«Wir alle haben unsere Lieblingsrassen und setzen uns für diese ein – geht es aber um die ASR, kämpfen wir mit vereinten Kräften für die Schweizer Viehzucht», bekräftigte Reto Grünenfelder, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter  (ASR) anlässlich der 25. Delegiertenversammlung der Organisation am 14. Juni im bernischen Zollikofen. Die ASR blickt dabei auf ein erfolgreiches Jahr 2021 zurück, schaut aber auch genau auf die aktuellen agrarpolitischen Entwicklungen in Bundesbern und auf die anstehende Massentierhaltungs-Initiative (MTI).

«Dieser Entscheid ist moralisch verwerflich»

Covid-19 habe der Welt zwei Jahre mit vielen Herausforderungen gebracht, sagte Reto Grünenfelder einleitend. Die aktuelle Situation scheine in Sachen Pandemie zwar eine Pause zum Atemholen mit sich zu bringen, doch wenn man in die Welt blicke, dann müsse einem der Ukraine-Krieg grosse Sorgen machen. Neben dem menschlichen Leid, das er verursache, gefährde der Konflikt die Versorgungslage der halben Welt: «Volle Getreidesilos – wenn sie nicht zerstört oder geplündert worden sind – können nicht geleert werden, die nächste Ernte steht aber bereits an. Die Folgen dieses Problems sind eine gefährdete Ernährungssicherheit und letzten Endes Hunger bei den Ärmsten», so der Ostschweizer.

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Der Blick in die Welt löse umso mehr Unverständnis für den aktuellen Kurs des Bundesrates in Sachen Agrarpolitik aus, fuhr er sogleich fort. «Der Entscheid, angesichts der weltweiten Entwicklungen 3.5 % bestes Ackerland aus der Produktion zu nehmen, ist nicht zu verantworten. Das ist moralisch verwerflich», meinte er mit Nachdruck. Deutliche Worte fand Grünenfelder auch für die Massentierhaltungs-Initiative, welche nicht bloss unnötig sei, sondern dazu noch viel Zeit, Aufwand und Geld zunichte mache. Sie zeige aber die mangelnde Wertschätzung mancher Teile der Bevölkerung für die Landwirtschaft.

Mehr Geld für die Forschung und Einigkeit gegen die Initiative

Nachdem die Delegiertenversammlung der ASR im vergangenen Jahr noch immer mit Einschränkungen stattfinden musste – eingeladen waren lediglich Ehrengäste und Presse – blickte Matthias Schelling, Direktor Swissherdbook und Verwaltungsmitglied ASR, heuer in einen gut besetzten Sitzungssaal, als er seinen Lagebericht zum vergangenen Jahr vortrug. Auch er wies auf die Erschwernisse durch die Pandemie hin und fand lobende Worte für den Einsatz, den die Branche während dieser herausfordernden Zeit zeigte. 

Im Lauf des vergangenen Jahres hat die ASR diverse Reglemente angepasst, wie Schelling ausführte. So kam es etwa zu Ergänzungen beim Reglement Leistungsprüfungen, das Rekursreglement wurde nachgeführt und das Ausstellungsreglement dahingehend angepasst, dass die Euter bei Schaukühen nicht mehr eingeölt werden dürfen. Weiter ging Schelling auf die Strategie Tierzucht 2030 ein, deren Bearbeitung bislang durch verschiedene Faktoren verzögert wurde. Im vergangenen Jahr habe die ASR ein Rechtsgutachten zuhanden des Bundesamtes für Landwirtschaft erstellt, das aufzeige, dass die Strategie weiterhin verfolgt und umgesetzt werden könne bzw. solle, sagte Schelling. «Da müssen wir dranbleiben, damit die Strategie im Rahmen der Nachfolge AP 22+ nicht untergeht», so der Thurgauer. 

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Mehr Geld will die ASR nächstes Jahr für die Forschung sprechen, diese Beiträge seien über die letzten 20 Jahre fast konstant geblieben, erläuterte Schelling. Nun habe man gemerkt, dass die Gelder für die Forschung  und Entwicklung für die stetig wachsenden Aufgaben knapp bemessen seien, weshalb man den Finanzrahmen aufstocken werde. Schliesslich kam auch Matthias Schelling auf die anstehende MTI zu sprechen und richtete mahnende Worte an die Anwesenden: «Wer glaubt, die Viehzucht sei von dieser Initiative nur am Rand betroffen, der irrt. Das langfristige Ziel der Initianten ist nichts anderes, als die Abschaffung der Nutztierhaltung. Deshalb müssen wir hier Gegensteuer geben.»

