Bedingungen von der ersten Blüte im Frühjahr bis zum Winterschnitt nach der Ernte zu optimieren, kann Bioobst über einen längeren Zeitraum nachhaltig produzieren.

Das bedeutet Aufwand, schon nur in Bezug auf die Aktualisierung des eigenen Wissens. So, wie sich die Schädlingspopulationen und Pflanzenkrankheiten ständig wandeln, müssen sich auch die Obstbäuerinnen und –bauern permanent weiterbilden. Eine gute Gelegenheit dafür war die Bioobstbautagung 2023, die am 24. Januar am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick stattfand, geleitet von Thierry Suard, Berater für Obst- und Beerenanbau.

Untergrund spielt eine massgebende Rolle

Weil ohne gesunde Böden keine nachhaltige Produktion möglich ist, spielt der Untergrund der Obstkulturen eine massgebende Rolle. Die Tagung ging den Fragen nach, wie die mikroorganischen Nahrungsketten im Boden funktionieren und welche Interaktionen sich mit den Wurzeln ergeben. «Wie kann ich als Obstproduzent meinen Boden nachhaltig verbessern, damit die Bäume optimal versorgt werden», fragte Thierry Suard in die Runde mit den zirka 90 Teilnehmenden aus Produktion, Forschung und Fachverbänden.

Antworten darauf kamen unter anderem von Franco Weibel, der die Obstfachstelle im basellandschaftlichen Ebenrain leitet. In seinem Referat verglich er den Boden mit einem Hochhaus. Anschaulich stellte er dar, wie viel Potenzial verloren geht, wenn nur das Dach und das oberste Stockwerk Wasser, Luft und Nährstoffe erhalten, die tiefer gelegenen Etagen aber bloss aus kleinen, verdichteten Zimmern bestehen, wo sich praktisch keine Wurzeln ausbreiten und sich keine Bodenlebewesen aktivieren können. 

Bodenprofil erstellen für mehr Wissen zur Bodengesundheit

Im Unterschied zum Baum, der augenfällig zeige, wie gesund er ist, brauche es für die Bodengesundheit Vorstellungskraft. Daher sollte vor jeder Neupflanzung ein Bodenprofil von mindestens 50 cm Tiefe erstellt werden. «Das Bodenleben ist ein energiegetriebener Stoffkreislauf, den wir für die Produktion nutzen können», so Franco Weibel. Schlüssig erklärte er die Kreisläufe zwischen Wurzeln, Nährstoffen, Bodenlebewesen und machte den Produzierenden Mut, auf die eigenen Beobachtungen zu vertrauen: «Die wichtigsten Diagnosepunkte im Boden kann ich als Landwirt(in) leicht selber erkennen.» Wer Mängel feststelle, solle aber nicht mit der Düngerkeule auffahren, sondern «clever an den kritischen Stellschrauben drehen». Denn: «Wunderprodukte gibt es keine», stellt er fest. 

Starker Produktivitätsverlust bei Bodenmüdigkeit

Nützliche Tipps kamen auch von Dominique Ruggli, Obstfachstellenleiter des Kantons Freiburg. Sein Referat thematisierte die Frage: «Bodenleben mit Komposttee unterhalten, ein Ansatz gegen Bodenmüdigkeit?» Versuche zeigten, dass bereits ein Rückgang der Bodenlebewesen von rund einem Drittel massive Auswirkungen habe. So würden sich die Produktivität der Pflanzen und die strukturelle Stabilität des Bodens halbieren, die Überlebensfähigkeit von Pathogenen jedoch verfünffachen. Die Mineralisierung der organischen Substanz wiederum gehe um zwei Fünftel zurück.

Alle Pflanzen, auch die Obstbäume, produzierten Wurzelausscheidungen, welche wertvolle Bakterien und Pilze anziehen und ernähren. Im Gegenzug liefern diese wiederum Nährstoffe für die Pflanzen – es entsteht «ein Nahrungsnetz», wie Dominique Ruggli sagte. Dieses Netz im Boden könne vor Pflanzenkrankheiten schützen und die Vitalität der Kulturen steigern. «Eine erhöhte Biodiversität der Bodenmikroorganismen bedeutet eine bessere Effizienz der Düngung. Diese Biodiversität muss man fördern.»

Komposttee gut für Triebwachstum

Weil in Obstplantagen die Fruchtfolge fehlt, kann es zu Bodenmüdigkeit kommen. Mit mehreren Studien wollten die Obstexperten herausfinden, ob die Ausbringung von belüftetem Komposttee mit oder ohne Zugabe eines Bioaktivators den Boden vitalisieren und Krankheiten wie Schorf reduzieren kann. Getestet wurden Apfel- und Kirschbäume. Die Behandlungen fanden von März bis Juli statt und umfassten Gaben direkt auf die Blätter wie auch in die Böden.

Die Resultate sind ermutigend, wenn auch nicht sensationell. «Die Anwendung von Komposttee bei Apfel auf Böden mit Nachbauproblemen beeinflusst das Triebwachstum positiv. Der Zusatz von einem Bioaktivator verstärkt die Wirkung», heisst es in der Synthese. Weniger eindeutig sind die Resultate bezüglich Pflanzenschutz. Wurde Komposttee auf die Blätter ausgebracht, konnte kein positiver Effekt verzeichnet werden, «weder auf Blatt noch auf Frucht».

Dieser Befund bestätigt, wie wichtig Pflanzenschutz im Obstbau ist. Schorf ist dabei nur eines von vielen Phänomenen, die Kirschessigfliege oder Marssonina sind Herausforderungen neueren Datums.

Rechtzeitig vorgehen
In Frankreich, Italien und den USA wurde ein neuer Nützling zugelassen – die Schlupfwespe Ganaspis brasiliensis soll die Kirschessigfliegenbestände auf natürliche Weise regulieren. Für die Schweiz stehe die Genehmigung noch aus, sie sei im Sommer zu erwarten, sagt Thierry Suard vom FiBL. Doch ganz zum Verschwinden bringen könne dieser Nützling den Schädling nicht. Die KEF habe sich wie Schorf etabliert, man müsse mit ihr umgehen lernen. 

Hansjakob Schärer, Leiter Gruppe Pflanzenschutz und Phytopathologie am FiBL, ermuntert, rechtzeitig und sorgfältig gegen Krankheiten und Schädlinge vorzugehen. So ist die Anlage nach Ernteabschluss vor befallenen Blättern und mumifizierten Äpfeln zu reinigen. Bereits im April können erste Krankheitssporen in der Luft sein, was dank der modernen Prognosetools rechtzeitig angekündigt werde. Die Blüten und Früchte sollten präventiv behandelt werden, bei andauerdem Regen auch kurativ. Dabei ist eine möglichst optimale Anwendungstechnik essenziell, um Wirkung zu erzielen. Auch die Sortenwahl spiele eine Rolle: «Resistente Sorten bieten einen gewissen Schutz, vor allem in der Ascosporen-Phase.»