Diverse Akteure haben Ansprüche auf Landflächen, sei es zum Bauen, für die Landwirtschaft oder für Freizeitaktivitäten. Ein ganzer Wissenschaftszweig (die Landschafts-System-Forschung) beschäftigt sich mit derlei Konflikten und möglichen nachhaltigen Lösungen. Einen konkreten Weg in die Zukunft zu finden, ist schwierig, wie sich einmal mehr zeigte.

Drei Tage für die nachhaltige Landnutzung

Während dreier Tage findet an der Universität ein Treffen zum Thema «nachhaltige Landnutzung» statt. Im Vorfeld widmete man sich einen Abend lang der Problematik von Landansprüchen in der Schweiz. Das Ziel war, mit verschiedenen Akteuren neue Forschungsfragen zu formulieren. Zuvor gaben Gäste mit diversem Hintergrund kurze Vorträge zum Thema, unter ihnen auch der scheidende BLW-Direktor.

Die unbekannten Grenzen der Schweiz

Die beiden Wissenschaftler Peter Messerli (Uni Bern) und Adrienne Grêt-Regamey (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich), thematisierten beide den Verbrauch von Land im Ausland. Dabei geht es um Flächen, die in anderen Ländern gebraucht werden, um Produkte oder Dienstleistungen für Schweizer Konsumenten bereitzustellen. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigten, dass 86 Prozent der Landfläche, die für unseren derzeitigen Konsum nötig ist, im Ausland liegen. Besonders Messerli würde daher gerne die «Grenzen der Schweiz neu zeichnen», um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.

Auftritt des BLW-Direktors

Auch Bernard Lehmann, (noch) Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) gab einen kurzen Vortrag zum Thema. Als Beispiel für Landkonflikte wählte er das grosse Moos, wo landwirtschaftliche Übernutzung zu Problemen geführt habe. Ausserdem erläuterte er seine Vorstellungen für die AP 22+. Die neue Agrarpolitik solle den Zielkonflikt zwischen Profit für die Landwirtschaft und jenem für die Bevölkerung in eine win-win-Situation auflösen. Lehmann hofft, dies durch eine Anpassung des ÖLN zu erreichen, wie er anhand einer Graphik verdeutlichte.

Grosse Hoffnung auf die Technik

Eine Vertretung der Wirtschaft war Nick Beglinger, CEO der Stiftung «Cleantech21». Sein Fokus lag auf dem nachhaltigen Einsatz neuer Technologien, von Satelliten über Drohnen und Smartphones bis zu Blockchain. Er versuche jeweils, die Ansatzpunkte mit der grössten Hebelwirkung zu finden. Künstliche Intelligenz solle dabei helfen, die riesigen Datenmengen zu verarbeiten und etwa aus Luftbildern Muster der Übernutzung nicht nur zu erkennen, sondern auch vorherzusehen.

Beglinger fand klare Worte und sagte, um das überlebens-notwendige Ziel von netto Null CO2-Emissionen bis 2050 zu erreichen, müsse es schnell gehen. «Jeder muss dazu das Richtige tun und die vierte industrielle Revolution kann dazu ein Mittel zum Zweck sein.»

«Übersetzen in andere Welten»

Daniel Ziegerer, Direktor Sanu Durabilitas, sieht seine Organisation als Wissensvermittler zwischen Wissenschaft und Praxis (das heisst private Unternehmen). Als Beispiel für die Arbeit der Sanu erläuterte er das Nationale Forschungsprogramm 68 (NFP 68). In diesem Projekt würden Bodenindexpunkte von der Wissenschaft erfasst und so die Verbauung von qualitativ hochwertigen Böden vermieden werden, so der Plan. Um also das Wissen um Böden in die «verschiedenen Welten» zu übersetzen, habe die Sanu in vier Gemeinden Pilot-Projekte gestartet.

Es fehlt an Sozialwissenschaftlern

Im Anschluss sollte die Anwesenden in Gruppen konkrete Forschungsfragen zu erarbeiten. Hier auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, war trotz der eher kleinen Anzahl Teilnehmer schwierig. Einigkeit herrschte darin, dass die soziale Perspektive bisher zu kurz kam. Dies, obwohl die Rolle von Werten in der Landnutzung immer wieder betont wurde. Schliesslich sind Traditionen und die Beziehung einer Person zur Natur entscheidend dafür, was man mit eigener Landfläche anfängt. Wer Ordnung liebt, mag zum englischen Rasen tendieren, während Freunde der Biodiversität etwas Wildwuchs bevorzugen.

Eine praxis-orientierte und konkrete Forschungsfrage zu formulieren, ist und bleibt schwierig. Nichtsdestotrotz ist der Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis entscheidend, damit die Forschung nützliche Ergebnisse liefern kann.

 

Kommentar der Autorin

Wissenschaftler können komplexe Zusammenhänge erfassen und darstellen. Auch wenn ihre Graphiken ohne Erläuterungen oft schwer zu lesen sind, helfen sie doch, das Denken zu strukturieren.

Die grosse Lücke zwischen Wissenschaft und Landwirtschaft entsteht möglicherweise zumindest zum Teil durch die unterschiedlichen Lebenswelten. Landwirte sehen und erleben, was auf ihren Felder passiert. Wissenschaftler erfassen dieselben Vorgänge, aber auf ihre Weise, sprich über Daten und Analysen. Beide Gruppen können und sollen voneinander profitieren können, denn das Problem (oder die Lösung) «nachhaltige Landnutzung» betrifft alle. Werte spielen eine Rolle für alle Akteure, für Bauern, Wissenschaftler und Konsumenten. Mit gemeinsamen Werten ist die Zusammenarbeit einfacher und fruchtbarer. Ein Beispiel dazu wäre die Biodiversität: Forscher haben den Wert der Vielfalt erkannt, Bauern haben ihn verstanden und setzen das Wissen in die Praxis um. Konsumenten sind sensibilisiert und unterstützen entsprechende Anbauweisen (Labels). Wirtschaftliche Anreize wie Dierktzahlungen können steuernd helfen, aber es arbeitet sich besser, wenn man die Zusammenhänge versteht und einen Sinn in seinem Tun sieht. Hier kann die Wissenschaft nützlich sein.