Aufgereiht stehen die jun- gen Obstbäume auf Bernhard Hän- nis Betrieb in Noflen BE. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um einen traditionellen Obstgarten, wie man ihn kennt. Hänni macht «Agroforst». Ein Anbausystem, das Obst-, Wildobst-, Nuss- oder Wert- holzbäume mit Unterkulturen wie Acker-, Gemüsekulturen oder Grünland auf derselben Fläche kombiniert. Diese Doppelnutzung ist aber keine Unbekannte in der Schweiz. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die 1940er-Jahre wurde diese Bewirtschaftungsform betrieben. Mit den radikalen Fällaktionen ab den 1950er-Jahren ging das Wissen um diese Art Landnutzung verloren. Heute erlebt Agroforst eine Renaissance.

 

Aus einer Notlage heraus

«Als ich 2009 erstmals mit Agroforst anfing, kannte ich diesen Be- griff noch gar nicht», so Bernhard Hänni. Hänni musste aus einer Notlage heraus handeln, als sein altes Gewächshaus unter der Schneelast nachgab. Es musste ein neues her. Damit dieses aber nicht optisch heraussticht, entschied sich Hänni, zusätzlich Obstbäume zu pflanzen. Aber so, dass man sie auch mit dem Gemüsebau kombinieren kann, fügt der Gemüsebau- er hinzu. «Damals gab es noch keine Hilfe wie das Pflanzdesign, daher habe ich nach vielem Hin- und Herrechnen, mein eigenes Design entworfen, das mir erlaubt, mit meinen Maschinen mein Gemüse zu pflanzen, ohne die Baumreihen zu tangieren.»

Mehraufwand in der Planung

Für Bernhard Hänni war es damals und ist es heute noch wichtig, seine Produkte in seinem Stadthofladen in Thun BE an den Mann zu bringen. Daher fiel es ihm nicht schwer, sich für den Anbau von Obst zu entscheiden. Damals mit 20 Steinobst- bäumen darunter Zwetschgen, Mirabellen und Pflaumen angefangen, hat er sein Sortiment mittlerweile um 40 Kernobstbäume auf insgesamt 14 verschiedenen Sorten erweitert. «Wir haben schon einen Mehraufwand mit dem Agroforstsystem», sagt Hänni. Vor allem am Anfang müssen die Baumreihen erst einmal angelegt werden. Da- für wurden 20 Löcher pro Baum- reihe mit einer Tiefe von 40 bis 50 cm ausgehoben, im Abstand von 6 bis 7 m zueinander. Zudem soll es nahe an den Bäumen eine regel- mässig tiefe Bearbeitung geben.

 

Bäume und Unterkulturen – welche passen?

 

BaumartUnterkulturBesonderheiten
Nussbaum

Getreide, Körnerleguminosen, Hackfrüchte, Ölsaaten, Kunst- wiese, Spezialkulturen

Später Blattaustrieb, tiefwurzelnd.

Apfel, Birne, Zwetschge

Getreide, Körnerleguminosen, Hackfrüchte, Ölsaaten, Kunst- wiese, Spezialkulturen

Mittlerer bis später Blattaustrieb. Nur auf tiefgründigen Standorten mit Acker- oder Spezialkulturen kombinieren, da flachwurzelnd.

Kirschbaum

Gemüse

Früher Blattaustrieb. Kirschen sind reif, wenn das Getreide noch steht, deshalb als Partner für Ackerkulturen weniger geeignet. Ausnahme: Vogelkirsche zur Wertholznutzung.

 

Baum und Unterkultur als Systempartner passen gut zueinander, wenn die Wachstumsressourcen Wasser, Licht und Nährstoffe zeitlich und räumlich unterschiedlich genutzt werden. Dabei sind Baumarten mit einem späten Blattaustrieb und ein Pfahl- oder Herzwurzelsystem von Vorteil.

 

 

«Die Bäume werden so zum Tieferwurzeln erzogen und konkurrieren dann nicht mit dem Gemüse um Nährstoffe und Wasser», ergänzt er. Damit der Baumschatten nicht in die Unterkultur fällt und sich negativ auf den Ertrag auswirkt, sei es ausserdem wichtig, die Baumreihen in Nord-/Südausrichtung zu pflanzen. Für die Fläche zwischen den Baumreihen hat sich der Gemüsebauer aufgrund seiner Maschinenbreite von 1,5 m entschieden, 20 Beete (à 125 cm Breite) auf einer Fläche von 34 m Breite anzulegen. «Es ist wichtig, dass die Anzahl der Beete gerade ist, denn so komme ich mit der Maschine dort wieder an, wo ich angefangen habe.» Aber das Gemüse muss auch korrekt angelegt werden: «Neben den Baumreihen pflanze ich nur Kulturen, die zu einem an- deren Zeitpunkt als das Obst geerntet werden.»