«Très heureux» mit der Jahresrechnung

Die ASR blickt in finanzieller Hinsicht auf ein gutes Jahr zurück, man sei «très heureux» mit der Jahresrechnung, sagte Michel Geinoz, Direktor Holstein Switzerland, der den Anwesenden Auskunft über das Geschäftsjahr der ASR gab. Die Organisation schliesst mit einem grossen Gewinn von rund 185'000 Franken ab, während im Budget ein Verlust von rund 17'500 Franken vorgesehen gewesen wäre. Das positive Resultat ist zum einen auf eine zu vorsichtige Budgetierung zurückzuführen, zum anderen auf Ereignisse wie Einsparungen, pandemiebedingte Absagen von Anlässen oder den Verkauf von Wertschriften. Die Organisation schliesst ihr Geschäftsjahr nach dem Übertrag des Ergebnisses mit einem Eigenkapital von rund 3.3 Mio Franken.

Adrian Weber folgt auf Ueli Bach

Unter dem Programmpunkt «Wahlen» stand ein Wechsel an: Ueli Bach tritt aus der Verwaltung der ASR zurück, auf ihn folgt Adrian Weber aus Niederried bei Kallnach. Bach war 2014 der Nachfolger von Albert Bachmann, Estavayer-le-Lac, und war seither Teil mehrerer Kommissionen der ASR. Dabei setzte er sich etwa seit 2015 in der Arbeitsgruppe Tränkerkälber und in der Marktkommission für mehr Markttransparenz und bessere Preise ein. Zudem war er die treibende Kraft hinter der 2017 eingesetzten Aufsichtskommission Ausstellungen. Bach amtet künftig als Präsident von Swissgenetics. Sein Nachfolger, Meisterlandwirt Adrian Weber, ist Vizepräsident von Swissherdbook und Präsident der Linear AG. Weber führt im Berner Seeland einen 37 ha grossen Betrieb mit rund 60 Milchkühen der Rassen RH und SF; weiter baut er Mais, Zuckerrüben und Kartoffeln an. In die Verwaltung wurde er einstimmig und mit grossem Applaus gewählt.

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Deutliche Worte zum Schluss

Als Gastredner war Martin Rufer, Direktor des SBV, nach Zollikofen gekommen. Der Solthurner wies mit Nachdruck auf die grosse Bedeutung der Märkte hin, denn «dort geht die Post ab, das ist der Schlüssel zum Erfolg für die Landwirtschaft.» Er führte aus, dass die Landwirtschaft als Gesamtsektor im vergangenen Jahr 14.4 Mia Franken erwirtschaftet habe und dass 80 Prozent dieses Geldes mit dem Verkauf von Produkten generiert werde. Somit seien «Produktionsvolumen und Preise matchentscheidend.» Der Treiber für die positiven Entwicklungen der letzten Jahre sei zu einem grossen Teil die tierische Produktion gewesen, betonte Rufer; 40 Prozent des landwirtschaftlichen Gesamtumsatzes würden auf die Milch- und Rindfleischproduktion entfallen, die zudem die begehrten Hofdünger erzeuge. Entsprechend müsse man diese Realität im Rahmen der Agrarpolitik anerkennen und die Produktion bestimmter Volumen ermöglichen. «Wir wollen nur das, was andere Branchen auch wollen, nämlich Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, unsere Marktanteile zu halten» sagte Rufer in Bezug auf die gesamte Schweizer Landwirtschaft.

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Weiter kam auch Rufer auf die Gefahren der MTI zu sprechen. «Das hätte enorme Folgen für die gesamte tierische Produktion», meinte er und wies, wie schon Matthias Schelling, darauf hin, dass es den Initiant(innen) letztlich um die Abschaffung der Nutztierhaltung in der Schweiz gehe. «Die Folge wäre eine Auslagerung ins Ausland, was wir auf keinen Fall akzeptieren können», bekräftigte er. Abschliessend wies Rufer auf die enorm gestiegenen Produzentenkosten hin und rechnete vor, dass bei einer Teuerung von fast zehn Prozent Mehrkosten von über 900 Mio. Franken entstanden seien. «Diese Beträge müssen wir uns nun von den nachgelagerten Stufen und an den Märkten holen», meinte Rufer kämpferisch. Anpassungen seien nötig, denn nach der Corona-Pandemie und im Angesicht des Ukraine-Krieges hätte sich alles geändert: «Im Vergelich zu vor ein paar Jahren leben wir heute in einer anderen Welt, wo Massnahmen der Vergangenheit nicht mehr greifen.»