Als wir die Einladung von Swisscofel erhielten, war das Erste, das mir ins Auge stach: der Vorstand – voll von Männern. Es ist ein Bild, das in vielen Bereichen der Schweizer Landwirtschaft immer noch allzu häufig zu finden ist: graue Anzüge, keine Frauen. In vielen landwirtschaftlichen Verbänden und Organisationen ist die Führung immer noch weitgehend männlich geprägt. Der Eindruck vom «Herrenclub» bleibt Realität.

Dieser Befund ist typisch für die Branche. Der Anteil von Frauen in den Führungsetagen der Schweizer Landwirtschaft ist nach wie vor verschwindend klein. Der Anteil weiblicher Betriebsleiterinnen in der Schweiz lag im Jahr 2022 bei nur 7,1 % – ein Fortschritt im Vergleich zu früheren Jahren, aber dennoch weit entfernt von einer ausgewogenen Verteilung.

Es fehlt am Selbstvertrauen

Doch warum fällt es uns Frauen so schwer, in diese Riege einzutreten? Liegt es an den Strukturen, den geschichtlichen Rollenbildern oder einfach an mangelndem Interesse seitens der Frauen? Die Antwort ist komplex. Wissenschaftliche Studien zu Führung und Geschlecht belegen eindeutig, dass Frauen in Vorstandsetagen nicht nur unterrepräsentiert sind, sondern dass es oft auch an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein mangelt, um diese Plätze überhaupt anzustreben.

Viele Frauen in der Landwirtschaft jonglieren mit mehreren Rollen – als Betriebsleiterin, als Mutter und als Hausfrau. Sie haben schlichtweg wenig Zeit, um zusätzlich in komplexe, verantwortungsvolle Vorstandsfunktionen einzutauchen. Wenn sich dazu die Unsicherheit gesellt, ob ihre Führungskompetenz und -erfahrungen anerkannt werden, wird der Schritt in den Vorstand oft scheitern, noch bevor er überhaupt gemacht wurde. Aber wir dürfen uns nicht nur in die Opferrolle begeben.

Mireille Hirt ist eine wichtige Stimme bei den Schweizerischen Milchproduzenten

Ein bemerkenswertes Beispiel für den Weg einer Frau in eine Spitzenposition in der Schweizer Landwirtschaft ist Mireille Hirt. Sie wurde jüngst in den Vorstandsausschuss der SMP (Schweizerische Milchproduzenten) gewählt und hat sich zu einer wichtigen Stimme im Verband entwickelt. Sie ist heute Vizepräsidentin der SMP und ein Vorbild dafür, dass es auch für Frauen in der Landwirtschaft möglich ist, sich auf dem höchsten Niveau zu behaupten. Ihre Wahl in den Vorstand der SMP zeigt eindrucksvoll, dass sich die Branche weiterentwickelt, und dass es auch für Frauen in landwirtschaftlichen Organisationen zunehmend Platz gibt. Sie steht für eine neue Generation von weiblichen Führungskräften, die nicht nur mit Kompetenz, sondern auch mit Visionen und einem klaren Verständnis für die zukünftigen Herausforderungen der Landwirtschaft aufwarten können.

Die Forschung zeigt, dass Frauen oft eine andere Perspektive auf Führung und Teamarbeit einbringen, was gerade in komplexen und dynamischen Bereichen wie der Landwirtschaft von grossem Vorteil sein kann. Frauen tendieren dazu, kooperativer zu führen, und stärken den Zusammenhalt im Team. Studien belegen, dass divers zusammengesetzte Führungsteams bessere Ergebnisse erzielen – sei es in Krisenzeiten oder bei der Umsetzung langfristiger Strategien. Frauen neigen auch dazu, einen nachhaltigeren und stärker zukunftsorientierten Führungsstil zu bevorzugen, der auf Innovation und Integrität setzt.

Ermutigen und unterstützen

Doch wie können wir den schleichenden Wandel hin zu mehr weiblicher Führung in der Landwirtschaft beschleunigen? Ein erster Schritt besteht darin, dass wir Frauen nicht nur ermutigen, Verantwortung zu übernehmen, sondern ihnen auch die nötige Unterstützung bieten. Begleitprogramme, die gezielt auf die Förderung von Frauen in der Landwirtschaft ausgerichtet sind, könnten dabei helfen, Hemmschwellen zu überwinden und Perspektiven zu schaffen.

Wir müssen uns als Frauen bewusst machen, dass der Weg in einen Vorstand nicht nur über traditionelle Netzwerke führt. Es braucht einen klaren Plan, eine Vision und den Mut, sich zu zeigen. Die Entscheidung, in einem Vorstand mitzugestalten, ist eine der grössten Herausforderungen – doch sie ist auch die Chance, die Branche aktiv mitzugestalten. Wie Mireille Hirt zeigt, ist es möglich, sich durchzusetzen, selbst in einer Branche, die traditionell von Männern dominiert wird.

Der Ruf nach mehr Frauen in Führungsetagen ist also nicht nur ein Aufruf zur Gleichstellung, sondern auch zur Weiterentwicklung der gesamten Branche. Denn nur wenn wir diese Vielfalt in den Führungsgremien anerkennen und fördern, können wir den Herausforderungen der Zukunft wirklich begegnen – in der Landwirtschaft genauso wie in allen anderen Bereichen. Es muss zur Selbstverständlichkeit werden, dass Frauen in Führungspositionen vertreten sind – nicht irgendwann, sondern zeitnah. Der Begriff «Frauenquote» sollte in diesem Zusammenhang nicht als Sonderregelung verstanden werden, sondern einem neuen Selbstverständnis von Gleichberechtigung und Teilhabe weichen. Es geht nicht um Alibi-Plätze, sondern um echte Mitgestaltung auf Augenhöhe.