Über vier Generationen hinweg wurde auf dem Betrieb von Jürg Lüscher aus Muhen im Kanton Aargau Milch produziert. Doch damit ist Schluss. Im August 2022 lieferte der Landwirt seine Milch zum letzten Mal ab. Dort, wo einst täglich Milchkühe gemolken wurden, werden nun Rinder gemästet. Die BauernZeitung hat sich mit Jürg Lüscher zum Gespräch getroffen. 

Was hat Sie zur Umstellung von der Milchwirtschaft auf die Rindermast bewegt?

Jürg Lüscher: Ausschlaggebend für die Umstellung war für mich die schrittweise Reduzierung der Arbeitsbelastung. Auf die Tierproduktion komplett verzichten wollte ich jedoch trotzdem nicht. Zudem war es mir wichtig, dass sich der neue Betriebszweig auch wirtschaftlich lohnt.

Aus welchem Grund haben Sie sich für die Rindermast und nicht etwa für die Mutterkuhhaltung entschieden?

Aufgrund der strukturellen Gegebenheiten eignet sich der Betrieb aus meiner Sicht am besten für die Rindermast. Da sich unser Betrieb mitten im Dorf befindet, ist die angrenzende Weidefläche sehr begrenzt. Daher fiel eine Umstellung auf Mutterkühe bereits von Beginn an weg.

Im Alter von 60 Jahren war es mir zudem wichtig, die vorhandenen Strukturen möglichst weiter zu nutzen, sodass es mir möglich ist, die finanziellen Kosten des Umbaus bis zu meiner Pensionierung zu amortisieren. Mit der Rindermast schien mir dies machbar. Unser Gülleloch ist genügend gross und auf dem Betrieb steht ausreichend Siloraum mit eingerichteter Entnahme zur Verfügung. Auch die Laufhoffläche war bereits weitestgehend vorhanden und es schien mir, dass sich der Stall durch einfache Mittel umnutzen liesse.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie Ihre Milch zum letzten Mal an der Sammelstelle abgeliefert haben?

Die letzte Milchabgabe in der Dorfsammelstelle war für mich aus emotionaler Sicht kein Problem. Ich freute mich stattdessen auf die neuen Herausforderungen und die neuen Freiräume, die sich mir durch die Rindermast eröffnen würden.

Weil es zu wenig Milchproduzenten gab, kam es zudem zur gleichen Zeit zur Schliessung unserer Sammelstelle. Man könnte also sagen, es war das perfekte Timing, um aus der Milchproduktion auszusteigen.

Wie sind Sie bei der Umstellung vorgegangen?

Für mich war klar, dass die Umstellung fliessend verlaufen soll. Ein zeitweise leerer Milchviehstall wäre für mich der Horror gewesen. Aus diesem Grund plante ich die Umstellung auch über einen längeren Zeitraum. Bereits einige Jahre zuvor habe ich kaum noch selbst Rinder zur Nachzucht aufgezogen und stattdessen Kühe zugekauft.

Als dann klar war, dass ich definitiv auf Rindermast umsteigen würde, habe ich die älteren Kühe nicht mehr neu besamt, sondern nur noch ausgemolken und anschliessend ausgemästet. Ich hatte zudem das Glück, dass die Schlachtviehpreise zu diesem Zeitpunkt sehr gut waren.

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Und die jüngeren Tiere?

Die noch vorhandenen Rinder und Jungkühe besamte ich mit Mastrassen, sodass ich die Kälber direkt zur eigenen Mast verwenden konnte. Die männlichen Kälber wurden kastriert. Zusätzlich kaufte ich weibliche Mastrassentränker von einem Viehhändler, mit dem ich bereits seit mehreren Jahren eine enge Zusammenarbeit pflegte. Nach dem Abkalben der jüngeren Kühe und dem Anmelken der Rinder verkaufte ich diese als Milchkühe weiter. Da die letzten Rinder im Dezember 2022 kalbten und ich im August bereits zum letzten Mal Milch ablieferte, nutzte ich die Milch der Rinder zum Vertränken an die Kälber.

