Wenn im Garten das frostharte Gemüse ausserhalb warmer Gewächshäuser nur noch im Zeitlupentempo wächst, ist es Zeit für Wurzelgemüse. Damit holt man sich nämlich die gesammelten Nährstoffe und Vitamine des Sommers auf den Teller. Umgangssprachlich laufen unter diesen Begriff sehr unterschiedliche Sorten, die unterirdisch heranwachsen und meist erst im Herbst oder Winter reif sind. Da eine Knolle nicht schlapp werden kann wie etwa ein Salat, ist Wurzelgemüse oft gut lagerbar. Es gibt allerdings auch Sorten, die, einmal ausgegraben, schnell austrocknen. Wieder andere werden erst Monate nachdem sie fertig gewachsen sind richtig aromatisch.

Vom Gemüsebauern oder aus dem Garten

Eine so grosse Vielfalt an Gemüse für den Winter findet man selten im Supermarkt. Mehr Chancen hat man in Hofläden oder auf Märkten. Dank der Arbeit von Pro Sepcie rara zum Erhalt alter Kulturpflanzen kann man zudem viele eher unbekannte Sorten im eigenen Garten anbauen. 

Die folgende Zusammenstellung basiert auf eigenen Erfahrungen, Angaben von Pro Specie rara, dem Verband Schweizer Gemüseproduzenten VSGP und dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst sowie Fachliteratur. 

Das Gemüse mit Milch, Kork und Farbeffekt

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Schwarzwurzeln sind eigentlich weiss – jedenfalls nach dem Schälen. Allerdings nur kurzzeitig, wenn man das Gemüse nicht sofort kocht oder in Wasser mit etwas Zitronensaft legt. Der weisse, klebrige und zähe Milchsaft tritt aus den Wurzeln aus, sobald die dunkle Korkschicht (Schale) entfernt worden ist. Davon werden Hände und Schneidebrettchen bräunlich verfärbt, weshalb man entweder Handschuhe tragen oder das Gemüse direkt vor dem Schneiden abspülen sollte. Die enthaltenen Vitamine, das Inulin und Schleimstoffe machen die Wurzeln gesund, gut für Diabetiker geeignet und als Schonkost tauglich. Das leicht nussige Aroma der Schwarzwurzel ist dezent und kommt beim Dämpfen (z. B. in einem lauwarmen Salat) gut zur Geltung. Die Römer nutzten dieses Gemüse als Heilmittel gegen Schlangengift und die Pest – von wegen «Spargel der armen Leute»...

Kohlrabi gibt es auch aus dem Boden

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Beim Bodenkohlrabi ist der Name Programm: Das Gemüse sieht aus wie ein Kohlrabi, wächst aber halb unterirdisch. Man nimmt an, dass es sich dabei um eine zufällige Kreuzung von Kohlrabi und Herbstrübe (seihe weiter unten) handelt. Das Innere dieser Rübe ist meist gelb gefärbt, der Geschmack erinnert – wenig verwunderlich – an eine Mischung aus Kohlrabi und Rande, mit einer erdigen Note. Dafür verantwortlich sind Senföle in der Knolle. Bodenkohlrabi werden auch Steckrüben oder Kohlrüben genannt und sind nahe mit Raps verwandt. Man kann sie roh oder gekocht essen, z. B. in einem Eintopf oder fein geraffelt im Salat. In Notzeiten verwendete man Bodenkohlrabi früher zur Herstellung von Konfitüre. 

Die «Hammelwurzel» kehrt auf den Teller zurück

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Pastinaken wurden einst fast von Kartoffeln und Karotten verdrängt. Heute erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit und die alte Bezeichnung «Hammelwurzel», die auf ihren damaligen Hauptverwendungszweck als Viehfutter verweist, ist in Vergessenheit geraten. Es handelt sich bei Pastinaken um ein altes, einheimisches Gemüse. Es enthält ätherische Öle, die für ein süsslich-würziges Aroma sorgen. Sowohl die Wurzel als auch die Blätter der Pastinake enthalten phototoxische Stoffe, die bei manchen Menschen die Empfindlichkeit der Haut gegenüber UV-Licht erhöhen können. Man kann das darmregulierende Gemüse roh oder gekocht essen und sogar Bier daraus brauen.  

