Herr Riedener: Das Auslandgeschäft ist im Halbjahresergebnis 2022 zum wiederholten Mal der Umsatzretter, gibt es ein Problem im Inland?

Urs Riedener: Wir haben in der Schweiz eine sehr konstante Entwicklung, das muss man mit einem längeren Zeithorizont anschauen. Im 2020 haben wir in der Schweiz sehr stark profitiert von den geschlossenen Grenzen und der Bevorratung der Haushalte, 2021 relativierte sich das Ganze und wir hatten in der Schweiz eine Normalisierung der Verkaufszahlen. 2022 sind wir jetzt wieder leicht positiv. Wenn man das glättet und längerfristig betrachtet, wachsen wir in der Schweiz leicht.  

In der Schweiz haben Sie bei Molkereiprodukten, Käse und Frischkäse Umsatz eingebüsst, gibt Ihnen das zu denken?

Nein, denn das ist hauptsächlich der Rückkehreffekt zu Konsummuster und in diesen Segmenten zu Vorpandemievolumen. Marktzahlen zeigen, dass die Detailhandels-Umsätze ohne Discount im ersten halben Jahr rund 7 Prozent tiefer sind als in der Vergleichsperiode 2021, aber die Zahlen liegen immer noch über 2019, und zwar recht deutlich. Dass der Käse in allen Ländern zurückgeht, ist auf die Normalisierung der Käseverkäufe nach der Pandemie zurückzuführen:  Käse ist auch eine Zutat, deren Absatz steigt, wenn mehr zuhause gekocht wird. Im Gegenzug erholt sich die Gastronomie und die Schokoladeindustrie ebenfalls, das balanciert sich recht gut aus. Das ist ein Vorteil unserer breiten Aufstellung in der Schweiz.

Der Käseexport ist insgesamt rückläufig, bereitet Ihnen das Sorgen?

Ja, insbesondere angesichts der Ausfuhren in die umliegenden Länder. Hier spielt einerseits der abgeschwächte Corona-Effekt mit. Andererseits haben wir mit Preiserhöhungen zum Teil Preispunkte überschritten, wo der Konsument ausweicht auf andere Produkte, die nicht mehr unbedingt schweizerisch sind. In Deutschland haben die Käsetheken zuletzt einen Rückgang von 15 Prozent Umsatz erlitten, und die Schweizer Käse werden primär an der Theke verkauft.   

Man spürt hier einen leichten Vorwurf, an wen richtet sich der?

Der Preis wird gemacht, wie er gemacht wird und in der Folge entsteht ein Volumeneffekt. Wir sehen die Notwendigkeit höherer Milchpreise, aber die Folgen sind im Zusammenspiel mit dem starken Franken tiefere Volumen.

Sie operieren derzeit mit Preiserhöhungen, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren, droht da nicht eine Schmerzgrenze überschritten zu werden bei den Konsumenten?

Wir haben dieses Jahr als Gruppe auf der ganzen Breite deutlich höhere Kosten, unsere Kostenbasis 2022 hat sich gegenüber dem Vorjahr um 250 Mio. Fr. erhöht. Diese grossen Verwerfungen können wir nebst eigenen Prozess- und Kostenoptimierungen nur über Preiserhöhungen kompensieren, allerdings wirken diese zeitlich verzögert und dämpfen das Volumenwachstum von rund 0,5 %.  Es zeigt sich, dass der Detailhandel durchaus sehr hart verhandelt, wenn es um Preiserhöhungen geht.

Wie setzen sich die 250 Mio. Fr. zusammen?

Das sind höhere Beschaffungskosten für fast alle Rohstoffe wie Mascarpone oder Früchte. Auch werden wir im nächsten Jahr alleine in der Schweiz einen mehrstelligen Millionenbetrag bezahlen müssen für höhere Energiekosten, dann hat auch das Verpackungsmaterial stark zugelegt. Alles, was man berührt, ist teurer als vor einem Jahr. Aber das ist ja für alle gleich.

Müsste der Detailhandel abspecken in Sachen Margen?

Das ist falsche Diskussion. Die Frage ist, wie haben alle etwas von der Wertschöpfung und wie erreichen wir es, dass die Schweizer Produkte am Schluss des Tages attraktiv sind und sich durchsetzen können gegen die ausländischen Produkte? Ich halte nichts davon, der nachgelagerten Stufe vorzuwerfen, wieviel sie verdient. Unsere Kunden machen das Geschäft mit viel Einsatz und Herzblut. Wenn unsere Produkte auch Marge bringen, dann bleiben sie im Regal.

