Die Geschichte hat einigen Staub aufgewirbelt: Bis 2022 wolle Micarna nur noch BTS- und RAUS-Schweine und ab 2025 sollen alle Tiere diesen Ansprüchen genügen, so Ernst Graber vergangene Woche in einem Interview mit «Agri» (wir berichteten, der «Blick» ebenfalls).

Anlässlich der Bilanzmedienkonferenz der Migros von heute Mittwoch haben wir Micarna-Mediensprecher Roland Pfister auf die Thematik angesprochen. Er relativiert die Aussagen Grabers leicht, im Kern bleibt der Inhalt aber gleich. Die entsprechenden Entscheide seien noch nicht definitiv gefallen, umgekehrt könne man aber keineswegs davon ausgehen, dass die Sache vom Tisch sei.

Herr Pfister, vergangene Woche hat Micarna Chef-Einkäufer Ernst Graber bei der Suisseporcs-Versammlung in der Westschweiz und in einem Interview angekündigt, dass bis 2022 alle Schweine im Migros-Kanal BTS und RAUS-Richtlinien erfüllen müssen, bis 2025 soll dies bei allen Tieren der Fall sein. Das hat einigen Staub aufgewirbelt in der Branche. Können Sie diese Aussagen bestätigen?

Ich möchte betonen, dass es sich hier um eine Vision handelt und keinen Beschluss. Grundsätzlich ist es so, dass das Bedürfnis seitens Kunden nach erhöhten Tierwohlstandards steigt. Aus diesem Grund haben wir im Rahmen unserer Vision festgehalten, dass wir 2022 nur noch BTS/RAUS-Schweine beschaffen und in der Micarna verarbeiten wollen; beschlossen ist aber noch nichts. Im Rahmen dieser Veranstaltung von Schweineproduzenten wurde lediglich auf die Sensibilisierung seitens Konsumenten hingewiesen und darauf, dass wir als Verarbeitungsunternehmen die Bestrebungen für hohe Tierwohlstandards unterstützen. Da wir davon ausgehen, dass dieser Wunsch nach erhöhten Tierwohlstandards tendenziell weiter steigen wird, möchten wir unsern Labelanteil weiter ausbauen. Ernst Graber ging es darum, die Schweineproduzenten dafür zu sensibilisieren, dass sie bei allfällige Neubauprojekte auf ihren Betrieben solche gesellschaftliche Entwicklungen mitberücksichtigen. Bereits heute stammen 58 Prozent des Micarna-Schweinefleisches aus Labelproduktion; bei den Kälbern sind es 76 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen, dass die Micarna bereits heute auf die hohen Tierwohlanforderungen der Labelproduktion setzt.

Was heisst genau eine Vision, können die Produzenten davon ausgehen, dass QM-Schweine ab 2022 noch übernommen werden von Micarna?

Eine Vision bedeutet, dass die Micarna in Zukunft vermehrt auf Labelprodukte setzen will. Micarna sagt heute nicht, dass man QM-Schweine ab 2022 nicht mehr liefern kann, aber es gibt auch keine Garantie, dass dies weiterhin der Fall sein wird. Die Vision hat keinen starren Umsetzungsfahrplan. Nichtsdestotrotz müssen Landwirte bei Neubauprojekten ihren Blick in die Zukunft ausrichten und sich Gedanken darüber machen, welche Produkte in Zukunft vermehrt nachgefragt werden. Die Micarna ist überzeugt davon, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Schweizer Fleischprodukten in Zukunft weiter steigen wird. Zudem haben wir uns das Ziel gesetzt, der nachhaltigste Abnehmer von Fleisch, Geflügel und Fisch zu sein.

Was sagen Sie dem Produzenten, der BTS aber nicht RAUS-konform gebaut hat? Oder anders gefragt: Wollen Sie, dass beide Label gleichzeitig umgesetzt sind oder reicht entweder oder, wie dies Emmi im Falle der Milchproduktion angedacht hat?

In der Labelproduktion von Terra Suisse entsprechen die Haltungsformen bereits BTS/RAUS. Das bedeutet, dass die Tiere nicht nur einen entsprechend Stall mit Platz und Licht zur Verfügung haben, sondern auch Zugang an die frische Luft. Die Micarna ist klar der Meinung, dass Labeltiere Zugang nach draussen erhalten müssen (also auch die RAUS-Anforderungen erfüllen). Die meisten Landwirte, die heute ein Neu- oder Umbauprojekt auf ihrem Betrieb in Angriff nehmen, planen einen entsprechenden Auslaufbereich ein. Eine reine BTS-Stallhaltung ist für die Micarna nicht Teil der Vision einer nachhaltigen Landwirtschaft.

Das grösste Defizit in Sachen Label besteht ja bei den Verarbeitungskühen. Hier entsprechen erst 40 Prozent den BTS- und RAUS-Anforderungen. Planen Sie in Zusammenarbeit mit Elsa auch eine entsprechende Verschärfung bei der Milchproduktion, damit auch die Kühe ihre Anforderungen genügen?

Bisher gibt es bezüglich Verarbeitungskühen keine Koordination zwischen der Micarna und der Elsa. Beide Unternehmen bearbeiten diese Thematik im Rahmen ihrer jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategien. Allerdings würde ein gemeinsames Vorgehen der beiden Unternehmen auch nur bedingt einen möglichen Lösungsansatz aufzeigen. Die Micarna verarbeitet ja nicht nur Verarbeitungskühe von Elsa-Produzenten, sondern von zahlreichen Betrieben.

Gehen wir mal davon aus, dass ab 2025 nur noch Labeltiere gekauft würden, hätte das auch negative Auswirkungen auf die Prämie, oder kann der Landwirt davon ausgehen, dass weiterhin ein Mehrpreis gelöst werden kann?

Das ist schwierig zu beantworten aus der heutigen Perspektive. Vor allem weil es bei einzelnen Programmen nicht die Micarna ist, welche das Prämienniveau bestimmt. Die Erfahrung im Bereich Bankvieh und Kälber hat gezeigt, dass eine solche Erhöhung im Bereich der Tierwohlstandards keinen direkten Einfluss auf die Prämienauszahlung hat. Sowohl beim Bankvieh als auch bei den Kälbern sind die bei der Micarna verarbeiteten Tiere mehrheitlich auf Terra-Suisse-Niveau, die entsprechenden Prämien werden aber nach wie vor ausbezahlt.

Interview akr