Die Sonne hat das Holz des alten Bauernhauses dunkel gefärbt. «1766» steht unter anderem in gotischer Schrift an der Fassade des Gebäudes. Der integrierte Stall beherbergt allerdings schon lange keine Kühe mehr. Hier stellt Björn Zryd seine zeitgenössischen Bilder und Skulpturen aus.

Björn Zryd lebt seit 53 Jahren hier, im Gilbach, einem Seitental ausserhalb von Adelboden BE. Seit 1994 wohnt er mit seiner Familie im Haus seiner Grosseltern, die einen Landwirtschaftsbetrieb führten. «Ich habe nie gern auf dem Hof geholfen», erinnert sich der 60-Jährige. «Aber mein Grossvater hat mit mir Kühe geschnitzt, das machte mir Freude. Die habe ich dann in den Sommerferien an Touristen verkauft, um mein Sackgeld aufzubessern.»

Zurück in die Heimat

Die Freude am Schnitzen blieb und daher absolvierte Björn Zryd später die Holzbildhauerschule in Brienz. Nach Wanderjahren in England und Deutschland kam er Mitte der 1980er-Jahre nach Adelboden zurück. «Doch es gab zu wenig Arbeit, um vom Holzschnitzen allein leben zu können.» Bei seinem Vater, der ein kleines Baugeschäft führte, machte er eine Zweitausbildung als Pflästerer und arbeitete jeweils drei bis vier Monate auf dem Bau.

Einige Jahre später heiratete Björn Zryd seine grosse Liebe Pia und das Paar bekam die drei Söhne Miro (29), Che (27) und Rui (23). Der Adelbodner wollte sich nun ganz als Kunsthandwerker selbstständig machen, was mit Familie gar nicht so einfach war. «Also überlegte ich mir: Wie will ich überleben?»

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Breit aufgestellt

Björn Zryds Strategie hiess: Vielseitig werden. Er lernte Steinhauen, gestaltete Grabsteine, übte sich im Schweissen. Da er schon immer gern und viel gezeichnet und gemalt hatte, kreierte er auf Anfrage zudem Printprodukte wie Weinetiketten oder Flyer. «Ich habe meine Fähigkeiten angeboten und so sind wir über die Runden gekommen. Oft behauptete ich, ‹das geht›, auch wenn ich selbst noch üben musste.»[IMG 3]

Doch wie kam es, dass die Kuh eines seiner Lieblingssujets wurde? «Kühe haben für mich eine besondere Bedeutung», erzählt der Künstler. Vor rund 25 Jahren war er neben seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit im Dorf sehr engagiert, etwa in der Baukommission und in verschiedenen Vereinen. «Bis mir alles etwas über den Kopf gewachsen ist. Mir fehlte die Zeit für meine Arbeit, das war das Schlimmste.» In jener Zeit sah er vor dem Fenster seiner Werkstatt Kühe auf einer Weide. «So etwas wie unseren Stress kennen die nicht. Sie sind zufrieden, wenn sie fressen, wiederkäuen und schlafen können. Kühe konzentrieren sich auf das Wesentliche in ihrem Leben.»

Kühe als Vorbild

Björn Zryd nahm sich die Kühe auf der Weide zum Vorbild. Nach und nach zog er sich von allen Engagements zurück – und malte ein erstes, farbenfrohes Bild einer Kuh. Das gefiel einem befreundeten Beizer so gut, dass er es in seinem Lokal aufhängte, was auch bei den Gästen gut ankam. Sie wollten wissen, wo sie Bilder des Künstlers kaufen konnten. «Das war der Anfang der Björn-Kuh», erklärt Björn Zryd mit einem Schmunzeln. Er konzentrierte sich fortan vor allem auf die Malerei und die Holzskulpturen und gewann dadurch zeitliche Flexibilität.

Als seine Frau Pia, gelernte Hotelfachfrau und leidenschaftliche Gastronomin, gemeinsam mit einer Freundin ein Restaurant übernahm, teilte sich das Paar die Kinderbetreuung. Pia Zryd war bis 15.30 Uhr für die drei Söhne zuständig, er am Abend.

Björn Zryd malt bis heute Kühe. «Das sind so liebe Tiere und gleichzeitig so stark. Ich komme von den Kühen nicht los.» Er arbeitet nun seit rund 35 Jahren als selbstständiger Künstler und kümmert sich auch selbst um die Vermarktung. Er lernte, an Ausstellungen und mit Kaufinteressierten über sich und seine Arbeit zu sprechen, auch wenn ihn das am Anfang nervös machte. Seine Kunden sind oft Feriengäste, denen sein Malstil gefällt. Dieser wird als «Spontanrealismus» bezeichnet: Gegenständliche Malerei mit starken, oft ungewöhnlichen Farben und abstrakten Elementen.

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Ohne Ausreden

Neben Kühen sind auch Geissen ein wiederkehrendes Sujet auf den Bildern – und das hat mit Björn Zryds Grossmutter zu tun. Die Bäuerin band ihre Geissen, wie damals üblich, an einem Holzpflock an. Doch immer mal wieder riss sich eine los und frass sich genüsslich durch den Blumengarten. «Eine Geiss macht, was sie will, ohne Kompromisse und Ausreden», sagt ihr Enkel. «Mir gefällt diese ehrliche Art.»

Sujetsuche auf Alpweiden

Für seine Sujets ist Björn Zryd viel in den Adelbodner Bergen unterwegs und fotografiert. Ein schwarz-weisser A4-Ausdruck eines Fotos ist dann jeweils die Basis für das Gemälde.

Beim Malen beginnt er mit dem Hintergrund: feine Lasuren, die sich Schicht um Schicht überlagern. «Ich arbeite gern mit möglichst grossen Pinseln. Ich mag das Skizzenhafte. Lebendigkeit ist mir wichtig.» Dann erst beginnt er zu zeichnen, wobei er viel Wert auf Details legt wie etwa Ohrhaare oder Glockenriemen.

Neben dem Ausstellungsraum im alten Kuhstall hat Björn Zryd seit zwei Jahren eine eigene Galerie im Dorf, in der er neben seinen gegenständlichen Bildern auch abstrakte Holzskulpturen ausstellt. Er ist nach wie vor sehr mit Adelboden verbunden, vor allem aber mit dem Gilbach. «Hier höre ich nichts ausser Kuhglocken und dem Plätschern des Wassers im Brunnen. Das ist für mich Frieden pur. Ich bin ein extremer Heimatmensch.»

Kürzlich erschien im Weber-Verlag ein Bildband mit vielen Werken von Björn Zryd. Der Titel: «Zeitgenössische Heimatgeschichten». Für den Künstler ein stimmiger Titel. «Ich mache zeitgenössische Kunst und erzähle dabei von meiner Heimat.»

Weitere Informationen: www.bjoernzryd.ch

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