Erika Rihner, aarum ist die bäuerliche Bevölkerung so anfällig für ein Burnout?

Erika Rihner: Ein Hauptgrund ist das überlappende Wohnen, Arbeiten und Eigentum. Man ist permanent um die Arbeit herum. Besonders bei Tierhaltung sind kaum Ferien möglich. Dann sind die hohen Investitionskosten und gleichzeitig die gesetzlichen Vorschriften. Die Existenzangst, dazu gehören Wetter und Corona.

Was kommt noch dazu?

Der Druck der Gesellschaft, besonders wenn der Hof mitten im Dorf ist. Die Schuldgefühle und das Vergleichen mit Anderen: «Ich muss das schaffen können, auch wenn ich gar nicht mehr mag.» Manchmal sind da tief verwurzelte Familiengeschichten wie Suizid oder Erbgeschichten, die nicht aufgearbeitet wurden.

Wer ist besonders anfällig?

Ein Burnout erleiden häufig Menschen mit hohen Ansprüchen an sich selbst: «Ich bin nur gut, wenn ich immer arbeite» oder: «Alle anderen Aufgaben und Menschen sind wichtiger als ich.»

Im Sinne von: «Ich darf nicht ausfallen, der Betrieb muss weiter bestehen ...»?

Burnout-gefährdete Menschen denken eher nach aussen, für ihr nahes Umfeld, nicht für sich. Wenn man «Dreh- und Angelpunkt» ist, zum Beispiel als Mutter auf dem Betrieb, sieht man die kurzfristige Pflicht. Den Gedanken «Wenn es mich flachlegt, geht nichts mehr», lässt man nicht zu.

Auf welche Anzeichen sollte man hören?

Vieles geschieht auf der emotionalen Ebene. Permanent unterdrückte Gefühle können chronische Beschwerden auslösen, hinzu kommen körperliche Schwerstarbeit und äusserst hohe Arbeitspensen.

Gibt es noch weitere?

Weitere Anzeichen sind Gedankenkarussell, Schlafstörungen, Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben sowie Erschöpfung bis zur Antriebslosigkeit.

Dann braucht es unbedingt ärztliche Hilfe. Der Hausarzt kann zum Beispiel Ansprechpartner sein. Gefährlich ist die Aggression gegen sich selbst; das Gefühl, ich habe versagt.

Wie kann ein Burnout verhindert werden?

Der eigene Selbstwert ist zentral. Stichworte dazu sind: «Ich bin auch wichtig», «Ich gönne mir etwas, ohne schlechtes Gewissen». Präventiv hilft, sich Auszeiten zu nehmen sowie Diskussionen über Werte mit dem Partner und der Familie zu führen. Zudem hilft es, Vergleiche wegzulassen und Perfektionismus sowie Leistungsprinzipien zu hinterfragen.

Wie kann man der Partnerin, dem Partner helfen?

Generell hilft, miteinander zu reden und wichtige Informationen aufzuschreiben. Wenn die Partnerschaft funktioniert, sieht das Gegenüber die Anzeichen und kann sie ansprechen. Es hilft, Ängste anzunehmen und darüber zu sprechen, am besten mit einer Fachperson im Coaching. Der Blick von aussen ermöglicht Impulse für neue Lösungsmöglichkeiten.