Geht es nach der Mehrheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N), dürfte der Nationalrat nachziehen und die Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) sistieren. Die WAK-N beantragt mit 14 zu 11 Stimmen, sich dem Ständerat anzuschliessen.

Bundesrat soll berichten

Die Diskussion über die künftige Ausrichtung der Agrarpolitik soll erst dann fortgesetzt werden, wenn der Bundesrat einen neuen Bericht dazu vorgelegt hat. Ergänzend zum Ständerat will die Mehrheit der WAK-N auch Auskunft über Fördermöglichkeiten für den Direktverkauf und über Massnahmen gegen das Verschwenden von Lebensmitteln.

Diverse Kritikpunkte

Die AP 22+, mit der der Bundesrat die Landwirtschaft ökologischer ausrichten will, dürfte somit Jahre später umgesetzt werden als geplant. In der Antwort auf das Postulat des Ständerats schätzte der Bundesrat, dass es Anfang 2025 werden könnte, bis die neuen Bestimmungen in Kraft gesetzt werden.

Die Mehrheit der WAK-N kritisiert, dass mit der AP 22+ der Selbstversorgungsgrad sinken würde, was dem in der Verfassung verankerten Ziel widerspreche. Zudem würde das Einkommen des landwirtschaftlichen Sektors sinken, wertvolles Kulturland ginge verloren, Importe würden zunehmen und die administrative Belastung für die Landwirtinnen und Landwirte würde wachsen.

Minderheit will Debatte führen

Eine Minderheit der WAK-N will die AP 22+ behandeln. In den Augen dieser Vertreterinnen und Vertreter von SP, Grünen, GLP und FDP wäre die Sistierung eine «verpasste Chance». Die Vorlage sei eine gute Basis, um die nötige und wichtige Debatte über die Ausrichtung der Agrarpolitik jetzt zu führen. Die Diskussion zu verweigern, biete der Landwirtschaft keine Perspektiven, kritisieren die Gegner der Sistierung weiter. Die Verzögerung schade vielmehr dem ganzen Sektor.

Ist die Sistierung der AP 22+ eine Blockade auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Und wie lange dauert es, bis diese trotzdem kommt? Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands nimmt im Interview Stellung.

«Das ist nicht seriös»

Auch Landwirtschaftsminister Guy Parmelin hatte sich im Ständerat vehement gewehrt gegen die Sistierung. Die Reform sei seit mehreren Jahren in Arbeit, nach Konsultationen seien Anpassungen vorgenommen worden. «Und jetzt plötzlich finden Sie, man müsse wieder bei null beginnen. Das ist nicht seriös.»

Der Bundesrat will mit der AP 22+ unter anderem die Auflagen für Direktzahlungen erhöhen. Auch beim Tierwohl, der Betriebsentwicklung und der Wertschöpfung am Markt will er ansetzen. Mit Bestimmungen zu Pestiziden und Nährstoffverlusten will er auch Anliegen der populären Trinkwasser- und der Pestizidverbots-Initiative aufnehmen. Mehr zu den in der AP 22+ geplanten Produktionssystem-Beiträgen lesen Sie hier. 

Vorschriften, die die Risiken im Umgang mit Pestiziden vermindern sollen, und dies namentlich für das Trinkwasser, berät das Parlament allerdings bereits. Die Initiative zu dieser Vorlage ergriffen hat die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S). Mehr über den Absenkpfad Pestizide erfahren Sie hier. 

Elemente aufgenommen

Sie hat darin Elemente aus der AP22+ aufgenommen. Mit schärferen Vorschriften für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und einem Absenkpfad für Nährstoffverluste wollte auch sie den beiden Initiativen etwas entgegensetzen. Für die WAK-N ist deshalb in dieser Hinsicht die Behandlung der AP 22+ nicht dringend.

Die AP 22+ soll für auf Bauernbetrieben mitarbeitende Ehefrauen und -männern eine bessere soziale Absicherung bringen. Der Bundesrat hat bei diesem Punkt allerdings einer allfälligen Sistierung bereits vorgegriffen: Wird die Agrarvorlage auf Eis gelegt, will er eine separate Vorlage ausarbeiten.

Debatte über Direktzahlungen

Debattieren will die WAK-N allerdings den finanziellen Zahlungsrahmen für die Landwirtschaft für 2022 bis 2025. Sie will sich dem Ständerat anschliessen, mit Rücksicht auf das Budget aber geringe Korrekturen anbringen. Eine Minderheit beantragt, den Zahlungsrahmen statt für vier Jahre lediglich für 2022 und 2023 zu bewilligen.

Gemäss dem Ständerat stehen in den kommenden vier Jahren für Direktzahlungen insgesamt knapp 14 Milliarden Franken zur Verfügung. Der Ständerat hat gegenüber dem Bundesrat den Rahmen in der Summe etwas erweitert.