Entspannt blickt Jasmin Rösch über den Hof. Das war nicht immer so. «Es war eine schwierige Zeit», erinnert sich die 33-Jährige an die Betriebsübernahme im Jahr 2021. «Ich hatte hohe Ziele und das hat mich überfordert. Ich brach unter dem Druck zusammen und hatte eine heftige depressive Episode.»

AboAuf die eigenen Bedürfnisse zu hören und die Paarbeziehung zu stärken, hilft bei psychischen Krankheiten und Problemen.Psychosoziale BeratungAuf dem Hof auch in Menschen investierenMontag, 14. August 2023 Jasmin Rösch bekam mit 18 Jahren die Diagnose wiederkehrende Depression, ADHS und Borderline-Persönlichkeitsstörung. «Zum Glück hatte ich mir über die Jahre bereits ein Auffangnetz aufgebaut, als wir den Betrieb übernahmen», sagt sie.

Schleichender Bruch

Der Bruch begann schleichend: Da waren die 15-Stunden-Arbeitstage und eine enorme Menge an Aufgaben. Dazu Finanzthemen und Wetterkapriolen wie Hagel. «Ich merkte, dass ich schon beim Aufstehen extrem müde war, und kam am Morgen nicht mehr aus dem Bett. Ich fühlte mich leer und hilflos.» Dabei hatte sie sich so gefreut auf die Hofübernahme. «Ich habe es romantisiert, obwohl mich mein Mann und mein Schwiegervater gewarnt haben.»

Jasmin Rösch und ihr Mann bewirtschaften den Bauernhof Wyssrüti in Oberkirch LU nach dem Prinzip der regenerativen Landwirtschaft. Fabian Rösch hat einen 100-Prozent-Job als Bauführer bei einem Gartenbauer, seine Frau ist Vollzeit auf dem Landwirtschaftsbetrieb tätig. Im Vorfrühling wurde die Betriebsleiterin in der BauernZeitung porträtiert. Über ihre Erkrankung mochte sie damals noch nicht öffentlich sprechen.

Offen darüber reden

AboAnalysePsychische Störungen: Schwäche zeigen ist starkMontag, 14. August 2023 Das hat sich geändert. «Es braucht Leute, die offen darüber reden. Es ist noch in vielen Köpfen, dass Bäuerinnen und Bauern immer arbeiten», sagt sie. Daher betreibt Jasmin Rösch seit einigen Monaten den Instagram-Account «Weder Chrut no Chabis» und sprach in der SRF-Sendung «Impact» über ihre Erkrankungen.

Im Account «Weder Chrut no Chabis» beschreibt sie unter anderem anhand von konkreten Erlebnissen, wie es für sie ist, mit ihren Erkrankungen einen Hof zu bewirtschaften. Zum Beispiel: «Einen Bauernhof führen mit ADHS ist …

… «das Telefon irgendwo in einer Wiese vor den Schweinezäunen liegen zu lassen. Mit dem zweiten Telefon das erste suchen. Wütend auf mich selbst werden.»

… «wenn mein Mann mir eine Aufgabe aufgibt und ich zwei Minuten später nicht weiss, was ich tun soll.»

… «wenn ich Dinge nicht sofort aufschreibe, vergesse ich sie garantiert.»

… «wenn ich total überfordert bin, weil ich so viel Arbeit sehe, und darum aus purer Verzweiflung und Überforderung auf dem Sofa sitzen bleibe.»

Abwertende Reaktionen

Als sie erstmals über ihre Erkrankungen sprach, bekam Jasmin Rösch in ihrem landwirtschaftlichen Umfeld unterschiedliche Reaktionen. Einige Leute waren offen oder erzählten auch von eigenen Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen.

Andere reagierten schroff. Es fielen abwertende Sätze wie, «das hat doch jeder einmal in seinem Leben, ist doch nicht so schlimm» oder «die Landwirtschaft ist nichts für zarte Pflänzchen». Die prägendste Aussage war für sie: «Da muss man einfach durch, man hat gar keine andere Möglichkeit». «Ich fühlte mich verunsichert», erinnert sich Jasmin Rösch. «War ich zu schwach und für die Landwirtschaft nicht geschaffen?»

Achtsamkein lernen

Jasmin Rösch hat gelernt, gut auf sich aufzupassen. Sie achtet bewusster auf erste Symptome wie etwa Schlaflosigkeit, Übellaunigkeit oder wenn sie das Gefühl hat, alle seien gegen sie. Und sie weiss, was ihr in Krisen hilft: sich rausnehmen. Alles weglassen, was nicht relevant ist. Pausieren, einen Ausflug unternehmen. Meditieren und bewährte Achtsamkeitsübungen machen. «Ich habe zudem ein starkes Auffangnetz. Es gibt Leute, die übernehmen können.»

Doch man müsse sich trauen, um Hilfe zu bitten. Das braucht vor allem beim ersten Mal viel Überwindung. «Wenn das in der Familie nicht vorgelebt wird, hat man kaum eine Chance, was leider viel zu oft noch der Fall ist.»

Der Instagram-Account ist für Jasmin Rösch ein Herzensprojekt, auch wenn sie sich damit angreifbar macht. Ihr Ziel ist Aufklärung, anderen Menschen Mut zu machen, die selbst mit psychischen Erkrankungen kämpfen. Sie möchte auch der Stigmatisierung entgegenwirken, die psychischen Erkrankungen noch immer anhaftet. «Der Account soll zeigen, wie ich die Landwirtschaft erlebe, jenseits der Romantisierung.»

Weitere Informationen: Instagram, weder.chrut.no.chabis