Der Endwirt von Neospora caninum sind Hunde und andere Fleischfresser: Sie infizieren sich durch den Verzehr von rohem befallenem Fleisch mit dem Parasiten und scheiden dessen Eier mit ihrem Kot aus. Kühe und andere Wiederkäuer dienen Neospora caninum als Zwischenwirte. Infizierte Tiere tragen den Parasiten lebenslang in sich und geben ihn an ihre Nachkommen weiter. Häufig aber kommt es während der Trächtigkeit zu Aborten oder zu Totgeburten.

Herr Hässig, können Sie bestätigen, dass bis zu 29 Prozent der Aborte bei Rindern durch Neospora verursacht werden?

Michael Hässig: Neospora caninum, ein einzelliger Parasit, ist mittlerweile noch der einzige infektiöse Erreger, der in der Schweiz weit verbreitet ist und Aborte verursacht, nachdem das BVD-Virus nach staatlicher Intervention fast ausgerottet ist. Die 29 Prozent sind durchaus realistisch.

 

Was tun zur Prävention?

Für Landwirte:

  • Die Kontamination von Wasser und Futter mit Hundekot vermeiden.
  • Nachgeburten, abortierte Föten oder Totgeburten fachgerecht in einer Tiersammelstelle entsorgen.
  • Keinesfalls rohes, potenziell befallenes Fleisch an den Hofhund verfüttern.
  • Darauf achten, dass sich auch der Hofhund nicht auf dem Kulturland versäubert.
  • Befallene Tiere rechtzeitig schlachten.

Für Hundehalter:

Wie stecken sich Rinder und Kühe an?

Die vertikale Infektion, also die Übertragung von der Kuh auf das Kalb während der Trächtigkeit, macht etwa 80 Prozent aus. Auch wenn der Erreger «caninum» heisst, gehen wir davon aus, dass die Verbreitung auch allgemein durch Carnivoren, also Fleischfresser, verursacht werden kann. Wir wissen aber noch nicht mit Sicherheit, ob nun der Fuchs, der Wolf oder der Marder ebenfalls in Frage kommen. Interessant ist, dass eventuell auch Spatzen oder Schwalben die Nachgeburten fressen, und dann das Kuhfutter durch ihren Kot kontaminieren. Da der Hund ein intermittierender Ausscheider ist (er überträgt Neospora manchmal, und manchmal nicht), ist es sehr schwer, ihn als Überträger dingfest zu machen. Wir konnten aber in einer Studie zeigen, dass das Abortrisiko aufgrund von Neospora grösser ist, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb an einem Ort gelegen ist, an dem viele Hundehalter mit ihren Hunden spazieren gehen.

Stellen demnach hoffremde Hunde eine grössere Infektionsgefahr dar als der eigene Hofhund?

Nein, das würde ich nicht sagen.

Könnte das Infektionsrisiko minimiert werden, wenn Hundehalter ihre Hunde regelmässig entwurmen würden?

Nein. Neospora caninum lässt sich nicht mit normalen Entwurmungsmitteln bekämpfen, weil es kein Wurm, sondern ein Einzeller ist, so ähnlich wie Malaria.

Wie kann eine Infektion nachgewiesen werden?

Beim Hund ist das schwer nachzuweisen, eben weil er ein intermittierender Ausscheider ist. Sollte der Hund also negativ getestet worden sein, heisst das nicht, dass er nicht vielleicht vor einem Monat eine Kuh angesteckt hat. Man hat beim Hund immer nur eine Momentaufnahme. Wenn ein Bluttest bei der Kuh positiv ist, dann ist das Tier aller Wahrscheinlichkeit nach aktiv mit Neospora infiziert. Das ist anders als bei einer Virusinfektion: In diesem Fall setzt sich das Immunsystem mit dem Virus auseinander und entwickelt passende Antikörper, die das Virus bekämpfen. Sobald also Antikörper vorhanden sind, bedeutet das in der Regel, dass das Virus eliminiert ist. Bei Parasiten ist das genau anders herum: Der Parasit ist im Körper vorhanden und reizt das Immunsystem permanent. Das heisst, das Immunsystem produziert fortlaufend Antikörper. Ist der Test bei einer Kuh also positiv, und Antikörper gegen Neospora sind nachgewiesen, ist das Tier mit grosser Wahrscheinlichkeit aktiv mit Neospora infiziert. Der Parasit hat die Fähigkeit, eine bindegewebsartige Struktur, eine sogenannte Zyste, um sich herum zu bilden, die ihn vor den Antikörpern schützt. So überlebt er im Wirt.

Was würden Sie dem Landwirt raten, wenn er ein infiziertes Tier hat?

Wenn Neospora bei einem Abort nachgewiesen wurde, dann sollte man die Rinder und Kühe aufgrund der vertikalen Über-tragung in auf- und absteigender Linie untersuchen. Ebenfalls sollte man jene Tiere auf Anti-körper untersuchen, die schon einmal verworfen, oder Fruchtbarkeitsprobleme haben. Die Tiere, die sich über die vertikale Übertragung angesteckt haben, sind nicht infektiös für die anderen Kühe, müssen also nicht sofort eliminiert werden. Aber weil das Risiko zu verwerfen bei diesen Kühen etwa zwei- bis dreifach so hoch ist, sind sie oft wirtschaftlich nicht mehr interessant. Ich würde dazu raten, infizierte Tiere nicht mehr zu belegen, sondern sie abzumelken und nach dem Trockenstellen zum Metzger zu geben. Natürlich wäre es am besten, wenn man alle Tiere auf Neospora untersuchen würde. Weil man aber mit 35 Franken pro Test rechnet, muss der Schaden schon gewaltig sein, damit sich die Tests wirklich lohnen.

 

Zur Person

Der Veterinärwissenschaftler Michael Hässig leitet das Diagnostikzentrum für Nutztiere an der Vetsuisse-Fakultät der Universitäten Bern und ­Zürich.