Die Tierwohlprogramme BTS und RAUS, die 1999 eingeführt wurden, sind gut etabliert. Während das Tierwohl mittels Produktionssystem-Beiträgen schon mehr als 20 Jahre gefördert wird, existiert bisher keine agrarpolitische Massnahme, «die eine umfassende Gesundheit der Nutztiere fördert». Mit umfassend gesund meint der Bund «frei von Krankheiten» und «Achtung von Würde und Wohlbefinden», wie der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 zu entnehmen ist.

Langfristig Antibiotika-Einsatz senken

Das soll sich bald ändern. Denn mit der Stärkung der Tiergesundheit würde eine langfristige Reduktion des Antibiotikaeinsatzes und damit eine Reduktion der Resistenzlage zugunsten der Bevölkerung sowie der Umwelt einhergehen, ist man beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) überzeugt.

Gut unterwegs

Grundsätzlich kann der Landwirtschaft in Bezug auf den Antibiotikaverbrauch ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Während in der Humanmedizin der Antibiotikaverbrauch gegenüber den Vorjahren ungefähr gleich bleibt, sinkt dieser in der Veterinärmedizin kontinuierlich. «In den letzten zehn Jahren hat die Gesamtvertriebsmenge von Antibiotika stetig abgenommen. Das weist auf eine hohe Sensibilisierung für den sachgemässen Einsatz von Antibiotika bei Tierärzten und Tierärztinnen und bei Landwirten und Landwirtinnen hin», heisst es beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Es zeige sich, dass die umgesetzten Massnahmen greifen. «Das betrifft zum Beispiel das Verbot einer Abgabe auf Vorrat von kritischen Antibiotikaklassen oder von Antibiotika für den prophylaktischen Einsatz. Auch die Publikation des Therapieleitfadens Rinder und Schweine bei den Tierärzten zeigt Wirkung. Generell scheinen Antibiotika sachgemässer eingesetzt zu werden», attestiert das BLV.

Noch keine Zahlen vorhanden

Bei welcher Nutztier-Kategorie der höchste Rückgang zu verzeichnen ist, sei noch nicht beantwortbar. «Diese Zahlen liegen zurzeit nicht vor. Die Antibiotikaverschreibungen für Tiere werden seit 2019 im Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin erfasst. Die Daten werden derzeit validiert und im Laufe des Jahres in einem Bericht veröffentlicht», erklärt Doris Schneeberger, amtliche Tierärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Kommunikation bei der Medienstelle des BLV.

Neues Anreizprogramm

Gut, aber dennoch verbesserungswürdig, könnte das Fazit aus der Wahrnehmung der beiden Bundesämter demnach zusammengefasst werden. Als Ergänzung zu den Massnahmen für das Tierwohl soll daher im Rahmen der AP 22+ neu ein zweistufiges Anreizprogramm «Tiergesundheit» eingeführt werden. Ob dieses auch bei einer endgültigen Sistierung der AP 22+ kommt, ist aktuell noch offen, wie das BLW erklärt. Die zunehmende Sensibilität der Bevölkerung, wie auch der stetig steigende Druck aus politischen Kreisen dürften das Vorhaben aber sicher vorantreiben.

Beitragshöhe nicht definiert

Das Anreizprogramm soll, so wie es derzeit aufgegleist ist, auf das Tierverhalten, die Haltungsbedingungen, die Fütterung, die Vermeidung von Stresssituationen, die medizinisch messbare Gesundheit und einen ange-messenen Einsatz von Tierarzneimitteln einwirken. Einerseits habe das Programm eine ­massnahmenorientierte Komponente für Landwirte, welche Unterstützung bei der Gesundheitsförderung in Anspruch nehmen wollen (Bsp. Bestandestierarzt).

Projekt ist im Aufbau

Andererseits hat es eine ergebnisorientierte Komponente, die den effektiven Tiergesundheitsstatus in den einzelnen Betrieben aufzeigt und bei besonders guten Leistungen honoriert. Diese Komponenten seien unabhängig voneinander. Was «besonders gute Leistungen» sind und in welcher Höhe diese honoriert werden sollen, ist noch nicht festgelegt. «Die Tiergesundheit wird aufgrund von objektiven Tiergesundheitsindikatoren erhoben. Ein Projekt zur Identifizierung dieser Indikatoren ist aktuell am Laufen. Eine Beitragshöhe ist noch nicht festgelegt», heisst es beim BLW. Das Modul Tiergesundheit ist Teil des Produktionssystems Nutztierhaltung. Um bei diesem Modul teilnehmen zu können, muss nach dessen Einführung eine Anmeldung über die Direktzahlungen erfolgen.