BauernZeitung: Herr Rothen, IP Suisse feiert heuer den 25. Geburtstag. Was würden Sie in der Gratulationskarte an das Geburtstagskind schreiben?

Ich würde den IP-Suisse-Bäuerinnen und –Bauern zu ihrer Innovationskraft gratulieren. Wir sind eine bäuerliche Organisation. Unsere Produzenten stehen im Mittelpunkt. Ohne ihre grosse Bereitschaft, bei uns mitzumachen, wäre das alles nicht möglich gewesen. Aber wir brauchten auch Verarbeiter und Abnehmer, bekannte Firmen, die bereit waren, sich in einer Partnerschaft mit uns weiterzuentwickeln. Auch diesen gebührt unser Dank. Ich bin seit Anfang an dabei. Was haben wir damals vor 25 Jahren, aber auch während dieser ganzen Zeit, nicht alles zu hören bekommen, zum Beispiel, dass wir nichts erreichen würden. Es ist eine Leistung, dass wir nach 25 Jahren immer noch da sind.

Was waren die Meilensteine dieser 25 Jahre?

Sicher zuallererst die Gründung vor 25 Jahren. Durch unsere Sonnenblumenaktion gegen GATT auf dem Berner Bärenplatz sind wir 1990 auf positive Art recht bekannt geworden. 1993 begann die Getreidevermarktung mit Fredy Hiestand. Das brachte uns am Markt sehr viel.
Ein Meilenstein war 1996/1997 auch die Zusammenarbeit mit der Migros auf verschiedenen Stufen beim Fleisch und beim Getreide. 1999 haben wir an der Olma den Agroinnovationspreis für unser Chäferli-Brot gewonnen. Daraufhin sind weitere Abnehmer bei uns eingestiegen.
Weiter natürlich im Jahr 2000 der Start der IP-Suisse-Getreidevermarktung. Bei der damaligen Liberalisierung wurden wir ins kalte Wasser geworfen, worauf wir mit der Getreidevermarktung begonnen haben. 2001 starteten wir mit dem Labelfleisch für McDonald’s. Im gleichen Jahr kam auch die Vereinbarung für das M7-Fleischprogramm mit der Migros als wir in einem ersten Schritt die Kontrolle übernehmen konnten.
2007 folgte der große Schulterschluss: Migros ersetzte M-7 komplett durch IP-Suisse und zeichnet es als TerraSuisse aus. Heute gehen 80 Prozent unserer Produkte in die Migros. Ein Meilenstein sind auch die neuen Programme in der Milch. Auch unser Punkteprogramm für die Biodiversität entwickelt sich sehr erfreulich.

Welches waren die Tiefpunkte?

Solche gab es natürlich auch. Als die Getreideproduktion zurückging, mussten wir einigen Produzenten kurzfristig absagen. Bei der Kartoffel-Labelproduktion waren wir - als Agrinatura, M-Sano und IP-Suisse zusammengelegt wurden - auf mehreren 10‘000 Tonnen. Jetzt sind es noch knapp 5000 Tonnen. Ich hoffe, dass es jetzt wieder aufwärts geht. Es gab immer wieder Opposition von bäuerlichen Organisationen gegen unsere Arbeit – das war etwas mühsam.


Die Wiesenmilch war eine Zeitlang ein wenig ein Sorgenkind. Wo steht man heute?

Wir sind fulminant gestartet. Wir kamen bei der Entwicklung von Milchprodukten nicht vorwärts, aber wir wollten immer auch einen Mehrpreis. Dieser Linie bleiben wir treu: Wir machen keine Produkte ohne Mehrpreis! Dies liess sich nicht realisieren. Bei der Milch ist vor allem die Logistik schwierig. Wir wollen wirtschaftlich sein und den Mehrpreis für die Milchprodukte nicht in der Logistik verlieren. Dieser muss wirklich beim Bauern ankommen. Das macht es schwierig.

Wir sind vielleicht etwas zu schnell gestartet. Die Zeit für ein nationales Projekt in der Migros war noch nicht reif. Wir haben drei Projekte weiterverfolgt und diskutieren nun eine Ausweitung, einerseits mit der Migros, aber auch mit möglichen neuen Partnern.

Es ist bekannt, dass wir zum Beispiel mit Nestlé als Grossabnehmer im Gespräch sind. Wir sind von der Wiesenmilch überzeugt. Einerseits geht die Agrarpolitik mit der Graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion (GMF) in diese Richtung. Anderseits gibt es auch Forschungsaussagen über die Inhaltsstoffe dieser Milch, die uns sehr positiv stimmen.

Ab Sommer 2013 mussten alle IP-Suisse-Betriebe das 17-Punkte-Programm erfüllen, um weiterhin von Labelprämien zu profitieren. Wie viele Prozent haben das Ende 2013 geschafft und wie viele sind ausgestiegen? Welches Fazit ziehen Sie über die Einführung dieses Programms?

