Um zu erkennen ob ein Schwein erkrankt ist, ist eine genaue Beobachtung des Tieres notwendig. Doch worauf ist bei der Tierkontrolle konkret zu achten? «Schweine, welche nicht aufstehen bei der Fütterung, welche nicht alle vier Beine belasten oder mit einem gekrümmten Rücken dastehen, sind auffällig und sollen näher angeschaut werden» das rät Sabrina Imfeld, Lehrerin und Beraterin für Schweinehaltung am Berufsbildungszentrum Hohenrain.

Bei der Tierbeobachtung zählt der Gesamteindruck

Wichtig ist, die Tiere in einem ruhigen Zustand zu beobachten. Betritt der Tierhalter den Stall zu laut oder zu schnell, erschrickt die Gruppe, beginnt zu rennen oder erstarrt völlig in ihrer Bewegung. «Die Schweine beruhigen sich aber rasch wieder, nähern sich neugierig oder gehen ihrer vorherigen Beschäftigung nach», so Imfeld. Generell gehe es darum, einen Gesamteindruck zu gewinnen; bei kranken Tieren ist dieser oft auffällig. Ein guter Gesundheits-Indikator sei auch das Borstenkleid, sagt Sabrina Imfeld. Dieses sei bei gesunden Tieren glänzend, ist ein Schwein jedoch schon länger krank, wirken die Borsten eher matt und struppig. Gibt ein Schwein abnormale Geräusche von sich, muss ebenfalls näher hingeschaut werden. 

Gruppe oder Krankenbucht

Erkennt der Tierhalter ein krankes oder verletztes Schwein frühzeitig, muss er entscheiden ob eine Behandlung sinnvoll ist oder nicht. Im Zweifel muss der bestandsbetreuende Tierarzt hinzugezogen werden. Weiterhin ist zu entscheiden, ob das erkrankte Schwein noch gruppenfähig, oder ob die Umstallung in eine Krankenbucht förderlicher für dessen Genesung ist. Ein Schwein ist gruppenfähig wenn

  • es sich in der Gruppe behaupten kann
  • es in Ruhe Futter und Wasser aufnehmen kann
  • es in der Gruppe ausruhen kann
  • die anderen Tiere in der Gruppe keine zusätzlichen Schmerzen oder Leiden für das kranke Tier herbeiführen.

Hat das Schwein eine blutige Verletzung, wird es sehr wahrscheinlich von seinen Buchtengenossen nicht in Ruhe gelassen. In einem solchen Fall würde der Aufenthalt in der Krankenbucht eine Genesung beschleunigen. Schwanzbeissen stellt hier einen besonderen Umstand dar. «Schweine mit offenen Verletzungen gehören in die Krankenbucht, da ein blutiger Schwanz erst recht spannend ist für die Buchtengenossen», sagt Sabrina Imfeld. Bei einem Vorkommen von Schwanzbeissen rät sie zu den folgenden Sofortmassnahmen:

  • Angebotene Futtermenge überprüfen
  • Funktionsfähigkeit der Futterautomaten testen
  • Die Konsistenz des Futterbreis kontrollieren
  • Ablenkung schaffen durch einige Schaufeln Futter, welche auf denBoden gestreut werden
  • Unbekanntes Einstreumaterial, Brennnesseln oder andere benagbare Materialien zur Ver-fügung stellen
  • Die Lüftung und den Gesundheitszustand der Tiere überprüfen

Kann der Tierhalter den Beisser identifizieren, muss dieser sofort von der Gruppe separiert werden. Doch wie wird mit diesem Tier dann weiter verfahren?

Wohin mit dem Beisser?

