«Hühner lebten ursprünglich an Waldrändern. Als Fluchttiere suchten sie Schutz auf Bäumen», sagt Pascal Geisser von der Geisser Geflügelzucht AG in Mörschwil. «Dieser Instinkt ist geblieben. Daher ist es wichtig, ihnen bereits bei der Aufzucht Möglichkeiten zu bieten, sich in der Höhe aufzuhalten». Anfangs befindet sich der Lebensraum der Küken noch vorwiegend auf dem Boden, doch je älter sie werden, desto häufiger suchen sie die höheren Etagen ihrer Aufzuchtanlage auf. «Das ist Fitnesstraining, es macht sie kräftiger», so Geisser. Wie an einem schattigen Waldrand soll es auch in der Anlage nie zu hell sein. Dafür sorgen Sensoren im Dach, die ständig die Luken und damit das Licht regulieren. 

Bunte Hühnerschar

In der grössten Anlage, die wir besuchen, tummeln sich 4500 Küken. Mit ihren zwei Wochen sind sie allesamt noch putzig und flaumig, doch ihrem Aussehen nach sind bereits unterschiedliche Rassen auszumachen. Der Geflügelbetrieb zieht jeweils 12 bis 13 Farben und Rassen gemischt auf, darunter altbekannte wie weisse Leghorn und Sussex, aber auch etwas weniger geläufige: die dreifarbigen Schwedischen Blumenhühner mit den Tupfen etwa oder die schwarzen Marans mit den auffälligen Fussfedern. Letztere sind zudem speziell, weil sie schokoladenfarbige Eier legen. Cream Legbar legen dagegen grüne Eier.

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«Auch diese Rassen sind sehr produktiv, doch ihre Eierleistung ist nicht ganz so hoch wie diejenige der Legehybriden», so Pascal Geisser. «Eine bunte Hühnerschar auf einem Bauernhof hat allerdings den Vorteil, dass sie neugierig macht und Konsumenten anzieht». Seine Kunden sind vor allem private Hühnerhalter und Bauernbetriebe, die Eier direkt vermarkten. Für Hühnermobile gehen beispielsweise Bestellungen für bis zu 400 Junghennen ein. Viele Kunden kaufen jedoch kleinere Posten von zehn, zwanzig Tieren, die sie im «Showroom» in Mörschwil persönlich auslesen und gleich mitnehmen. In den Verkauf gelangen die Legehennen auch in Regionen ausserhalb der Ostschweiz via Händler im Emmental und in der Westschweiz.

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Variierende Nachfrage

Die Firma Geisser zieht jährlich 30 000 bis 40 000 Legehennen aus der betriebseigenen Brüterei auf. Die Bruteier stammen von einem einzigen Betrieb in Tschechien. Ab März gibt es jeweils monatlich einen Megaschlupf mit 3000 bis 4500 Hennen, je nach aktuellem Bedarf. «Wir haben keine Jahresplanung, sondern schätzen monatlich ab, wie gross die Nachfrage ist», stellt Pascal Geisser fest. Diese kann auch mal kurzfristig ansteigen: «Letztes Jahr, ein paar Tag nach Lockdown-Beginn, hatten wir auf einmal eine lange Kundenschlange vor dem Laden. Plötzlich war mehr Zeit da für die Hühnerhaltung.»

[IMG 4] Die Brutmaschine hat eine Kapazität von mehreren Tausend Eiern, die unter strengen hygienischen Bedingungen ausgebrütet werden. Bis die Küken schlüpfen, dauert es etwa 21 Tage.

In den ersten zwei Lebens-wochen wird das Geschlecht der Küken bestimmt. Dies geschieht auf zwei Arten: Bei weissen Leghorn und Sussex sehen Hennen und Hähne zu Beginn prinzipiell gleich aus. Geübte Augen erkennen jedoch das Geschlecht an der Länge der Federn an den Flügeln. Bei manchen Rassen hingegen unterscheiden sich Güggeli von den Hennen durch eine bestimmte Färbung, beispielsweise einen Tupf auf dem Kopf. Dies ist die kennfarbene Geschlechtsbestimmung. Pro Stunde können so bis zu 1000 Küken nach Geschlecht sortiert werden. 

Thema mit Zukunft

Der Fokus der Aufzucht gilt bei den weiblichen Tieren. «Da es immer auch eine Nachfrage nach Hähnen gibt, bleibt ein Teil von ihnen bei den Hennen in der Aufzucht. Die restlichen Güggel werden als Tierfutter verwendet, etwa für zoologische Gärten», so Geisser. «Ein Thema mit Zukunft ist die frühe Geschlechtsbestimmung bereits im Ei, daran wird bereits geforscht», sagt Pascal Geisser. «Damit liesse sich die Aufzucht viel gezielter planen und Kosten sparen.»

Als Herausforderungen bei der Aufzucht von Legehennen nennt der Geflügelfachmann das Risiko von Krankheiten wie etwa die Vogelgrippe, deren Prävention strenge hygienische Vorschriften bedingt. 

Schon Federn gewechselt

Die Tiere leben nach einem erkennbaren Tagesrhythmus: Nachts schlafen sie, tagsüber wird gefressen und getrunken, gescharrt und zwischendurch das Gefieder geputzt und ausgeruht. Rund um die Uhr steht eine Futtermehlmischung zur Verfügung, die aus Weizen, Mais und Soja besteht. Der Kot fällt auf ein Laufband und wird regelmässig abgeführt, was dazu beiträgt, die Ammoniakemissionen zu reduzieren. In der Anlage der zwölfwöchigen Jungtiere liegen da und dort Federn am Boden. «Daran sieht man, dass die Tiere während der Aufzucht zwei- bis maximal dreimal ihre Federn wechseln», erklärt Pascal Geisser «Wenn die Hühner mit 18 bis 22 Wochen in den Verkauf kommen, haben sie bereits ein erwachsenes Gefieder entwickelt». Zu diesem Zeitpunkt hat ein Teil der Hennen bereits das erste Ei gelegt.