Die rund 2500 Mitglieder zählende IG Anbindestall hatte im vergangenen Jahr alle Hände voll zu tun. Ihr Anliegen, die Erhaltung und Förderung des Anbindestalls, erfährt nicht wenig an (politischem) Gegenwind. An der Mitgliederversammlung in Thun wurde jedoch deutlich: In der Sache ist man sich bei der IG Anbindestall einig.

Formalia schnell abgehandelt

Nachdem die Anwesenden des 2022 verstorbenen Gründungsmitgliedes Hans Gisler mit einer Schweigeminute gedachten, ging Präsident Konrad Klötzli die Sache zielorientiert an.

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Der Berner Oberländer blickte zurück auf ein ereignisreiches Jahr, in dem die IG Anbindestall ihr Anliegen Politikerinnen und Politikern unterschiedlicher Couleur nähergebracht hatte. Der wohl wichtigste Termin war das Treffen mit Bundesrat Guy Parmelin im bernischen Schangnau, in dessen Rahmen auch eine Sitzung und Gespräche über die aktuellen agrarpolitischen Entwicklungen und vor allem über die Produktionssystembeiträge und die Modalitäten des RAUS-Programmes habe stattfinden können, berichtete Klötzli. 

IG AnbindestallBundesrat Parmelin besucht einen Anbindestall im EmmentalFreitag, 11. Februar 2022

Die Jahresplanung für 2023 sieht für die IG Anbindestall wiederum einiges an Öffentlichkeitsarbeit und Anlässen vor. Auch ein Filmprojekt sei geplant, sagte Klötzli, verriet aber noch keine Details dazu.

Sowohl der Jahresbericht 2022, vorgetragen von Vizepräsident Thomas Knutti, als auch die Jahresrechnung 22 und das Budget 23, die Kassiererin Stefanie Schwarz präsentierte, wurden von den 108 anwesenden Stimmberechtigten einstimmig gutgeheissen. Ein guter Teil der Kosten aus dem vergangenen Vereinsjahr sei der IG durch die Öffentlichkeitsarbeit entstanden. Trotzdem weist die Jahresrechnung 22 ein kleines Plus auf. Neben den Anwesenden zeigte sich auch Revisionsstelle der IG mit der Rechnungslegung zufrieden und attestierte der Schatzmeisterin gute und sorgfältige Arbeit.

Zündstoff bei den Wahlen

Zunächst mussten drei bisherige Mitglieder des Vorstandes für weitere vier Jahre wiedergewählt werden. Adelheid Graf, Stefanie Schwarz und André Kocher wurden ohne Gegenstimme gewählt.

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Weiter stellten sich zwei junge Männer als neue Vorstandsmitglieder zur Wahl. Der Basler David Trachsel ist vielen bereits bekannt, seit 2020 amtet er als Präsident der Jungen SVP Schweiz, im gleichen Jahr wurde er in den Grossen Rat Basels gewählt. Trachsel besitzt «ein paar Eringer» im Wallis, diese seien sein liebstes Hobby, liess er die Anwesenden wissen. Da die Haltung von Eringern das Anbinden bedinge, wolle er die IG künftig als Vorstandsmitglied unterstützen.

Der zweite junge Anwärter war Samuel Quartenoud aus dem waadtländischen Bex. Der Westschweizer hat seine Lehrjahre im Bernbiet und im Kanton Solothurn verbracht. Als Simmentaler Reinzüchter halte er behornte Kühe, weswegen er seine Tiere gerne auch künftig anbinden möchte. 

Für Diskussionen sorgte schliesslich der Ostschweizer Patrick Monhart. Das ehemalige Vorstandsmitglied sagte, er begrüsse es, dass der Vorstand durch neue Mitglieder aus der Westschweiz und aus Basel verstärkt werde. Gleichzeitig bemängelte er, dass die Ostschweiz im Rahmen des Vorstandes nicht mehr vertreten sei und dass dadurch ein Ungleichgewicht entstehe.

Monharts Votum zog einige Wortmeldungen aus dem Vorstand und von weiteren Mitgliedern nach sich. Am Ende wählte die Versammlung den Thurgauer Michael Schum in den Vorstand. Der 48-jährige Familienvater bewirtschaftet einen Mischbetrieb im zürcherischen Unterstammheim.

Zwei bekannte Redner

Im Anschluss an das eigentliche GV-Programm richtete der Berner Ständerat Werner Salzmann (SVP) einige Worte an die Anwesenden. Der Kern seiner Rede umfasste den Appell zu mehr Unabhängigkeit in der Schweiz. Man habe gesehen, wie rasch im Zuge der befürchteten Energiekriese Wege und Mittel gefunden worden seien, dieser zu begegnen.

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Wenn es aber um das Thema Ernährung gehe, dann sei «ds Füfi no nid ganz bis ufe Bode gheit», meinte der Politiker. Die geplanten 3.5% Biodiversitätsförderfläche auf Ackerland wies Salzmann denn auch vehement zurück. Umso energischer befürwortete er den Unterhalt von Pflichtlagern, um in Notsituationen die Versorgung sicherstellen zu können. 

Den Abschluss des Programms in der Alten Reithalle Thun bildete ein Referat von Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW. Er präsentierte den Anwesenden einen Überblick über die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik und fokussierte dabei besonders auf den Milchmarkt. Hofer betonte, dass die künftige Ernährungspolitik nicht allein auf die Landwirtinnen und Landwirte ausgerichtet sei, sondern auch die Konsumenten ins Auge fasse. Noch immer sei der Anteil an Food Waste viel zu hoch, das müsse sich dringend ändern. Der Fokus, den der Bundesrat in Sachen Ernährungssicherheit ansetze, lasse sich mit einem einfachen Satz zusammenfassen: «Ernährungssicherheit durch Nachhaltigkeit von der Produktion bis zum Konsum». 

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Weiter zeigte Hofer auf, wie es um den Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestellt ist. Die Versorgung mit tierischen Produkten sei gut und die Rindvieh-Bestände seien in den letzten Jahren stabil geblieben. Der Milchmarkt sei gesund, auch dank der verschiedenen Instrumente, die der Bund zu dessen Förderung bediene, liess Hofer wissen. 

Dennoch gebe es Herausforderungen, fasste Hofer zum Schluss seiner Ausführungen zusammen: Neben dem politischen und gesellschaftlichen Begehren nach noch mehr Nachhaltigkeit setze der Klimawandel die gesamte Branche künftig wohl immer stärker unter Druck. Im Kontext einer Netto-Null-Strategie werde es der Wiederkäuer wegen seines Methanausstosses auch künftig nicht immer leicht haben, prognostizierte der BLW-Direktor. Aber: Die Ausichten seien dennoch gut, machte er den Answesenden Mut. Mit einer standortangepassten, rauhfutterbasierten Fütterung sei die Rindviehhaltung nicht nur von der breiten Gesellschaft gewünscht, sondern auch sinnvoll.

Letztlich nannte Hofer noch das Ziel, welches das BLW ganz grundsätzlich verfolge: «Es geht darum, den Bauernfamilien auf ihren Betrieben auch in Zukunft eine Perspektive und die Möglichkeit zu geben, Produkte von bester Qualität zu erzeugen und damit ein gutes Auskommen zu haben.»