Frage: Ich (63) und mein Mann (64) haben vier Kinder. Alle haben einen Beruf gelernt und stehen auf eigenen Beinen. Der älteste Sohn übernimmt 2025 mit seiner Frau den Hof. Wir haben für 800'000 Franken eine Eigentumswohnung im Dorf gekauft. Der Betriebsberater hat den Verkaufspreis des Hofes zum Ertragswert errechnet. Inklusiv Inventar kommt er auf 900'000 Franken. Wir können gerade knapp die Eigentumswohnung finanzieren. Der älteste Sohn kauft den Hof so günstig und die anderen Geschwister gehen leer aus. Ist das fair?

Antwort: Sie sprechen ein heisses Thema an. Trotzdem gebe ich Ihnen meine Version der Antwort gleich am Anfang. Ja, es ist fair. Selbstverständlich versuche ich, anschliessend auch entsprechende Erklärungen zu liefern.

Der Handel

DossierCornel Rimle beantwortet Fragen aus dem Lebensalltag von Bäuerinnen und Bauern (Bild: Cornel Rimle)Aus der BeratungspraxisMittwoch, 17. März 2021 Ich gratuliere, Sie haben Strukturen geschaffen, die eine gute Übergabe ermöglichen. Durch die Distanz vom Hof können Sie ein neues Leben beginnen. Sie können mit der Übernehmergeneration eine neue Zusammenarbeit nach Lust und Freude definieren. Sie haben auch die Möglichkeit, sich ganz von der Mitarbeit zu verabschieden.

Die Übernehmer zahlen mit dem Ertragswert einen fairen Preis, der es ihnen ermöglicht, mit normaler Arbeit ein vernünftiges Einkommen zu erwirtschaften. Der Hofkauf zu diesem Preis ist kein vorzeitiger Erbbezug, sondern ein stimmiger Handel innerhalb der Familie. Falls durch späteren Landverkauf oder Ähnliches ein übermässiger Gewinn entsteht, haben die Geschwister ein Gewinnanspruchsrecht.

Und Sie haben gut gewirtschaftet und eine stimmige Altersvorsorge betrieben. Vielleicht leben Sie noch 30 Jahre und werden noch einiges an Geld brauchen. Sie dürfen sich mit gutem Gewissen überlegen, wie Sie das wohlverdiente Geld aus dem langen Arbeitsleben sinnvoll selber verbrauchen wollen. Vererbt wird erst, nachdem Sie beide gestorben sind. Bis dahin ist es Ihr wohlverdienter Lohn und steht voll und ganz zu Ihrer Verfügung.

Die Sicht der Geschwister

Auf den ersten Blick ist es für die Geschwister nicht ganz einfach. Der Bruder übernimmt für weniger als eine Million den ganzen Hof und sie können sich vielleicht bei den heutigen Bodenpreisen in der Bauzone kein Eigenheim leisten. Das ist bitter, aber liegt nicht in der Verantwortung des Hofübernehmers. Jeder Beruf hat Vor- und Nachteile.

Zugegeben, vor zwei bis drei Generationen war der Hofnachfolger gegenüber den Geschwistern bevorteilt. Damals haben aber die Geschwister teilweise keinen Beruf erlernen dürfen und sind teilweise als Knechte oder Mägde weitergezogen. Dies ist heute klar anders – auch in Ihrer Familie.

Die Geschwister haben alle ihren Wunschberuf erlernen dürfen und haben eine gute Basis für ein gelingendes Berufsleben. Heute ist es sogar so, dass die Geschwister meist mit weniger Arbeitsstunden mehr verdienen als der Hofübernehmer. Die Geschichte, «den Geschwistern zusätzlich noch etwas zahlen zu müssen», ist also endgültig ein alter Zopf.

Ich höre manchmal, dass die Geschwister auch das Elternhaus verlieren. Wer sagt denn, dass sie zwingend ihr Elternhaus ganz verlieren müssen? Es liegt an den Geschwistern, wie sie den Kontakt weiterpflegen. Vielleicht sind alle froh, wenn man sich dort besuchen kann. Vielleicht eignen sich die Räumlichkeiten für Familienfeste. Reden Sie darüber, dann geht Ihre ganze Familie gestärkt aus dieser Hofübergabe heraus.

Fazit: Der Hofverkauf ist ein Handel zwischen den Eltern und dem Hofnachfolger zu einem stimmigen Preis. Der Erlös ist der wohlverdiente Lohn der Eltern, den sie verbrauchen dürfen. Erst wenn am Ende ihres Lebens noch etwas übrig bleibt, kann man von Erbgeld reden.

Weitere Informationen: www.cornelrimle.ch