Am Donnerstagabend rief ein verzweifelter Vater beim bäuerlichen Sorgentelefon an. Er erzählte mir, dass er den Betrieb an seinen Sohn übergeben habe. Der Sohn war ursprünglich Landmaschinenmechaniker, bevor er die landwirtschaftliche Ausbildung absolvierte. Der Betrieb ist sehr arbeitsintensiv, das Land stark zerstückelt – was mit viel Handarbeit verbunden ist. Die langjährige Freundin hat den Sohn verlassen, wahrscheinlich, weil sie scheute, was auf sie zukommen könnte.
Bisher in einer geschützten Rolle
Obwohl der Sohn in seiner Freizeit immer auf dem Betrieb mithalf, war er bisher in einer geschützten Rolle als Arbeitnehmer mit sicherem Einkommen. Nun aber steht er als selbständiger Betriebsleiter vor ganz neuen Herausforderungen. Der Vater sieht, dass der Sohn überfordert ist – obwohl er ihn bei der Arbeit unterstützt, wo immer er kann.
Ich versuchte, den Vater etwas zu beruhigen, und sagte ihm, er solle seinem Sohn Zeit geben, um seinen eigenen Weg zu finden und herauszufinden, wie er den Betrieb erfolgreich führen kann. Auch er selbst habe ja einmal einen Betrieb übernommen und zuerst ausprobieren müssen, wie man es am besten anpackt. Natürlich hat sich seither vieles verändert: Die Aufzeichnungspflichten, ÖLN, Bilanzen und so weiter sind heute wichtiger als Rechen und Gabel.
Nach einem längeren Gespräch, in dem ich ihm einige Tipps geben konnte, merkte ich, dass dieser Vater etwas erleichtert war.
Alle fangen mal an
Nach dem Anruf lehnte ich mich zurück und versetzte mich gedanklich dreissig Jahre zurück. Auch ich war einmal in beiden Rollen – als junger Betriebsleiter und als Vater – und kann gut nachvollziehen, wie sich diese Situation anfühlt.
- Der erste Milchzahltag kommt erst im Februar.
- Rechnungen aller Art flattern ins Haus.
- Der Stolz lässt es nicht zu, bei jemandem zu jammern.
Meine junge Familie verzichtete damals auf vieles, nur um allen Verpflichtungen nachzukommen. Auch bei der Arbeit auf dem Betrieb liess es der Stolz nicht zu, dass etwas liegenblieb oder nicht rechtzeitig erledigt wurde.
Solche Ängste, wie sie dieser Vater empfindet, sind allgegenwärtig. In solchen Situationen ist es zentral, miteinander zu reden. Wenn das nicht reicht, sollte unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden – und das ist überhaupt keine Schande.
Zum Beispiel können die Betriebsberatung, Treuhandstellen oder auch wir vom Bäuerlichen Sorgentelefon helfen. Wir sind anonyme Zuhörer, bei uns kann Druck abgelassen werden, und wir vermitteln bei Bedarf an andere Stellen weiter.
So erreicht man das Bäuerliche Sorgentelefon
Dreimal in der Woche ist die Nummer 041 820 02 15 betreut:
Montag 8.15 bis 12 Uhr
Dienstag 13 bis 17 Uhr
Donnerstag 18 bis 22 Uhr