Ein so rentables Jahr wie 2020 gab es für Produzenten von Schlachtvieh schon lange nicht mehr. Die QM-Schlachtmuni T3 wurden rund 30 Rappen je Kilo Schlachtgewicht (SG) teurer verkauft als im Vorjahr. Für QM-T3-Rinder lag der Mehrerlös über 30 Rappen, bei den QM-Schlachtkühen T3 lag der Mehrerlös bei deutlich über 50 Rappen und bei den QM-Schlachtkälbern lag der Mehrerlös bei rund 60 Rappen pro Kilo SG. Markus Zemp ist Präsident von Proviande, der Branchenorganisation Fleisch. Er macht exklusiv für die BauernZeitung zum Jahresende 2020 einen Rückblick und wagt einen Ausblick auf das kommende Jahr 2021.

Wie lautet Ihr Weihnachtsmenü als Präsident der Branchenorganisation Proviande?

Markus Zemp: Das Weihnachtsmenü bestimmen unsere Grosskinder Sie haben sich für Kalbs-Cordon-bleu mit Beilagen entschieden. Als Dessert gibt es zum Schluss meine Spezialität – das ist Mousse au Chocolat.

Junge Leute sind vermehrt Vegetarier oder sogar Veganer. Beworben wird plant-based Burger und anderer Fleischersatz. Ist das eine Mode? Oder wird das ein ernstzunehmender Trend?

Die Schulen, Medien und auch unsere Bundesämter wie das Bundesamt für Umwelt und das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen verkünden uns fast täglich, dass wir aus Gesundheits- und Umweltgründen weniger Fleisch essen sollen. Der Fleischkonsum pro Kopf wird wohl, wie übrigens schon seit 1988, weiter zurückgehen. Weil aber die Bevölkerung in der Schweiz wächst, wird man beim Gesamtkonsum den Rückgang nicht so stark spüren. Viele Leute folgen dem Trend nach regionalen, frischen und möglichst wenig verarbeiteten Produkten – und da hat Schweizer Fleisch einen grossen Vorsprung zu den Fleischimitaten.

Essen wir in der Schweiz mit rund 50 Kilogramm je Kopf und Jahr zu wenig, zu viel oder gerade richtig Fleisch?

Das Maximum war 1988 mit über 60 kg. Würde mehr als heute gegessen, müsste man zusätzlich Fleisch importieren.

In den Grafiken des aktuellen Jahres bewegen sich alle Schlachtvieh-Preise auf höherem Niveau als in den Vorjahren und lange Zeit blieben sie stabil. Hatten die Viehbauern jemals ein so gutes Jahr wie 2020?

Ich bin seit 1997 in der Branche tätig und wir hatten seither noch nie so hohe Produzentenpreise beim Rindvieh wie gerade jetzt aktuell. Bei den Kälbern war allerdings zu Beginn der Pandemie, mit der Schliessung der Restaurants, der Preiseinbruch gross. Die Preise für Schweine und Schafe und Lämmer bewegten sich ebenfalls auf einem hohen Niveau. Ich ziehe das Fazit, dass 2020 ist ein gutes Jahr für die Fleischproduzenten war.

Natura-Beef feierte 40 Jahre. Swiss Beef Mittelland feierte sogar 50 Jahre. Das Label Natura-Beef verkauft sich an Leute mit gut gefülltem Portemonnaie. Swiss Beef verkaufen Label- aber auch QM-Qualität im etwas tieferen Segment. Blicken beide Labels in eine gute Zukunft?

Beide Labels decken ideal die unterschiedlichen Ansprüche der Konsumenten ab und werden deshalb auch in Zukunft erfolgreich sein. Das hängt aber auch vom Grenzschutz ab. Würde dieser wegfallen, kämen die Produzentenpreise massiv unter Druck!

Rindfleisch wird nach Rückgängen rund 11 Kilo je Kopf und Jahr gegessen. Haben wir damit den Tiefstand erreicht beim Fleisch?

Den Tiefpunkt hatten wir nach der BSE-Krise, nämlich im Jahr 2001 mit 9,8 kg. Seit 10 Jahren ist der Konsum konstant. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft der Rindfleischkonsum weniger stark unter Druck kommt als der Schweinefleischkonsum.

Die Corona-Pandemie hat zu starken Mehrverkäufen von Molkereiprodukten und Käse geführt. Der Molkerei-Milchpreis stieg 2020 um nahezu drei Rappen und pünktlich zum Neujahr wollen alle Verarbeiter zwei Rappen mehr bezahlen. An den Auktionen ist Milchvieh gesucht. Steigen die Milchviehbestände 2021 wieder an?

Die Fleischbranche ist schon froh, wenn die Bestände nicht noch weiter zurückgehen. Aktuell fehlen uns vor allem Verarbeitungskühe und teilweise auch die Tränker. Wir importieren seit zehn Jahren fast 20 Prozent des Rindfleisches.

Auf dem Markt der Bankkälber ging es 2020 erst runter und dann ging es wieder rauf zum Preis einer Minderproduktion von fünf Prozent. Junge Leute essen wenig oder kein Kalbfleisch. Wird Kalbfleisch zum Luxus der Reichen?

Das Kalbfleisch wird immer teurer sein als das Rindfleisch. Zurzeit hängt der Konsum stark vom Gastrokanal und der Saisonalität ab. Vielleicht sollte man mehr Aktivitäten im Detailhandel anstreben. Für das Marktgleich­gewicht im Segment Rindvieh ist die Kalbfleisch­produktion sehr wichtig. Die Grossviehmast erträgt keine wesentliche Ausdehnung der Produktion mehr, sonst gerät dieser Sektor aus dem Gleichgewicht.

Tierschutzorganisationen riefen mit kleinen Kälbchen in einem Werbefilm zum Veganismus auf. Wie sagen Sie zu dieser Fernsehwerbung?

Die Veganer wollen, dass keine tierischen Produkte mehr gegessen werden und sie arbeiten mit vielen Emotionen. Ich glaube nicht, dass ein wesentlicher Anteil der Konsumenten diesem Trend folgen wird. Die grosse Mehrheit der Konsumentinnen sind Flexitarier. Das heisst, sie essen sowohl vegetarisch als auch Fleisch.

Proviande hat ein Budget von rund 11 Millionen Franken jährlich für die Fleischwerbung. Bewirkt Proviande ­damit Messbares?

Die Wirkungskontrollen zur Marketingkommunikation von Proviande für Schweizer Fleisch zeigen sehr gute Werte. So sehen 67 Prozent unsere Werbung, 76 Prozent spricht sie an, 81 Prozent finden sie sympathisch und 86 Prozent bestätigen, dass sie gut zu Schweizer Fleisch passt.

Der totgesagte Schweinezyklus kommt offenbar wieder in Gang, die Produktion steigt an. Werden die Schweinebauern übermütig nach dem guten Jahr 2020?

Nach zwei guten Jahren muss sofort die Produktion wieder zurückgefahren werden, sonst ­drohen tatsächlich wieder schlechte Preise. Ja, auch das ist der Markt.

Die Schaf- und Lammfleischproduktion ist tief und tiefer. Was läuft hier falsch? Oder ist es schlicht und einfach so, dass die Schafhalter weg­sterben?

Der Rückgang der Schaf- und Lammfleischproduktion hat sich in den letzten zwei Jahren wieder erholt. Heute produzieren wir wieder gleich viel wie vor zehn Jahren. Dabei stellen wir eine gewisse Verlagerung in professionelle Betriebe fest.

Dürfen Viehbauern auf ein gutes 2021 hoffen?

Ja, bei Schafen und beim Rindvieh.