«Teilweise gelingt es, den Beisser nach einigen Tagen wieder in die Gruppe zu integrieren. Wenn das Schwein nach seiner Rückkehr in die Gruppe weiterhin beisst, oder durch die längere Separation selber Opfer von starken Rangkämpfen werden sollte, muss es wieder separiert und notfalls bis zum Ende der Mast separat gehalten werden». Auch sei der Gesundheitszustand des Beissers zu überprüfen und ein allenfalls krankes Tier entsprechend zu behandeln. Oft sind es auch Kümmerer die später zu Beissern werden, merkt die Expertin an.

Bei infektiösen Krankheiten lohnt die Absonderung nicht 

Die Absonderung eines einzelnen erkrankten Tieres ist unter Umständen nicht sinnvoll sein wenn eine infektiöse Krankheit vorliegt, und sichmit grosser Wahrscheinlichkeit bereits andere Tiere der Gruppe angesteckt haben. Das seibeispielsweise bei Durchfall-Erkrankungen der Fall, so Imfeld. Dann lohnt es nicht mehr, einzelne Tiere in die Krankenbucht zu verbringen.

Schlaf für gute Genesung

Bei der Ausgestaltung der Krankenbucht ist gemäss einem Merkblatt des Schweizer Tierschutzes (STS) wichtig, dass ein angenehmer Liegeplatz angeboten wird. Dieser sollte Zugluft-frei, nicht zu kalt oder zu warm und reichlich eingestreut sein, sodass Schweine sich in das Stroh verkriechen können. Dies fördert Ruhe und Schlaf – für eine gute Genesung sehr wichtig. Weiterhin müssen die Tiere so viel Platz haben, um zwischen verschiedenen Funktionsbereichen unterscheiden zu können. Ein Auslauf sei hier gemäss STS optimal. Er ermöglicht den Schweinen, Kot und Urin draussen abzusetzen, sich in der Sonne zu wärmen oder über Gitter Kontakt zu Artgenossen aufzunehmen. Für Jungtiere ist ausserdem eine Wärmelampe oder Bodenheizung wichtig.

Tägliche Krankenkontrolle

Eine gewissenhafte Betreuung der Tiere in der Krankenbucht trägt ausserdem zur Genesung bei. «Tränke und Futterstelle sollen gerade in Krankenbuchten sehr leicht zugänglich sein, ohne dass Absätze oder andere Hindernisse überwunden werden müssen» sagt Sabrina Imfeld. Schweinen, welche nicht mehr selbst aufstehen können, muss geholfen werden Futtertrog und Tränke zu erreichen damit eine ausreichende Versorgung gegeben ist. Ebenfalls muss die Tierhalterin täglich überprüfen und neu bewerten ob die Therapie anschlägt und die Symptome des betroffenen Tieres gelindert werden. Ist dies nicht der Fall, muss über eine Nottötung nachgedacht werden. «Aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen lohnt es sich bei einem einzelnen Mastschwein leider meist rasch nicht mehr, das Tier weiter zu behandeln», sagt Sabrina Imfeld. Zu entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist um ein Tier zu erlösen, ist nicht einfach.

[IMG 2]Wir haben mit Sabrina Imfeld, Lehrerin und Beraterin für Schweinehaltung am Berufsbildungszentrum Hohenrain darüber gesprochen, wann eine Nottötung rechtzeitig ist:

Woran können Tierhalter(innen) den richtigen Zeitpunkt für die Tötung verletzter Schweine erkennen? 

Sabrina Imfeld: Wenn eine Behandlung nicht in den ersten Tagen anschlägt, kann man versuchen, den Wirkstoff zu wechseln. Ob man das Tier tötet, hängt davon ab, wie lange es noch mit einer Einschränkung durch die Krankheit oder Verletzung weiterleben muss. Auch ist mit in die Entscheidung einzubeziehen wie stark diese Einschränkung sein wird und ob das Tier leidet. 

Wie sieht es aus wenn eine tragende Sau erkrankt?

