Die Naturschutzorganisation Birdlife Schweiz ortet dringenden Handlungsbedarf in Sachen Artenvielfalt. Zugleich erhebt sie Vorwürfe gegen den Bund. Dieser habe in den letzten zehn Jahren gar nicht wirklich versucht, die Biodiversität zu sichern und zu fördern.

Von einem "verlorenen Jahrzehnt für die Biodiversität" schrieb Birdlife Schweiz am Sonntag in einem Communiqué. Die Organisation stützte sich bei ihren Aussagen auf eine eigene Analyse, die sich an der Biodiversitätsstrategie des Bundesrats von 2012 orientiert. Der entsprechende Beschluss jährt sich am Montag zum zehnten Mal.

Von den 18 damals festgelegten Zielen wurde demnach kein einziges erreicht. Nur bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt im Wald sei die Schweiz auf Kurs. Bei zwei Dritteln der Ziele habe es keinerlei Fortschritte oder sogar Rückschritte gegeben.

Es seien weniger Schutzgebiete ausgeschieden worden, als es sich der Bund vorgenommen habe, lautet ein Kritikpunkt. Zudem nähmen der Verkehr sowie die Intensivierung der Landwirtschaft weiter zu, und der Druck von Erholungssuchenden, Freizeit und Sport auf bisher ungestörte Gebiete sei massiv gestiegen.

Kritik an Informationspolitik

Auch dort, wo es Fortschritte gebe, tue der Bund zu wenig, so Birdlife. Bei der Förderung der Biodiversität auf Grundstücken des Bundes sei noch immer fast nur die Armee aktiv. Auch bei Subventionen, die der Artenvielfalt schadeten, habe sich bis 2020 wenig oder nichts getan.

Ein besonderer Dorn im Auge ist der Organisation die Informationspolitik des Bundes. Die Roten Listen der gefährdeten Vogel- und Säugetierarten seien ohne Medieninformation und mit Verspätung publiziert worden. Dies, obwohl nach Schweizer Standard noch immer rund 40 Prozent der in der Schweiz brütenden Vogelarten als gefährdet gälten - und obwohl sich bei den Säugetieren die Lage in den vergangenen 25 Jahren sogar verschlechtert habe.

Birdlife Schweiz fordert deshalb einen nationalen Aktionsplan zur Biodiversität - und die nötigen mittel zu dessen Umsetzung. "Den aktuellen ungenügenden Plan einfach für weitere Jahre fortzuschreiben, würde noch mehr Schäden an der biologischen Vielfalt auf kommende Generationen überwälzen", liess sich Geschäftsführer Raffael Ayé im Communiqué zitieren.

Bund will Schutzfläche vergrössern

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hielt auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA fest, es nehme das Dokument zur Kenntnis und werde es vertieft prüfen. Die Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf die vom Bundesrat Anfang März ans Parlament überwiesene Vorlage, mit welcher der Schutz der Biodiversität gestärkt werde.

Mit der Vorlage will der Bundesrat dafür sorgen, dass schweizweit genügend Schutzfläche geschaffen und vernetzt wird, um so ausreichend Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Hierfür seien erhebliche zusätzliche Mittel vorgesehen, wie das Uvek schreibt.

So sollen im Rahmen dieses indirekten Gegenvorschlags zur Biodiversitätsinitiative innerhalb von zehn Jahren zusätzlich knapp eine Milliarde Franken für den Schutz der Biodiversität bereit gestellt werden. Zusätzlich solle im Gesetz verankert werden, dass neu 17 statt wie heute 13,4 Prozent der Landesfläche dem Schutz der Biodiversität dienen.

Initiative geht zu weit

Der Bundesrat hatte die entsprechende Botschaft Anfang März verabschiedet, weil ihm die Initiative zu weit geht. Bei einer Annahme würde sie den Handlungsspielraum von Bund und Kantonen übermässig einschränken, findet er.

Allerdings ist auch für die Landesregierung klar, dass die biologische und landschaftliche Vielfalt besser geschützt und gefördert werden müsse. Die Erhöhung der gesetzlich geschützten Fläche soll in allen Landesteilen und für alle Lebensraumtypen die notwendige Fläche für die biologische Vielfalt sichern.

Die Initiative wurde Anfang September 2020 vom Trägerverein "Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur" hat die Initiative "Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)" eingereicht. Sie will Bund und Kantone dazu verpflichten, die Artenvielfalt, die Landschaft und das baukulturelle Erbe besser zu schützen