Wurzel, Knolle oder Stiel?

Zu den Wurzelgemüse gehören streng genommen Randen und Karotten, Kohlrabi und Kartoffeln aber nicht. Ersterer ist ein Stielgemüse, bei Kartoffeln und Topinambur handelt es sich laut dem Verband Schweizer Gemüseproduzenten um Knollengemüse. 

Über- und unterirdische Knollen

Botanisch gesehen ist eine Knolle ein Speicherorgan der Pflanze und kann sowohl ober- als auch unterirdisch gebildet werden. Unterirdisch dient die Knolle der vegetativen Vermehrung (Kartoffel), während sie oberirdisch (oder halb in der Erde liegend) genügend Energie für den Austrieb im nächsten Frühjahr bewahrt. Dann nämlich, in seinem zweiten Jahr, bildet beispielsweise der Knollensellerie eine Blüte. Als Rübe bezeichnet man eine Knolle, die im Wesentlichen von der Hauptwurzel gebildet wird. 

Zwiebeln für den Frühstart

Auch Zwiebeln sind Überdauerungsorgane. Zwiebelpflanzen verbrauchen die gespeicherte Energie aus dem Vorjahr und bilden jährlich eine neue Zwiebel, während die alte abstirbt. Verschiedene Frühblüher wie Bärlauch oder Tulpen nutzen den Vorteil schnell verfügbarer Energie aus ihren Zwiebeln, um vor allen anderen auszutreiben. Auf diese Weise können Sie blühen und Früchte bilden, bevor sich über ihnen das Blätterdach des Waldes schliesst oder andere Pflanzen zur Konkurrenz werden. 

Der andere Peterli, nicht «nur» zum Würzen

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Was man als Petersilienwurzel bezeichnet und als würziges Gemüse roh oder gekocht essen kann, ist nicht die Wurzel des Küchenkrauts. Zwar ist es dieselbe Pflanzenart, die Unterart der Wurzel- oder Knollenpetersilie wurde aber gezielt auf eine grosse Wurzel hin gezüchtet. Der Geschmack des Gemüses ist indes eindeutig der nach Petersilie, vielleicht sogar etwas kräftiger als beim Würzkraut. Die Wurzel bereichert daher Suppen oder Eintöpfe, macht sich aber auch roh im Salat gut. Wie Schwarzwurzeln auch erfrieren Petersilienwurzeln im Winter nicht und können daher fortlaufend frisch geerntet werden. Mit den Blättern der Pflanze kann man bis dahin würzen. 

Ein kugelrunder Klassiker aus dem Sumpf

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Zuerst war er in Mitteleuropa als Heilpflanze bekannt, heute ist Knollensellerie ein klassisches Wintergemüse und darf in kaum einer Suppe fehlen. Die Urform dieses Klassikers ist der Sumpf-Sellerie, der im Mittelmeerraum in Küstennähe wächst. Stangen- und Knollensellerie gehören zur selben Art, es handelt sich lediglich um verschiedene Zuchtformen. Beliebt sind panierte Schnitzel aus Selleriescheiben, fein geraffelt mit Apfelstückchen und Rosinen wird die Knolle zum fruchtigen Salat. Knollensellerie kann man auch als Saft geniessen, Blätter und Stiele sind genauso essbar wie bei der auf Stengel gezüchteten Variante. Bis zur Ernte im Herbst vergehen sieben Monate, in denen der Doldenblütler in sein unterirdisches Speicherorgan investiert. 

