Abzuschätzen, was gerade bei Hero in Lenzburg AG vor sich geht und vor allem die Folgen davon, gleicht einer Detektivarbeit. Denn die Firma beantwortet keinerlei Fragen – um das Konsultationsverfahren nicht zu gefährden, wie es heisst. Allerdings hüllt sich Hero nicht nur bezüglich der weiteren Schritte oder Gründe für die scheinbare Schieflage in Schweigen, sondern auch zu den bisher in Lenzburg verarbeiteten Mengen Inlandware.

Schliessung ist wahrscheinlich

Im März sah eigentlich noch alles rosig aus: «Hero wächst auf breiter Front» titelte Foodaktuell im Frühling 2023. Die Hero-Gruppe konnte im vergangenen Jahr ihren Umsatz deutlich steigern, die Kunden seien den Produkten trotz Preissteigerungen treu geblieben. Nun hat das Unternehmen aber vor wenigen Tagen über den Start einer Konsultation zur Zukunft der Produktion in Lenzburg informiert. Höchstwahrscheinlich steht also die Schliessung des Werks im Kanton Aargau bevor.

Nur noch Konfitüre in Lenzburg

Die Produktion in Lenzburg, wo die Firma Hero vor 137 Jahren gegründet worden ist, hat über die Jahre bereits stark an Bedeutung verloren. Wie die Aargauer Zeitung schreibt, wurden dort einst Früchte und Gemüse aus der Region verarbeitet und in Dosen konserviert. Laut Medienberichten beschränkt sich die Produktion am Gründungsstandort heute allerdings auf Konfitüren. Nach Angaben auf der Website von Hero hat der Lebensmittelkonzern insgesamt rund 4000 Mitarbeitende auf fünf Kontinenten.

Von einer möglichen Schliessung sind gemäss Mitteilung der Firma 55 der 200 Stellen in Lenzburg betroffen.

Geschätzter Partner für Obstproduzenten

Den Produktangaben zufolge werden heute die kleinen Delicia-Konfitüre-Portionen in der Schweiz hergestellt. Unter der Marke «Hero Origine» vermarktet das international tätige Unternehmen Schweizer Produkte an die Gastronomie, darunter Konfitüre-Portionen aus inländischen Früchten. Da als Produktionsland die Schweiz angegeben ist, fand die Herstellung wohl bisher in Lenzburg statt.

«Hero ist ein langjähriger und geschätzter Partner und Verarbeiter von Schweizer Produkten», bestätigt Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbands (SOV) auf Anfrage der BauernZeitung.

Weniger Industriekirschen übernommen

Soweit es dem SOV-Direktor bekannt ist, hat Hero allerdings im Bereich Industriefrüchte vor allem bei den Kirschen in den letzten Jahren immer weniger Schweizer Früchte übernommen. «Dazu ist zu sagen, dass die Schweizer Produktionsmenge für die Industrie in den letzten Jahren bescheiden war», bemerkt Jimmy Mariéthoz. Als Gründe nennt er klimatische Faktoren wie Frost, Hitze und Hagel sowie den fehlenden Schutz der Kulturen gegen Kirschessigfliege und Zwetschgenwickler. Für die betroffenen Produzenten werde es zwar eine neue Herausforderung, wenn Hero als Abnehmer wegfällt. «Aber die Kommunikation kommt genügend früh, damit sie sich für die Vermarktung 2024 mit anderen Verarbeitungsbetrieben organisieren können», so Mariéthoz.

Der Name bleibt in Lenzburg

Vollständig verschwinden wird Hero nicht aus Lenzburg. Denn auch wenn dort nicht mehr produziert wird, so bleibt der globale Hauptsitz sowie die Hero-Schweiz-Organisation in der aargauischen Stadt erhalten. Und Hero selbst spricht in der Mitteilung lediglich von einer «möglichen Schliessung» des Produktionsstandorts, da während der Konsultationsphase die bestmögliche Entscheidung für das Werk getroffen werden soll. Wann diese vorliegt, darüber schweigt sich Hero – wie über alles andere auch – aus.

 

Was ist mit Rösti, Erbsli und Ravioli?

Im Schweizer Detailhandel sind diverse Hero-Produkte zu finden, die der Etikette zufolge Schweizer Zutaten enthalten. So z. B. Rösti mit Schweizer Kartoffeln, Suisse-Garantie-Dosenerbsen oder Ravioli mit Rind- und Schweinefleisch aus dem Inland. Die Produktion findet aber im Ausland statt: Als Produktionsland ist jeweils Liechtenstein angegeben. Die bei Coop erhältliche Delicia-Konfitüre im Glas wurde zwar in der Schweiz hergestellt, aber laut Etikette nicht aus einheimischen Früchten.