Thema der Woche
In der Woche vom 11. August publiziert die BauernZeitung Informationen und Geschichten rund um das Thema Pflege von Angehörigen.
Eine Bäuerin hilft ihrer betagten Schwiegermutter jeden Tag, die Kompressionsstrümpfe anzulegen. Ein Bauer unterstützt seine gelähmte Frau bei der Körperpflege. Eine Mutter hilft der 12-jährigen Tochter mit Beeinträchtigung beim Essen. Rund 600 000 Schweizerinnen und Schweizer, so das Bundesamt für Gesundheit, betreuen daheim Angehörige. Seit sechs Jahren können sie sich Arbeiten, die zur Grundpflege gehören, vergüten lassen. Dazu gehört etwa Körperpflege, Hilfe beim An- und Ausziehen, beim Essen und beim Zubettgehen oder eben das Anlegen von Kompressionsstrümpfen.
Die Voraussetzung ist: Die pflegende Person muss sich bei einer Spitex-Organisation anstellen lassen und macht eine entsprechende Weiterbildung. Die Krankenkassen bezahlen etwas über 52 Franken pro Stunde, dazu kommt ein Beitrag von der Gemeinde oder des Kantons von rund 20 bis 30 Franken. Die Angehörigen erhalten in der Regel aber nur rund 35 Franken pro Stunde, der Rest bleibt bei der Spitex-Organisation, unter anderem für Administration, Schulung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen durch medizinische Pflegefachkräfte.
Entschädigung via Spitex
Nicht selten reduzieren Angehörige ihr Pensum bei der Erwerbsarbeit, um Familienmitglieder betreuen zu können. Eine Entschädigung ist nicht nur ein Zeichen der Anerkennung für ihren Aufwand, es hilft ihnen auch, finanziell über die Runden zu kommen. Damit sie entschädigt werden, müssen sie sich bei einer Spitex-Organisation melden. Diese wiederum muss im gleichen Kanton sein wie der Patient oder die Patientin. «Aus meiner Sicht wendet man sich am besten an eine alteingesessene, öffentliche Spitex-Organisation», so Monika Veronesi, Leiterin Leistungen bei der Agrisano Krankenkasse. «Oft hat die Gemeinde die entsprechenden Adressen.»
Die Vorteile der bezahlten Angehörigenpflege liegen auf der Hand:
- Sie wird nicht mehr als selbstverständliche Gratisarbeit angesehen.
- Gerade wenn Menschen ihr Berufspensum reduzieren, um Familienmitglieder zu pflegen, können diese Einnahmen wichtig sein.
- Durch die häusliche Pflege kann unter Umständen verhindert werden, dass die pflegebedürftige Person in ein Heim muss. Dies entlastet in Zeiten von Pflegekräfte-Mangel das Gesundheitssystem sowohl finanziell als auch personell.
Steigende Kosten
Seit 2019 entstanden eine ganze Reihe von auf Angehörigenpflege spezialisierten Spitex-Organisationen, mit rasant steigenden Umsätzen. Geschätzt wird, dass 2025 die Kosten zulasten der Kassen deutlich über 100 Millionen Franken liegen. Dazu kommen die zusätzlichen Kosten für Gemeinden und Kantone. Laut einem Artikel in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) haben sich die Grundpflegeleistungen durch Spitex-Firmen, die auf die Anstellung von pflegenden Angehörigen spezialisiert sind, von 2020 bis 2023 verfünffacht, basierend auf einer Analyse der Gesundheitskonferenz Kanton Zürich, einem Zusammenschluss von über 125 Gemeinden. «Verdächtig ist, dass diese Unternehmen einen viel höheren Aufwand geltend machen als andere Spitex-Organisationen», schreibt die NZZ. Auch Monika Veronesi musste feststellen, dass die angegebenen Pflegestunden bis zu dreimal höher sind, wenn ein Patient oder eine Patientin von einer öffentlichen Spitex-Organisation zu einer auf Angehörigenpflege spezialisierten Organisation wechselt. Doch warum ist das so?[IMG 2]
«Bäuerinnen arbeiten sonst schon viel auf den Höfen. Dazu kommt Haushalt und Kinderbetreuung. Das Risiko einer Überforderung steigt, wenn sie jetzt noch Pflegearbeiten übernehmen», gibt Monika Veronesi zu bedenken. Und erzählt von einer Frau, die ihren Mann bis zu 13 Stunden pro Tag pflegte. Da müsse man auch als Spitex-Organisation hinschauen, sonst drohe die Überbelastung der pflegenden Personen und letztendlich ein Burnout. «Auch diese Spitex-Organisationen haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Angestellten», stellt Monika Veronesi klar. «Wenn die pflegenden Angehörigen fast rund um die Uhr im Einsatz sind, dann nehmen diese Spitex-Organisationen ihre Fürsorgepflicht nicht wahr.»
Aufgabe der Krankenkassen?
Kommt bei der entsprechenden Krankenkasse der Verdacht auf, dass zu viele Stunden aufgeschrieben werden, verlangt sie einen Pflegerapport und einen Arztbericht. «So lässt sich eher feststellen, ob der Aufwand von so vielen pflegerischen Stunden ausgewiesen ist», sagt Monika Veronesi. Wenn nicht, wird die Kostengutsprache gekürzt, es werden zum Beispiel nur 20 statt 30 Stunden bezahlt. Die Krankenkasse prüft zudem, ob die nötige Weiterbildung von den pflegenden Angehörigen absolviert wurde, zum Beispiel der Lehrgang für pflegende Angehörige des Schweizerischen Roten Kreuzes.
Eines liegt Monika Veronesi dabei am Herzen: «Es sind vor allem Frauen, die ältere Leute betreuen, und selbstverständlich soll solche Freiwilligenarbeit entschädigt werden.» Sie plädiert zudem dafür, dass die Pflegenden bewusst weiter ihren Hobbys nachgehen und ihr soziales Umfeld pflegen. Vorsicht sei besonders bei einer Langzeitpflege geboten. «Wenn jemand nur eine gewisse Zeit auf Pflege angewiesen sei, etwa nach einer Operation, sei das eher zu stemmen, als wenn der Pflegebedarf auf unbestimmte Zeit über das ganze Jahr besteht.»
