BauernZeitung: Weshalb braucht es ein Sorgentelefon speziell für Bäuerinnen und Bauern?

Lukas Schwyn (LS): In der Landwirtschaft gibt es viele Spezialitäten, wie beispielsweise das Bäuerliche Bodenrecht oder die Art, wie ein Bauernhof funktioniert. Bäuerinnen und Bauern wollen niemanden am anderen Ende des Telefons haben, der von dem allem nichts weiss. Sie müssen das Gefühl haben: Da ist jemand, der eine Ahnung von meiner Realität hat. Und das sind ganz einfach Bäuerinnen und Bauern.

Patrizia Schwegler (PS): Bauern warten sehr lange, bis sie sich eingestehen, dass sie Hilfe brauchen. Weil man sich beim Bäuerlichen Sorgentelefon verstanden fühlt, wird die Hürde zum Hilfe holen gesenkt.

Andri Kober (AK): Für mich hat es auch noch eine andere Dimension. Wenn in bäuerlichen Kreisen etwas Schlimmes passiert, wird das von den Medien jeweils gesondert aufgenommen. Auch in der Politik hat die bäuerliche Bevölkerung einen besonderen Stand; sei es bei Initiativen, politischen Fragen und durch ihre überdurchschnittliche Vertretung im Parlament im Allgemeinen. Der Bauernstand ist etwas ganz Altes und hat Tradition. Es steckt eine starke Kraft dahinter. Deshalb ist ein Sorgentelefon für Bäuerinnen und Bauern gerechtfertigt.

Weshalb braucht es christliche Werte, würden auch normale Coaching-Ansätze genügen?

LS: Die Methode der Beratung am Bäuerlichen Sorgentelefon unterscheidet sich nicht von anderen Beratungsansätzen. Aber die Motivation derer, die die
Beratung anbieten, hingegen schon. Wir haben ein christliches Motiv. Wir setzten uns für den Nächsten und die, die in Not sind ein. Bei Zusammenkünften im Team machen wir immer eine kleine Andacht, so sind wir uns diesem Hintergrund unserer Arbeit bewusst. Wenn sich aber Menschen bei uns melden, deren Motivation ins Missionarische abdriftet, mussten wir auch schon sagen, dass eine Zu-
sammenarbeit nicht möglich ist. Das steht in unseren ethischen Grundsätzen. Wir sind ebenfalls nicht politisch tätig.

AK: Ich sehe es in einem grösseren Zusammenhang. Moderne Coachingansätze und Kommunikationsstrategien basieren alle auf unseren grundsätzlichen christlichen Werten. Deshalb ist es etwas Natürliches und Gutes zum Glauben zu stehen. Als kirchlich geprägte Institution haben wir einen gewissen Vertrauensvorschuss. Das christliche Etikett hat einen seelsorgerischen Aspekt, der sehr stark und glaubwürdig ist, sozusagen der Werteboden.

PS: Christentum ist für mich vor allem auch Kindheitserinnerung. Meine Grossmutter war ziemlich katholisch – wir beteten Rosenkränze und andere Gebete, die wir als Kinder jedoch nicht wirklich verstanden. Trotzdem sind  einige Werte des Christentums bei mir hängen geblieben: Es ist doch klar, dass man in Notsituationen zueinander schaut. Und gerade in Krisensituationen ist es ganz wichtig, dass man sich auf einen solchen Werteboden besinnen kann.

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Was wünschen Sie sich für die Zukunft des bäuerlichen Sorgentelefons?

PS: Dass wir bekannt bleiben und weiterhin ein Ohr zum Zuhören bieten können.

AK: Ich wünsche, dass wir die Wertschätzung und Anerkennung, wie wir sie gerade in dieser Zeit des Wechsels spüren, aufrechterhalten und wir weiterhin Vertrauen geniessen können. Hoffentlich bleiben wir im Gespräch, sei es durch die Berichterstattung in den Medien oder durch Personen, die positive Erfahrungen mit uns machen, wenn sie in Not sind.

LS: Ich hoffe, dass das Sorgentelefon weiterhin eine vertrauenswürdige Institution für Personen in Not bleibt und weiterhin breit finanziell unterstützt wird. Denn die bäuerliche Bevölkerung wird zunehmend noch mehr unter Druck sein: durch Initiativen aus der Bevölkerung, den voranschreitenden, technischen Fortschritt, das sich verändernde Berufsbild. Es braucht uns.

Interview Esther Thalmann

Das ganze ungekürzte Interview mit dem Führungsteam des Bäuerlichen Sorgentelefons lesen Sie in der Printausgabe der BauernZeitung vom 8. Februar 2019. Hier geht es zu den Abos.