Der bereits gut befrachtete Kalender mit Volksinitiativen in Landwirtschaftssachen erhält Zuwachs. Die SVP, genauer gesagt Nationalrat Marcel Dettling und Nationalrätin Esther Friedli wollen ein neues Volksbegehren lancieren. Dieses wird laut Aussagen der beiden im «Blick» einen Netto-Selbstversorgungsgrad von mindestens 60 Prozent verlangen. Das sind rund 10 Prozent mehr als heute.

«Es braucht Anbauflächen statt Steinhaufen»

Laut dem Artikel des Boulevardblatts soll noch dieses Jahr oder spätestens Anfang 2023 mit der Unterschriftensammlung begonnen werden. Ein Textentwurf liege bereits vor. Auslöser der Pläne ist die aktuelle Entwicklung. Parallel zu den globalen Versorgungsengpässen verschärft der Bundesrat die Agrarpolitik unter anderem mit den geforderten 3,5 % BFF auf der Ackerfläche.

«Es braucht mehr Anbauflächen statt Brachflächen, Buntwiesen und Steinhaufen», lässt sich Esther Friedli im Artikel zitieren. Ökoflächen habe es mehr als genug. Gleichzeitig wollen die beiden künftigen Initianten auch die Viehwirtschaft stärken. Die Tiere seien wichtig, um der Vergandung vorzubeugen und dienten dem Tourismus.

Schon vor 10 Jahren wollte die SVP das Gleiche

Die Pläne von Dettling und Friedli wecken Erinnerungen: Schon vor rund 10 Jahren hatte eine Gruppe von SVP-Vertretern rund um den Berner Nationalrat Rudolf Joder eine Initiative in Vorbereitung. Diese enthielt wie die jetzige eine klare Zahl für den minimalen Selbstversorgungsgrad. Irrtum vorbehalten waren es ebenfalls 60 Prozent.

Diese Pläne riefen den Schweizer Bauernverband (SBV) auf den Plan. Er einigte sich mit den Initianten auf eine Alternativ-Initiative, die später unter dem Namen Ernährungssicherheits-Initiative segelte. Ein Gegenvorschlag zum Volksbegehren gelangte schliesslich (ohne fixen Prozentsatz für die Selbstversorgung) in die Volksabstimmung und wurde 2017 mit einer grossen Ja-Mehrheit (78,7 Prozent) gutgeheissen.

SBV will das Gespräch mit der SVP suchen

Was das aktuelle Initiativ-Projekt der SVP angeht, scheint es für den SBV erneut ziemlich überraschend zu kommen. Er habe davon vor der Publikation im «Blick» noch nie gehört, sagt Präsident Markus Ritter auf Anfrage der BauernZeitung. Man werde aber das Gespräch suchen, «damit der Wortlaut der Initiative auch von uns mitgetragen werden könnte“, so Ritter im untenstehenden Interview. Eine eigene Initiative des SBV sei aber im Moment kein Thema.

«Wir wurden weder konsultiert noch vorgängig informiert»
Markus Ritter zu den Initiativ-Plänen der SVP

Was halten Sie von der neuen Initiatividee der SVP?
Markus Ritter: Die angedachte Initiative spricht ein wichtiges Anliegen an. Krisen, wie jene infolge von Corona oder der immer noch andauernde Krieg im wichtigen Exportland Ukraine zeigen, dass die ausreichende Ernährung aller Menschen mit Essen zu den grossen Herausforderung der Zukunft gehören. Hier steht die Schweiz in der Pflicht, den ihr möglichen Beitrag zu leisten. Klar ist, dass ein höherer Selbstversorgungsgrad möglich ist, ohne die heutigen Errungenschaften bei der Ökologie in Frage zu stellen. Das bestätigte auch der damalige Bundesrat Schneider Ammann während der Debatte zur Ernährungssicherheitsinitiative. Allein schon die Verringerung des Foodwaste hätte einen grossen Effekt. Eine Diskussion zum Selbstversorgungsgrad, respektive zur Bedeutung, die wir der Lebensmittelproduktion geben, ist auch deshalb wichtig, weil unsere Regierung zurzeit diese Hauptaufgabe der Landwirtschaft etwas aus den Augen verloren hat. Mit den 3.5% zusätzlichen Ökoflächen auf dem besten Ackerland und überrissenen Stickstoffreduktionszielen hat der Bundesrat eindeutig über das Ziel hinausgeschossen. Das Parlament hat es deshalb bereits in der kommenden Session in der Hand hier zu korrigieren. Entsprechende Vorstösse sind traktandiert. Neben dem Selbstversorgungsgrad müssen wir aber darauf achten, dass wir eine marktkonforme Vielfalt der Schweizer Lebensmittelproduktion erhalten oder gar fördern können.

Haben Marcel Dettling oder Esther Friedli vorgängig das Gespräch mit dem SBV gesucht?
Nein, wir wurden weder konsultiert noch vorgängig informiert.

Vor 10 Jahren hatte eine Gruppe um SVP-Nationalrat Rudolf Joder eine ähnliche Initiatividee präsentiert, damals gelang es dem SBV mit einer eigenen Initiative zu kontern, wie wollen Sie diesmal vorgehen?
Wir werden mit der SVP das Gespräch suchen, damit der Wortlaut der Initiative auch von uns mitgetragen werden könnte. Bis jetzt konnten wir den Initiativtext noch nicht einsehen. Wir werden aber nicht versuchen, die SVP von der Idee einer Initiative abzubringen und auch eine eigene Initiative ist zurzeit kein Thema.