Wenn eine Sau am Ende ihrer Trächtigkeit oder ganz kurz nach der Geburt erkrankt, wird behandlungstechnisch mehr versucht, da der Verlust wesentlich grösser wäre als bei einem Mastschwein. Meist wird angestrebt die Sau bis Ende der Säugezeit zu behalten, sofern sie ihre Ferkel säugen kann und nicht übermässig leidet.

Muss ein Schwein hingegen bereits zu Beginn der Mast längere Zeit separiert werden, kann die Halterin nicht damit rechnen, das Schwein später wieder in die Gruppe integrieren zu können. Das Schwein blockiert zum einen die Krankenbucht und wird zum anderen allein gehalten, was für das verletzte Schwein auch wieder nicht artgerecht ist.

Gibt es konkrete Kriterien um den richtigen Zeitpunkt für die Nottötung zu treffen? 

Ganz klare Kriterien gibt es nicht. Die Schwierigkeit ist, dass der Halter selber entscheiden muss, ob und wann ein Tier zu sehr leidet und er es erlösen muss. Es braucht Erfahrung und manchmal fast hellseherische Fähigkeiten, um abzuschätzen, wie sich eine Verletzung oder eine Krankheit entwickeln wird.

Erleben Sie es oft, dass Landwirte ihrer Meinung nach den richtigen Zeitpunkt für eine Tötung nicht treffen?

Ich selber habe bisher in keinem Stall ältere Schweine gesehen, welche aus meiner Sicht sofort hätten erlöst werden müssen. Bei ganz kleinen Ferkeln ist es schon vorgekommen, dass ich persönlich das Tier eher erlöst hätte. Aber gerade bei den ganz Kleinen staunt man manchmal, welche es dann doch noch schaffen. Ich mache aber keine unangemeldeten Betriebsbesuche und bin nicht bei Notschlachtungen dabei.

Ich habe vor kurzem mit einem Metzger gesprochen, welcher Notschlachtungen bei Schweinen durchführt und er meinte, solche Fälle hätten in den vergangenen Jahren stark abgenommen. Die Halter haben ein starkes Bewusstsein für das Wohlergehen ihrer Tiere und sind bestrebt, sie nicht leiden zu lassen.

Wie können Landwirte entscheiden ob eine Schlachtung zur Lebensmittelverwertung noch sinnvoll ist?

Der Landwirt entscheidet darüber, ob er das Tier überhaupt noch zur Notschlachtung bringt oder ob er es erlöst und den Tierkörper entsorgt. Ein Kriterium ist, ob das Schwein selbst in einen Transporter gehen und diesen bei der Ankunft im Schlachtbetrieb auch selbst wieder verlassen kann. Dann gilt es grundsätzlich noch als transportfähig. Dabei kann sich der Landwirt auch von einem Tierarzt beraten und die Transportfähigkeit bescheinigen lassen.

Hat das Tier Medikamente erhalten, deren Absetzfrist noch nicht abgelaufen ist, gilt das Fleisch als nicht genussfähig und das Tier muss erlöst und entsorgt werden. Ich persönlich halte es für eine sehr gute Methode, sich selbst zu fragen, ob man das Fleisch dieses Tieres selber noch essen möchte. Beantwortet man diese Frage für sich mit nein, soll es erlöst werden – auch wenn es grundsätzlich den Transporter noch besteigen könnte.

Wie kann das erkrankte Tier geschlachtet werden wenn es nicht mehr transportfähig ist?

Es müsste auf dem Betrieb getötet und dann umgehend entblutet werden. Das Fleisch dürfte dann nicht in den Verkauf, sondern müsste für den Eigenbedarf verwendet werden. Auch die Weiterverarbeitung würde in so einem Fall auf dem Hof passieren, sei es durch den Halter selber oder durch einen Metzger, der diesen Dienst privat machen würde.

Bei einem Tier, das nicht mehr transportfähig ist, ist durch den physiologischen Stress aber mit einer verminderten Fleischqualität zu rechnen und es ist fraglich, wie interessant die Schlachtung eines solchen Tieres grundsätzlich ist.