Angesichts der bestehenden Probleme wolle man mehr Wolfsabschüsse erleichtern, erklärt der Bundesrat in einer Mitteilung. Tatsächlich enthält die Jagdverordnung, die für den beginnenden Alpsommer 2023 massgebend ist, einige Lockerungen im Schutz von Grossraubtieren. Und auch im Vergleich zur Vorlage, die im letzten Winter in die Vernehmlassung gegangen ist, macht der Bundesrat einige Zugeständnisse für jene, die unter Wolfspräsenz und -schäden leiden.
Die Schadschwellen sinken
Bei der der Bedingungen für die Bewilligung eines Abschusses unterscheidet die Verordnung zwischen Rudeln und Einzeltieren.
Rudel:
- Generell werden zur Regulierung Jungtiere geschossen, wobei sich die maximale Anzahl nach der Wurfgrösse im betreffenden Jahr richtet.
- Besonders schadensstiftende Elterntiere, die für mindestens zwei Drittel des Schadens bis zur Schadschwelle verantwortlich sind, dürfen von November bis Januar erlegt werden.
- Für eine Regulierung müssen im Streifgebiet eines Rudels innerhalb von 4 Monaten mindestens 8 Nutztiere (vormals 10) von Wölfen getötet werden oder aber ein Rind, Pferd oder Neuweltkamelide, ebenfalls getötet oder schwer verletzt (vormals sollten 2 Vorfälle mit diesen Tierkategorien für einen Abschuss vorausgesetzt werden).
- Eine Gefährdung von Menschen gilt als Abschussgrund, wenn Rudelwölfe aus eigenem Antrieb (nicht angelockt durch z. B. durch unsachgemässe Abfallentsorgung oder auf Miststöcken entsorgte Nachgeburten) in Siedlungsnähe auftauchen und entweder wenig scheu oder aggressiv sind.
- Droht eine schwere oder unmittelbare Gefahr für Menschen durch einen Rudelwolf, können die Kantone auch ohne Zustimmung des Bundesamts für Umwelt einen Abschuss verfügen.
Einzelwölfe:
- Hier gelten 6 getötete Nutztiere (vormals 8) innerhalb von 4 Monaten als Schadschwelle, sofern in der Region bereits zuvor Schäden durch Wölfe zu verzeichnen waren.
- Sind Rinder, Pferde oder Neuweltkameliden betroffen, reicht ein getötetes oder schwer verletztes Tier als Abschussgrund (vormals brauchte es 2 Risse).
Nicht umsetzbar?
Der Bund leistet gemäss neuer Jagdverordnung Entschädigungen für Nutztiere, die zum Zeitpunkt des Risses korrekt in der TVD registriert sind und der Kanton übernimmt wie gehabt die Restkosten. Es wird für einen korrekten TVD-Eintrag vorausgesetzt, dass der Wechsel in die Sömmerungshaltung rechtzeitig erfolgt.
An der Umsetzung dieses Verordnungsartikels zweifelten in der Vernehmlassung mehrere Kantone. Neuweltkameliden seien nicht in der TVD erfasst und vermisste Tiere könnten nicht gemeldet werden, so die Argumentation. Hinzukomme die Gänsegeier-Problematik. Gänse- und präventiv auch Mönchsgeier müssten nach Meinung des Kantons Graubünden zu den Wildtieren gezählt werden, für deren Schäden der Bund Abgeltung leistet.
Es fehlt an Personal
Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb mehrere Kantone Sorgen haben im Hinblick auf die Umsetzung der neuen Jagdverordnung: Im Vollzug steige der Druck bei gleichzeitig knappen und bereits stark beanspruchten personellen Ressourcen. Der Bund müsse sich daher dringend finanziell beteiligen, «sonst scheitert der politische Wille an finanzpolitischen Realitäten».
Und das neue Jagdgesetz?
Die Jagdverordnung, die am 1. Juli 2023 gültig wird und damit massgebend ist für den beginnenden Alpsommer, ist eine Übergangslösung. Denn noch muss der Bundesrat ausarbeiten, wie die Ende 2022 vom Parlament beschlossenen Neuerungen im Jagdgesetz dereinst umgesetzt werden sollen – nachdem klar ist, dass es kein Referendum gegen die Vorlage geben wird.