«Meine Handarbeitslehrerin hat mich in der Schulzeit genötigt, bis sie keine Nerven mehr hatte», erinnert sich Bea Schneider. Danach durfte das Mädchen – auf Vorschlag der Handarbeitslehrerin – mit den Jungs in den Werkunterricht und ihr Notendurchschnitt verdoppelte sich auf eine 6. Stricken und häkeln kann Bea Schneider bis heute nicht, dafür singen, kickboxen und rückwärts mit dem Anhänger manövrieren.

45 Prozent sind Bäuerinnen

AboDer SBLV bringt unterschiedliche Frauen zusammen. Präsidentin Anne Challandes sieht das als grosse Stärke.SBLV«Nicht-Bäuerinnen im Verband öffnen die Diskussion»Montag, 21. März 2022So stellt sich der Durchschnittsmensch wohl keine Landfrau vor – aber genau das ist Bea Schneider mit grossem Engagement. Und ihre Abweichung von den Klischees ist typisch, weil es die typische Landfrau nicht gibt: Die Ortsvereine bündeln eine riesige Vielfalt an Frauen, zusammengeschlossen unter dem Dach des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV).

Gemäss Geschäftsführerin Kathrin Bieri wird der Anteil an Bäuerinnen auf 45 Prozent geschätzt. Über die Hälfte der Mitglieder sind also keine Bäuerinnen – und ohne sie wäre der SBLV nicht das, was er ist: Einer der grossen und einflussreichen Frauenverbände der Schweiz. Die Heterogenität seiner Mitglieder hat aber auch unerwünschte Folgen. Ganze Sektionen lösen sich vom Dachverband – sie sehen keinen Sinn darin, dem SBLV einen Teil des Mitgliederbeitrags abzugeben und formieren sich lieber als eigenständige Frauen- oder Freizeitvereine.

Das ist schmerzhaft für den SBLV, dessen Mitgliederzahl ohnehin stetig sinkt; um durchschnittlich 2 Prozent jährlich in den vergangenen paar Jahren.

Strukturwandel geht weiter

Es gibt weniger Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz und damit auch weniger Bäuerinnen, zudem ist für viele die Mitgliedschaft im Berufsverband weniger selbstverständlich als für frühere Generationen. Oft ist das Durchschnittsalter in den Ortsvereinen hoch, ein weiterer Strukturwandel zeichnet sich ab. Einige Ortsvereine fusionieren, andere lösen sich auf, weil Mitglieder oder Nachfolgerinnen für den Vorstand fehlen.

«Corona hat die Problematik verstärkt.»

Bea Schneider über Mitgliederrückgang bei den Landfrauen.

Als Präsidentin des Bezirks Baden spürt Bea Schneider diese Herausforderung: An der Generalversammlung diese Woche musste der Vorstand von fünf auf drei Frauen reduziert werden. «Die Problematik hat sich durch die Corona-Pandemie verstärkt», vermutet sie. Denn das Kurswesen und damit der Motor der Landfrauenvereine war weitgehend lahmgelegt.

Aber mehrheitlich führen die Ortssektionen nach wie vor ein aktives Vereinsleben, einige wachsen sogar. Das könne erfolgreichen Anlässen oder engagierten Frauen zu verdanken sein, welche andere mitziehen, sagt SBLV-Präsidentin Anne Challandes. Zudem würden sich viele für Themen wie soziale Absicherung, Lohn, Ernährung und Produktionsmethoden interessieren, die jetzt in der öffentlichen Diskussion stünden. Diese Frauen würden dadurch auch mehr über den SBLV und die Landfrauenvereine erfahren.

Sie fühlt sich einfach gut aufgehoben

Nicht-Bäuerin Bea Schneider erklärt, warum sie sich in dieser Organisation engagiert: Erstens sei der SBLV eben nicht nur für Bäuerinnen gut, sondern leiste wichtige Aufklärungs- und Lobbyarbeit für alle, zum Beispiel beim Thema Lohn und Vorsorge. Zweitens gehe die Schweizer Landwirtschaft alle etwas an. Und drittens gefällt es ihr in diesem Verein einfach. «Ich fühlte mich bei den Landfrauen sofort aufgehoben und akzeptiert.» Die Frauen hätten es lustig zusammen, würden diskutieren und Ratschläge austauschen. «Du findest immer eine, die schon in einer ähnlichen Situation war und einen Tipp weiss. Oder die dich einfach versteht.»

Aargauer Imagekampagne wird beachtet

Bea Schneider war dabei, als sich die Aargauer Landfrauen für eine Imagekampagne fotografieren liessen. Die Fotos mit knackigen Slogans wie zum Beispiel «Wir Frauen vom Land ziehen den Karren aus dem Dreck» oder «Wir Frauen vom Land geben Vollgas» gehen im Wochenrhythmus auf der Website des Aargauischen Landfrauenverbands (ALFV) und in den Sozialen Medien online. Sie generieren dort eine grosse Reichweite und massenhaft positive Reaktionen, berichtet ALFV-Präsidentin Lotti Baumann.

Die längerfristige Wirksamkeit lasse sich schwer beurteilen, aber sie sei optimistisch. Sie selber hat jedenfalls für ihre Nachfolge in diesem Jahr eine aktive Bäuerin gefunden, die ideal in das Anforderungsprofil des Amtes passt.

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Das Fotoshooting mit den Landfrauen sei ein Riesenspass gewesen, erinnert sich Bea Schneider. Sie macht aber auch Knochenarbeit, verteilte beispielsweise im Abstimmungskampf gegen die Agrar-Initiativen Äpfel in der Stadt. Und jetzt steht die Massentierhaltungs-Initiative an; einige fordern gar die Abschaffung der Nutztierhaltung. Bea Schneider, die zusammen mit ihrem Mann einen Viehhandel führt, bleibt gelassen. «Informieren», heisst ihre Strategie. «Viele wissen einfach zu wenig Bescheid bei landwirtschaftlichen Themen.»

Zuerst will sie es selber verstehen

Als Bezirkspräsidentin vermittelt Bea Schneider Informationen vom nationalen und kantonalen Verband an die Ortsvereine, und als Vorstandsfrau im Ortsverein an die Basismitglieder. «Bevor ich etwas weitergebe, will ich es verstehen. Ich muss mich mit vielen Themen intensiv befassen, das ist spannend und bringt mich weiter.»

Bea Schneider ist zwar nicht Bäuerin, steht der Landwirtschaft aber nahe durch die Tätigkeit im Viehhandel. Früher transportierte sie Rinder, seit sie Mutter von zwei Jungs ist, managt sie das Büro.

Sie startete mit einer kaufmännischen Ausbildung ins Berufsleben, arbeitete auf dem Bau und zog einen Sicherheitsdienst auf. Als Kickboxerin schaffte sie es auf ein internationales Podest. Und als Leadsängerin einer Band covert die blonde Frau mit der starken Stimme am liebsten Janis Joplin. Sie ist glücklich auf der Bühne, Lampenfieber hat sie schon lange nicht mehr. Sie sieht Parallelen zu ihrem Einsatz bei den Landfrauen: «Wenn ich auf einem Gebiet sicher bin, kann ich hinstehen und eine Sache vertreten.»