Die Wurzel, die wie eine Raupe aussieht

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Es gibt mehrer Gründe dafür, dass Stachys in der Schweiz ein eher unbekanntes Gemüse ist. Die raupenförmigen Wurzelausläufer des Knollenziests haben zwar einen nussigen, blumenkohlartigen Geschmack, sind aber äusserst empfindlich. Daher kann man sie im Gegensatz zu anderem Wurzelgemüse nicht länger als zwei Wochen lagern und die Ernte ist reine Handarbeit. In seinen Ursprungsgebieten, in Japan und China, liegen heute die grössten Anbaugebiete. Wer die Delikatesse selbst z. B. im Garten anbaut, kann seine Stachys roh oder nach dem Blanchieren in Butter gedämpft essen. Auch Panieren ist eine Zubereitungsmöglichkeit. Beim Anbau im Garten ist Vorsicht geboten, warnt Pro Specie rara, da sich der Knollenziest stark ausbreiten kann. 

Des Schweizers liebstes Gemüse

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Fast 7,5 Kilo Rüebli isst man in der Schweiz durchschnittlich pro Kopf und Jahr. Damit ist die Karotte hierzulande der unbestrittene Gemüse-Favorit. Zwar sind orange Exemplare vorherrschend, die farbigeren Sorten werden aber immer beliebter. Interessant dabei sind die Geschmacksunterschiede: Orange Karotten sind am süssesten, gelbe haben am wenigsten Süsse, weisse und violette liegen irgendwo dazwischen. Violette Rüebli können z. T. stark färbend sein. Für einen farbigen Mix sollte man sie daher separat garen und auch nicht zu unter helleres Gemüse mischen. 

Bei Bedarf Hustensirup direkt aus der Knolle

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Rettich stellt man sich meist weiss vor. Es gibt ihn aber auch in Schwarz – und erst noch rund statt länglich. So sieht der Schwarze Winterrettich aus, der lediglich drei Monate braucht, um zu wachsen. Laut Pro Specie rara kann man das Gemüse praktisch selbstständig einen Hustensaft herstellen lassen, indem man es aushöhlt, unten ein Loch sticht, auf ein Glas stellt und den Hohlraum mit zwei Esslöffeln braunem Zucker füllt. Nach ein paar Stunden hat der Zucker die schleimlösenden und antibakteriellen Stoffe aus dem Rettich gelöst und tropft als Hustensaft ins Glas. Neben dem Einsatz als Hausmittel bewährt sich die schwarze Knolle auch roh im Salat oder auf Brot, gedämpft oder in Suppen. Wie seine sommerlichen Varianten ist auch der Winterrettich scharf. 

Oben Sonnenblume, unten eine Art Kartoffel

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Beim Topinambur gilt: Ernten nach Bedarf. Denn einmal aus der Erde gegraben, vertrocknen die Knollen mit gelben, braunen oder roten Schalen schnell. Das Gemüse gehört zur selben Gattung wie Sonnenblumen und die Blüte sieht auch ähnlich aus, ist allerdings deutlich zierlicher. Vor dem Essen muss man Topinambur nicht schälen, sondern nur gründlich waschen. Geschmacklich sind sie ein Multi-Talent: roh gerieben eher nussig, schmecken sie gekocht leicht süsslich und mit etwas Zitronensaft ähnlich wie Artischocken. Da  die Hälfte der Kohlenhydrate darin als Inulin enthalten sind, macht Topinambur lange satt und ist gut für Diabetiker geeignet. Man kann den Sonnenblumen-Verwandten nicht nur als Gemüse essen, sondern auch Schnaps oder einen Kaffee-Ersatz daraus herstellen. Als Pflanze ist Topinambur mehrjährig und sehr ausbreitungsfreudig, was ihr einen Platz auf der Beobachtungsliste möglicherweise problematischer Arten von Info Flora eingebracht hat. 

