Der ökologische Fussabdruck der Schweiz ist gemäss Bundesamt für Statistik dreimal so hoch, wie er sein dürfte. Anders ausgedrückt: Wenn alle so leben würden wie wir, bräuchte es drei Erden! In den 1960er-Jahren war der Fussabdruck nur knapp über dem Soll. Als Jahrgänger aus dieser Zeit stelle ich mir ab und zu die Frage, wie wir damals gelebt haben im Vergleich zu heute. 

Sonntagsbraten war das kulinarische Highlight

Abo Wega-Podium Qualität ins Regal, Zweitklass-Gemüse in die Kantine Mittwoch, 4. Oktober 2023 Meine Eltern und wir Geschwister waren viel zu Fuss oder mit dem Velo unterwegs. Wir hatten nur ein Auto. Wir sind nie geflogen. Wir gingen erst zum Arzt, wenn verschiedene Hausmittel keine Besserung brachten. Dasselbe galt für den Tierarzt. Alle Haushaltsabfälle haben wir den Schweinen verfüttert. Der Sonntagsbraten und -zopf waren kulinarische Highlights, weil wir unter der Woche wenig Fleisch und Ruchbrot assen.

Meine Mutter hat den halben Winter mit der Lehrtochter Überhosen geflickt und genäht. Abfall gab es fast keinen, weil wir im Konsumladen im Dorf mit dem Korb und Mehrwegbehältern (z. B. Reis aus dem Sack in die Dose) einkauften. Das Postauto im Dorf fuhr viermal pro Tag, am Wochenende nur zweimal.

Wir hatten damals noch keinen Fernseher, keinen Computer, kein Handy, keine Abwaschmaschine, nur einen Traktor und noch zwei Arbeitspferde. Der Vater hat uns immer zurechtgewiesen, wenn wir unnötigerweise in einem Raum oder im Stall das Licht brennen liessen. Geheizt wurde nur, wenn es richtig kalt war, sonst hat der Holzkochherd Küche und Wohnzimmer gewärmt.

Nicht alles war besser

Abo Gastbeitrag Virginia Stoll plädiert für Hirnabdruck statt Fussabdruck Donnerstag, 17. August 2023 Und die Lehre aus der Geschichte? Wir lebten damals wesentlich bescheidener als heute. Vor allem der Energieverbrauch stand in keinem Verhältnis zu heute. Natürlich war damals nicht alles besser. Beispielsweise haben wir den (wenigen) Abfall, der anfiel, hinter dem Haus verbrannt. Und alles, was nicht brannte, haben wir periodisch mit Pferd und Bockwagen in die Grube geführt und hinuntergekippt. Diese ist in den Nullerjahren für mehrere Millionen Franken saniert worden.

Und trotzdem: Ich denke, wir könnten uns ein bisschen am Lebensmodell der 60er-Jahre orientieren, damit unser ökologischer Fussabdruck wieder kleiner wird. Wir können gegen die 10-Milllionen-Schweiz sein oder für Solarparks oder für E-Autos oder gegen Fleischkonsum und so weiter. Erst wenn wir wieder Mass halten, sind wir auf dem richtigen Weg.

Die Landwirtschaft könnte einmal mehr Vorbild sein für die ganze Gesellschaft. Wir haben Erfahrung im Masshalten, denn wir arbeiten mit der Natur, mit Pflanzen und mit Tieren, sind dem Wetter ausgesetzt und leben in Jahreszeiten. Als Nicht-Politiker kann ich das schreiben und denken: Ich wünsche mir eine Gesellschaft mit Mass.

Zum Autor
Andreas Buri ist Vorstandsmitglied des Zürcher Bauernverbands. Er schreibt für die Rubrik Arena der BauernZeitung Ostschweiz und Zürich.