Das ist sehr schwierig zu sagen. Es gibt immer Ab- und Zugänge, dies alleine der Biodiversität zuzuschreiben ist nicht möglich. Ein paar hundert Betriebe sind es bestimmt. Es sind einzelne ausgestiegen, die nur mit ein paar Schlachtkühen bei uns im Programm sind und sagen, dass sich der Aufwand für sie nicht lohne. Auf den ersten Blick sehen die Richtlinien kompliziert aus. Wir haben webbasiert und mit Beratung gearbeitet – und vor allem das webbasierte Angebot ist sehr gut angekommen. Von Bauern, die sich dann näher damit beschäftigt haben, haben wir sehr gute Rückmeldungen erhalten – es sei gar nicht so schwierig. Wir haben bei den fast 10'000 Betrieben aktuell einen Durchschnitt von 21,6 Punkten. Es ist wirklich eine Erfolgsgeschichte!

Beim IP-Suisse-Getreide hat man eine fünfjährige Zusammenarbeit mit Migros vereinbart. Wie läuft diese?

Das läuft gut und ist ein klares Bekenntnis der Migros zur Zusammenarbeit mit IP-Suisse. Auch Produzenten von IP-Suisse-Mastkälbern aus RAUS-Haltung erhalten bis 2018 zusätzlich zur Prämie eine Abgeltung für den Auslauf 60 Rappen pro kg Schlachtgewicht. Die Migros ist für uns ein fairer Partner.

IP-Suisse bezahlt 2014 einen Bonus für Sommerweizen.

Auf die Idee gekommen sind wir, weil wir Anrufe von Bauern bekommen haben, denen der Winterweizen – vor allem wegen Staunässe - kaputt gegangen ist. Auf unsere Frage, warum sie nicht Sommerweizen anbauen, kam die Antwort, Sommerweizen bringe weniger Ertrag. Wir brauchten nach wie vor etwas mehr Anbaufläche und Menge. Deshalb wollten wir einen zusätzlichen Anreiz schaffen und tatsächlich wurde jetzt etwas mehr Sommerweizen gesät.

Hat IP-Suisse neue Programme in der Pipeline?

Rothen: Unsere Philosophie ist, dass wir Produkte gemeinsam mit den Marktpartnern entwickeln. Wir sehen verschiedene Ansätze bei Produkten, bei denen wir noch schwach vertreten sind. Poulet, Eier, Kartoffeln, Gemüse, Zucker, Sonnenblumen, Obst, um einige zu nennen.

IP-Suisse zeigte sich sehr zufrieden mit der AP 14-17. Das sehen längst nicht alle in der Landwirtschaft so. Warum ist die AP 14-17 die richtige Agrarpolitik für die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft?

Die AP 14-17 ist aus unserer Sicht auf den Markt ausgerichtet und wir arbeiten jetzt seit 25 Jahren Richtung Markt. Der Bund selbst kann nicht am Markt tätig sein, aber er muss uns die Instrumente dazu geben. Solche Elemente sehen wir in der AP 14-17. Über die Landschaftsqualitätsbeiträge sind wir nicht hoch erfreut, auch bei der Verteilung der Gelder hatten wir zum Teil andere Ideen. Wir hätten uns zum Beispiel gefreut, wenn es bei der graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion mehr als 200 Franken gegeben hätte. Auch höhere Futtergetreidebeiträge wären erfreulich gewesen.
Wir sind also nicht «sehr zufrieden», aber wir sehen, dass es in die richtige Richtung geht. Viele Bauern, Berater und bäuerliche Organisationen sagen, dass jeder verliere, aber wir stellen fest, dass die Direktzahlungen eigentlich um einige Millionen ausgedehnt werden. Wir finden es nicht zielführend, wenn man im Voraus schon alles tel quel ablehnt. Das BLW hat schliesslich gewisse Aufgaben zu erfüllen und wir wollen jetzt endlich Erfahrungen sammeln.


Welches sind die Schwerpunkte für IP Suisse im aktuellen Jahr?

Die Umstellung von allen 40'000 Mastkälber auf RAUS bis Ende 2014, das ist unser Ziel. Wir wissen heute noch nicht, ob wir dieses erreichen, aber wir geben diesbezüglich Gas. Wie bereits erwähnt wollen wir auch bei der Wiesenmilch weiterkommen. Dann möchten wir den Getreide- und Fleischmarkt abdecken können, die Beziehungen zu unseren Partnern pflegen sowie uns ganz generell weiterentwickeln.

Heute produzieren 20'000 Betriebe nach IP Suisse-Richtlinien. Wo steht IP Suisse in 25 Jahren?

Wir hätten dann gerne so viele Produzenten, dass wir die Nachfrage nach IP-Suisse-Produkten befriedigen könnten. Die Produktion sollte auf einem Familienbetrieb stattfinden. Wir wünschen uns möglichst viele Familienbetriebe.
Uns ist aber bewusst, dass der Strukturwandel weitergehen wird. Zahlen zeigen, dass wir etwa gleich viele Betriebe verlieren wie die übrige Landwirtschaft. Deshalb müssten die Preise für landwirtschaftliche Betriebe etwas gerechter sein. Lebensmittel sind etwas derart Wichtiges, weshalb werden nicht entsprechende Preise dafür bezahlt? Das ist das grösste Problem, das wir in der Landwirtschaft haben.
Grundsätzlich sind die Ziele und Grundsätze, die wir uns vor 25 Jahren gesetzt haben, heute immer noch topaktuell. Wenn es uns gelingt, uns mit den Partnern weiterzuentwickeln und die Bedürfnisse des Marktes abzudecken, dann werden wir auch in 25 Jahren noch für eine super Schweizer Qualitätsproduktion stehen.

Interview Jeanne Woodtli