Ein solcher Garten lässt sich nicht einfach in den Winterschlaf schicken. Die weitläufige, jahrhundertalte Anlage auf dem Schloss Wildegg verlangt das ganze Jahr durch Aufmerksamkeit. Tanya von der Laan und Melissa Gögele sind die Chefinnen über den barocken Rosengarten und die Schlossumgebung. Die beiden Gärtnerinnen haben gerade die erste Arbeitsspitze der Saison hinter sich und schnaufen bei einem Gang durch ihr Reich einen Moment durch.

Arbeitsplatz ist ein Privileg

Das oberstes Gebot im Schlossgarten Wildegg lautet: Während der Besuchssaison vom 1. April bis zum 1. November muss es grünen und blühen. Da gelten kein Spätfrost und keine Dürreperiode als Entschuldigung. Das kann schon mal bedeuten, dass sämtliche weissen Stiefmütterchen, die im Herbst gesetzt wurden, im Frühling ersetzt werden müssen, weil sie über den Winter braune Flecken bekommen haben. So passiert vor einem Jahr. Melissa Gögele erzählt dieses Müsterchen aus ihrem Gärtnerinnenleben ohne Groll, «wir haben schliesslich Ansprüche an unseren Garten», stellt sie klar. Die Frauen lieben ihre Arbeit an diesem besonderen Ort. «Es ist ein Privileg, jeden Tag aufs Neue. Man gewöhnt sich nicht daran», sagt Tanya van der Laan und schaut auf die historischen Gebäude ringsum, von denen der Blick weit auf die umliegenden Schlösser bis hin zu den Alpen geht. 

Bereiche nach Farbmotto gestaltet

Die Saison auf dem Schloss Wildegg ist seit einer Woche eröffnet. Nach dem traurigen Lockdown-Frühling vor einem Jahr passt dieses Mal alles: Die Tulpen öffnen sich gerade zur richtigen Zeit, die Magnolienbäume vor dem Eingangstor kündigen mit ersten rosa Knospen einen prächtigen Blust an, die Stiefmütterchen leuchten harmonisch ohne den kleinsten braune Flecken in rot-lila-Tönen. Jedes Jahr gestalten die Frauen die verschiedenen Bereiche nach einem Farbmotto. Die Stiefmütterchen auf dem Hofplatz, durchsetzt mit Purpurglöckchen und Tulpen, nehmen die Farben der Stalltore im Hintergrund auf. «In Natura noch schöner als in der Vorstellung», freut sich Melissa Gögele. Bis zu den Eisheiligen hat der Frühlingsflor seinen Auftritt, danach werden Sommerpflanzen in Szene gesetzt. Die Pflege der Rosen dürfen die Gärtnerinnen den freiwilligen Rosenfreunden überlassen. Sie haben genug Arbeit mit den rund 3500 Pflanzen in den Saisonrabatten.

[IMG 7]

Die Rosen im Rosengarten pflegen die freiwilligen Rosenfreunde. (Bild Ruth Aerni)

Schlauch statt Giesskanne

Bis vor kurzem beschäftigte im Sommern das Wässern der Pflanzen drei Personen einen Vormittag lang. Im Vorjahr haben Melissa Gögele und Tanya van der Laan begonnen, einen Schlauch mit Tröpfchenbewässerung zu verlegen. «Eine Riesenerleichterung», kommentieren sie und führen zu den Schnittblumenbeeten, wo in den nächsten Tagen die letzten fehlenden Meter verlegt werden. Hier wachsen die Blumen, mit denen eine Floristin die Räume des Schlosses schmückt, alle zwei Wochen bindet sie gegen fünfzig Sträusse. Auch hier gilt für die Gärtnerinnen: Ab April bis Ende Oktober müssen sie für blühendes Material sorgen.

Historisch korrekt gepflanzt

Bei der Lindenterrasse zeigen die Gärtnerinnen eine neu angelegte Dauerbegrünung, mit denen sie die unansehlich gewordenen Rhododendren ersetzt haben. Sie müssen bei solchen Neupflanzungen immer auf historische Korrektheit achten und haben Feigen, Kaki und Indianerbananen gepflanzt. Solche Exoten brachten die früheren Schlossbewohner als wohlhabende Leute von ihren Reisen mit. Für eine besondere Stimmung sorgt der Rosenwaldmeister, der seine Pflicht als Bodendecker tadellos erfüllt, zudem aber einen markanten Hanf-Geruch verströmt. Da wurde der Gärtnerin mit dem holländischen Namen auch schon mal das Betreiben einer Spezialplantage unterstellt. Die zu Unrecht Verdächtigte lacht: «So kommen wir ins Gespräch mit den Besuchern». 

Magischer Moment im Winter

Wenn im Spätherbst auf der Wildegg das Schmiedeeisentor für das Publikum geschlossen wird, geht im Schlosshof die Arbeit weiter. «Das Unkraut in den Kieswegen wächst im Herbst einfach weiter», seufzt Tanya van der Laan. Die Frauen jäten, schneiden Sträucher, räumen Beete ab, graben Pflanzenzwiebeln aus, wintern Topfpflanzen ein, restaurieren Blumenkisten, pflegen Gartengeräte. Und irgendwann im Lauf des Winters kommt dann der magische Moment, wo der neue Gartenplan nicht mehr ein Ideenstrauss im Kopf ist, sondern, auf dem Papier Gestalt annimmt.

 

Schloss Wildegg

In zwei Teilen stellen wir die national bekannte barocke Gartenanlage vom Schloss Wildegg und ihre Gärtnerinnen vor. Nächste Woche geht es in den Nutz- und Lustgarten. Das Schlossmuseum mit Garten ist bis am 31. Oktober geöffnet. Informationen gibt es unter www.museumaargau.ch/schloss-wildegg.