 

Regelmässige Pflege

Obstbäume müssen auch regel- mässig gepflegt und geschnitten werden. «Um einen Mäusescha- den vorzubeugen, wird um die Baumreihe gemulcht. Das lockt vermehrt Greifvögel, Füchse und Katzen an», erzählt der Gemüse- bauer. Zwischendurch wird dann ab und zu mal eine Topcat-Falle ausgelegt. Das sei vor allem im sensiblen Jungstadium der Bäu- me wichtig. Wenn die Bäume dann grösser werden und so auch das Kronendach, müsse genü- gend Abstand zur Unterkultur und den Maschinen eingehalten werden. «Ich habe deshalb nach etwa zehn Jahren je ein Gemüse- beet auf beiden Seiten aufgege- ben. Diese Flächen sind jetzt dauerbegrünt.» Mit einem Min- derertrag sei aber nicht zu rech- nen, wie Hänni sagt. «Im Gegen- teil, wir erhalten nun einen Mehrertrag mit dem Obst.»

 

Unterstützung von Agroforst

 

 

Für Hochstamm-Obstbäume sowie für Wildobstarten können Direktzahlungen für Biodiversitätsförderflächen der Qualitäts- stufe 1 und 2 bezogen werden. Für Q1 sind das je Fr. 15.- pro Baum und Jahr, für Q2 je Fr. 30.- pro Baum und Jahr. Plus Vernetzungsbeitrag von Fr. 5.- erhalten 50 Bäume 2250 Franken pro ha und Jahr. Das erfordert aber zusätzlich z. B. Nisthilfen und Zurechnungsflächen. Zu den Direktzahlungsbeiträgen Q1 und Q2 zahlen einige Kantone Pflanz-

 

 

kosten und Pflanzbeiträge für die Arbeit. Coop fördert zudem mit seinem Projekt «myclimate» Bio- Suisse- oder Miini-Region-Betriebe bei der Pflanzung von Bäumen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Der Fokus liegt dabei auf Wildobstbäumen und Bäumen, die zur heimischen Wertholzproduktion genutzt werden können. ke

Weitere Informationen:

www.myclimate.ch

 

Die Vorteile überwiegen

Die anfänglichen Kosten habe Hänni nie ausgerechnet. Ihm sei es wichtiger gewesen, welche Vorteile ihm das Agroforstsystem schlussendlich bringt. «Unser Betrieb hat Hanglage, weshalb Bodenerosion und Nährstoffauswaschung immer ein Problem waren. Die Bäume liefern nun so eine Art Barriere und zusätzlichen Windschutz», erklärt er. Zu- dem habe die Vielfalt von Vogel- und Insektenarten zugenommen, der Schädlingsdruck sei dabei zu- rückgegangen. Hänni setzt des- halb nur noch reduziert biologische Pflanzenschutzmittel ein. «In den Baumreihen behandeln wir nur den Apfelwickler mit Granuloseviren, wenn noch kein erntereifes Gemüse wächst.» Auf Bio-Dünger könne er ganz verzichten, da die 25 cm breiten Fahrstreifen im Gemüsebeet dauerhaft begrünt sind. Eine Gründüngung aus Erbsen oder aus einer Phazelia-Buchweizenmischung ersetzt die Gemüsekulturen im Winter. Weiter übe sich die Beschattung besonders im Hinblick auf den Klimawandel positiv auf die Unterkultur aus.

 

Betriebsspiegel

 

 

 

 

 

Name: Bernhard Hänni
Ort: Noflen BE
Betriebsform
nach Bio Suisse-Richtlinien
Betriebsfläche
7,5 ha, davon 1,5 ha Agroforst mit 140 Gemüsesorten und 25 Aren mit Hühnern
Viehbestand: 300 Hühner
Mitarbeiter: 14

 

 

Agroforst gut überlegen

Doch die Umsetzung eines Agro- forst-Systems soll laut Bernhard Hänni gut überlegt sein: «Bäume sind eine langjährige Investition. Das erfordert zum einen, dass man Bäume gern haben muss, aber auch einen Markt für das Endprodukt findet.» Auf Pachtland funktioniere das Anbausystem wegen der langjährigen Bindung daher nicht. 

 

Das Agroforst-Anbausystem habe Bernhard Hänni bisher nicht bereut: «Ich betrachte es nicht als Herausforderung, da ich mich tagtäglich mit Pflanzdistanzen und Anbausystemen auseinandersetze. Es bringt mir eher einen Mehrwert, indem ich mehr Arbeit und Wertschöpfung auf meinem Betrieb schaffe.» Die vielen positiven Effekte dieses Landnutzungssystems liessen sich laut Hänni nicht mit Geld aufwerten. «Agroforstsysteme sind eine Investition in die Zukunft, um für nachfolgende Generationen einen bleibenden Wert zu schaffen.»