Das bäuerliche Umfeld ist ja immer das letzte, welches die Hunde beissen, sie können ja Ihre Kostensteigerungen meist nicht weiterverrechnen.

Bei dieser reflexartigen Reaktion geht ein wenig vergessen, dass die Branche in den letzten Jahren durchaus gut gearbeitet hat – auch zugunsten der Produzenten. Der Milchpreis ist gestiegen und das freut mich, aber das «Wir gegen die anderen» sollte weniger stark gespielt werden. Am Schluss sind wir alle aufeinander angewiesen. Wir als Emmi sind auf die Produzenten und auf die nachgelagerte Stufe, den Detailhandel, angewiesen und gehen entsprechend auch mit diesen partnerschaftlich um.

Welche Idee haben Sie denn, um die Wertschöpfung besser zu verteilen?

Es ist nicht an mir, das zu sagen. Dass wir im Moment auch etwas zu kurz kommen, sieht man am Resultat, das geht dem Detailhandel und den Produzenten vermutlich auch so. Aber die Kostenkrise hat auch positive Effekte, so hat die Schweizer Milchwirtschaft mit ihrem hohen Eigenversorgungsgrad beim Futter Vorteile gegenüber hochindustriellen Betrieben im Ausland. Jetzt stehen die Schweizer Betriebe mit viel eigenem Futter besser da.

Nächste Woche diskutiert der Vorstand der BOM über eine weitere Erhöhung des Richtpreises für A-Milch, was ist Ihre Haltung dazu?

Das wird die BOM entscheiden und sie werden einen weisen Entscheid treffen. Wie immer werden wir diesen mittragen.

Aber Sie sind ja auch Teil der BOM, was wird Ihr Vorstandsvertreter dort einbringen?

Die Idee der BOM ist, dass die Diskussion in der BOM stattfindet und nicht vorher.  

Trotz erhöhtem Milchpreis, wird nicht mehr produziert, macht Ihnen das nicht ein bisschen Bauchweh?

Wir haben immer unterschiedliche Einflussfaktoren, Themen wie Futterqualität spielen eine grosse Rolle. Es ist gut, dass auf Seiten der Produzenten optimiert wird, das tun wir auch. Würde ich daraus auf eine Milchknappheit schliessen? Das ist wieder eine andere Diskussion. Ich kann nur für uns reden. Wir haben genug Milch, da wir faire Preise zahlen. 

Fortschritte im Bereich nachhaltige Milch: Wo konnten diese erzielt werden?

Nachhaltigkeit ist nicht nur Milch, das findet in der ganzen Wertschöpfungskette statt. So haben wir viel investiert in Energieprojekte und gleichzeitig schauen wir gut zu unseren Leuten. Mit dem Projekt «Klimastar» konnten wir einen wesentlichen Meilenstein setzen. Damit erhalten wir wissenschaftlich fundierte Zahlen, so dass die Landwirtschaft ihren Beitrag zum Thema Klimaschutz ausweiten kann. Was ich supertoll finde, ist, dass vielmehr Produzenten mitmachen wollten, als es Plätze für Pilotbetriebe gab.

Die Beteiligung an Ihrem Programm «Klimastar Milch» ist mit 250 noch sehr gering, woran liegt das?

Wir sind stolz auf diese Zahl. Bei diesem wissenschaftlichen Pilotprojekt geht es uns nicht darum, alle Milchproduzenten im Boot zu haben, sondern dass wir gemeinsam zu einem Erkenntnisgewinn kommen, den wir dann in der Branche und mit allen Produzenten umsetzen können.

Wo sehen Sie den grössten Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit?

In der Schweiz sind  wir schon recht gut aufgestellt dank hohem Raufutteranteil und kurzen Transportwegen. Das gilt es schon mal ins Bewusstsein der Konsumenten zu bringen. Der andere Teil sind diverse Massnahmen wie Futtermittelzusätze, Art der Düngerausbringung etc. Ich finde gut, dass man nun versucht, das in Zahlen zu fassen. Es gibt heute viel zu viele Meinungen zum Thema, aber viel zu wenig Fakten. Damit können wir hier Objektivität reinbringen. Insgesamt haben wir nun viel Bewegung in der Branche und sind unter dem Strich gut unterwegs.  

Sie treten Ende Jahr ab, was ist Ihr grösstes Versäumnis?

Das kann dann die Geschichte beurteilen (lacht).