Die Schwester von Schwarzwurzel und Wiesenbocksbart

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Sie sehen ähnlich aus wie Schwarzwurzeln und sind es auch in der Verwendung. Allerdings wurde die Haferwurzel von der Schwarzwurzel weitestgehend verdrängt. Ihr lateinischer Name Tragopogon porrifolius macht klar, dass es sich um einen Verwandten des Wiesenbocksbarts (Tragopogon pratenisis) handelt, der im Sommer unsere Wiesen mit seinem grossen gelben Blüten ziert. Im Gegensatz dazu blüht der Haferwurz aber im zweiten Anbaujahr dekorativ violett. Im Geschmack sind die Wurzeln süss-säuerlich und sollen Manche sogar an Austern erinnern. Neben dem unterirdischen Teil sind auch die Blütenknospen essbar – wie beim Wiesenbocksbart übrigens auch. 

Im Sommer geerntet, aber im Winter reif

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Die Kerbelrübe ist kein klassisches Wintergemüse, da es im Sommer geerntet wird, genauer gesagt Ende Juni. Allerdings entwickelt sie erst einige Monate später richtig Aroma und kann bis dahin auch im Boden gelassen werden. Es handelt sich also um ein Gemüse, das beim Lagern besser wird. Der Geschmack wird als süsslich und nussig beschrieben und komme der Kastanie am nächsten, weshalb Kerbelrüben auch als Erdkastanie bekannt sind. Weniger intuitiv ist da der Name Rüben-Kälberkopf, der vielleicht auf die Form anspielt. Die Wurzeln werden nicht besonders gross und gelten als rare Delikatessen, die man roh oder gekocht essen kann. Rübenkerbel ist ein Indigenat, also eine kultivierte Pflanze, die vor dem Jahr 1500 in der Schweiz aufgetreten ist und heute auch vereinzelt wild vorkommt. 

Bekannt als Laterne oder Alternative zum Sauerkraut

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Stoppelrübe, Weisse Rübe, Herbstrübe, Rübenkohl – alle diese Namen bezeichnen das, was den meisten als Räbelichtli bekannt sein dürfte. Das Gemüse ist mit der Mairübe verwandt, aber herber im Geschmack. Je nach Anbauart präsentiert sich die Knolle komplett weiss oder leicht violett, sie kann länglich sein oder eine runde Form haben. Die grossen weissen Herbstrüben werden wie Sauerkraut zerkleinert fermentiert, das Resultat sind Sauerrüben.  

Zum Färben, aber nicht nur in rot

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Auch wenn sie in Deutschland Rote Beete genannt wird, Randen gibt es auch in weiss, gelb oder wunderschön gebändert. Für die intensive Farbe verantwortlich ist das Glykosid Betanin, das auch zum Färben von Lebensmitteln wie Erdbeer- oder Himbeerjoghurt verwendet wird. Die enthaltene Oxalsäure hinterlässt nach dem Genuss roher Randen ein pelziges Gefühl im Mund und kann in grossen Mengen Nierensteine fördern. Ansonsten gelten Randen aber als sehr gesundheitsfördernd und sollen appettitanregend, blutbildend und anregend auf die Gallensekretion wirken. Ausserdem enthält das Gemüse Eisen. Man kann Rote Beete gekocht, roh oder eingelegt geniessen, das Aroma ist erdig und harmoniert mit Schnittlauch und Essig. 

Die süsse Rübe zum Schluss

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Die Zuckerrübe hatte nicht immer einen so hohen Zuckergehalt wie heute. Bei den ersten Kulturformen lagen die Gehalte bei 6 bis 8 Prozent und die Rüben waren wie auch deren Blätter als Gemüse bekannt. Dank erfolgreicher Züchtung steigerte sich dieser Wert bis Anfang des 20 Jahrhunderts auf 16 Prozent, heutige Sorten kommen auf 20 Prozent. Somit eignen sich moderne Zuckerrüben vor allem für die Herstellung von Zucker, man kann sie allerdings nach wie vor auch gekocht essen. Wegen der starken Süsse empfehlen sie sich aber eher als Zutat für ein Dessert. In der Landfrauenküche 2014 schaffte es eine Zuckerrübenglacé sogar in die Finalsendung. 

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