Es ist Erntezeit und beinahe täglich gibt es Meldungen von kilo- oder tonnenweiser Ware, die wegen kleiner Mängel keinen Abnehmer mehr findet. Werden diese Geschichten publik, funktioniert eine Rettungsaktion via Direktvermarktung oft gut. Auf die Dauer kann das aber keine Lösung sein und der Bundesrat will das Problem Food Waste breit angehen.

Freiwillige Massnahmen mit klarer Vorgabe

Aus diesem Grund wurde im April 2022 ein nationaler Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung verabschiedet, der sich an die Branche, aber auch an die Behörden wendet. Die darin vorgeschlagenen Massnahmen sollen freiwillig ergriffen werden, der Bundesrat setzt aber das allgemeine Reduktionziel von 50 Prozent bis 2030 und plant eine Standortbestimmung 2025. Bis dahin müssten die Verluste bereits um etwa einen Viertel gesenkt worden sein – ansonsten behält sich der Bundesrat vor, «weiterführende Massnahmen zu treffen und Vorgaben zu machen». Das Ganze bleibt also freiwillig und eigenverantwortlich, solange die Resultate stimmen. Man befasst sich bereits mit der Umsetzung des Aktionsplans, wie eine Nachfrage beim Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) und dem Schweizer Obstverband (SOV) zeigt.

Branchenlösung beim Gemüse als Ziel

Der VSGP sieht in der Reduktion von Food Waste eine Chance, die Produktion von Gemüse ressourceneffizienter und somit auch wirtschaftlicher zu machen. «Wir streben eine nachhaltige Branchenlösung an», sagt der stellvertretende Direktor Markus Waber. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit über die ganze Wertschöpfung müsse optimiert und flexibler werden, da Gemüse von Natur aus sehr kurz haltbar und der Anbau witterungsabhängig ist.

Die gesamte Ökobilanz im Blick behalten

Markus Waber gibt zu bedenken, dass es Zielkonflikte zu identifizieren und Lösungsansätze zu harmonisieren gelte. Dies, damit eingesparte Kilos Food Waste nicht am Ende die Gesamtökobilanz verschlechtern. Würden beispielsweise viel mehr krumme Karotten den Weg in den Laden finden, aber nicht gekauft werden, würde das die Gesamtökobilanz verschlechtern, weil der Aufwand für Lagerung, Aufbereitung und Transport trotzdem angefallen wäre. «Dann ist es aus ökologischer Sicht sinnvoller, diese Ware früher aus der Wertschöpfungskette rauszunehmen und beispielsweise als Tierfutter zu verwenden.»

Der Bundesrat hat vorgeschlagen, an den geltenden Handelsusanzen zu schrauben, etwa was Vertragsklauseln über Lieferfristen und -mengen angeht. Ausserdem sollten mehr Produkte zweiter Klasse oder in nicht normgemässer Grösse in den Detailhandel kommen. «Aktuell läuft die Überprüfung der Branchen-Qualitätsnormen», gibt Markus Waber Auskunft. Die Ergebnisse werde man zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben. Weiter sei der VSGP aktiv beteiligt an vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) initiierten branchenübergreifenden Arbeitsgruppen und Workshops.

Qualität und Preisniveau halten

Auch beim SOV sind für das kommende Jahr Überprüfungen der Normen und Vorschriften für sämtliche Früchte geplant. Zudem will man sich gemäss Mediensprecherin Beatrice Rüttimann mit den Vermarktungskonzepten befassen und mögliche Anpassungen vornehmen. «Eine Lockerung der Normen darf aber weder der Qualität schaden, noch eine generelle Senkung des Preisniveaus zur Folge haben», betont Rüttimann.

Im Übrigen sei der SOV um die Sensibilisierung für einen bewussten Konsum bemüht. Man arbeite mit Organisationen zusammen, die Kindern und Jugendlichen das Thema Food Waste näherbringen.

Ausweg Direktvermarktung bleibt

Nicht nur optisch fehlerhaftes Erntegut, auch Überschüsse und Nebenprodukte will der Bundesrat vermehrt auf den Tellern sehen. Als Lösungsansätze nennt der Aktionsplan die vermehrte Direkt- bzw. regionale Vermarktung, eine bessere Vernetzung der Landwirtschaft mit der Gastronomie und gezielte Aktionen im Detailhandel. Was übrig bleibt, könne zu Suppen, Konfitüren, Säften oder Ähnlichem verarbeitet werden. Immerhin: Je besser die breite Bevölkerung über Food Waste Bescheid weiss, desto besser dürfte sich z. B. Suppe aus angeschlagenen Kürbissen verkaufen.

Gemischte Bereitschaft im Detailhandel
Zu den Vorschlägen des Bundesrats gegen Food Waste zählt auch ein Verzicht auf Mengenrabatte bzw. «2 für 1»-Angebote für verderbliche Ware im Detailhandel. Eine Recherche der «Sonntagszeitung» zeigt, dass nicht alle Akteure in dieser Sache einer Meinung sind: Während die Migros bereits bei vielen Produkten die gleichen Rabatte für kleinere Verpackungen eingeführt habe, wolle Coop das Ganze erst in der Branche besprechen. Denner will laut dem Bericht an Rabatten für Grosspackungen festhalten, aber Alternativen mit weniger Inhalt bieten. Die beiden Discounter Aldi und Lidl schätzen ihre Kundschaft so ein, dass grosse Packungen von Frischeprodukten nicht besonders gefragt sind. Man verzichte in der Regel darauf bzw. mache solche Angebote nur bei wenigen, besonders beliebten Produkten, zitiert die «Sonntagszeitung» einen Lidl-Sprecher.