Mit dem Verkauf der Milchkühe und der Schlachtkühe war es mir möglich, wirtschaftlich gesehen einen fliessenden Übergang zwischen der Milchproduktion und der Rindermast zu schaffen. Die Remontierung der Masttiere konnte aus dem Laufenden heraus finanziert werden.

Wie haben Sie den Stall von einem Milchvieh- in einen Rindermaststall umgebaut?

Der Stall liess sich mit relativ einfachen Mitteln und ohne grossen Umbau von einem Milchvieh- in einen Rindermaststall umwandeln. Vor allem der ehemalige Jungviehstall ist prädestiniert als Mastviehstall. Bei den Tränkern, welche sich im Jungviehstall befinden, entschied ich mich zur zusätzlichen Arbeitsentlastung für die Installation eines Tränkeautomaten.

Weiter isolierte ich die hintere Wand bei den Tränkern mit Holzbrettern. Darauf legte ich zusätzlich ein Holzbrett, um Zugluft zu vermeiden und damit im Winter die Wärme nicht verloren geht. Diesen Rat erhielt ich von einer Beraterin, welche ich kontaktierte, nachdem ich immer wieder mit Problemen bei den Tränkern zu kämpfen hatte. 

Bei den Vormasttieren, welche sich ebenfalls im ehemaligen Jungviehstall befinden, entfernte ich einzig das Fanggitter und ersetzte dieses durch ein einfaches Nackenrohr. So entstand mehr Freiheit und es können mehr Tiere nebeneinander fressen.

Auch im ehemaligen Milchviehstall entfernte ich teilweise die Fanggitter. Damit ich die Tiere bei allfälligen Behandlungen fixieren kann, liess ich jedoch bewusst einen Teil der Gitter bestehen. Weiter passte ich die Liegeboxen mithilfe zusätzlicher Boxenbügel auf die Grösse der Rinder an. 

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Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie während der Umstellung zu kämpfen?

Im Grossen und Ganzen verlief die Umstellung ohne grosse Schwierigkeiten. Einzig bei den Tränkekälbern hatte ich zu Beginn der Umstellung mit Clostridien zu kämpfen. Mithilfe der Beratung einer Tierärztin, welche auf Kälber spezialisiert ist, habe ich das Problem nun jedoch gut in den Griff bekommen.

Bei der Umstellung habe ich jedoch die Brunst der Rinder ein wenig unterschätzt. Dadurch, dass ich die insgesamt 36 Ausmasttiere aufgrund der Lage des Laufhofs nicht in kleinere Gruppen unterteilen kann, herrscht bei den brünstigen Rindern teilweise Unruhe im Stall.

Zudem besteht innerhalb der Herde eine Heterogenität beim Gewicht der Tiere. So befinden sich beispielsweise Tiere mit einem Gewicht von 280 kg und 500 kg in der gleichen Herde. Würde ich einen neuen Stall bauen, hätte ich den Laufhof sicherlich so platziert, dass ich die Tiere nach ihrem Gewicht unterteilen könnte. Im Grossen und Ganzen funktioniert es aber auch so gut. Die Tiere sind zutraulich und es ist trotzdem meistens ruhig im Stall.

«Seit der Umstellung benötige ich halb so lange im Stall.»

Seitdem Jürg Lüscher keine Milch mehr produziert, veränderte sich die Arbeitsbelastung spürbar. 

Was würden Sie bei der Umstellung im Nachhinein anders machen?

Aus Sicht der gewonnenen Lebensqualität würde ich mich rückblickend bereits früher für eine Umstellung entscheiden. Ich bin jedoch auch der Meinung, dass der Entschluss, sich von der Milchproduktion zu verabschieden, nicht von einem Tag auf den anderen geschieht. Man hört schliesslich nur einmal auf zu melken. Dadurch, dass sich unser Betrieb im Dorf befindet, musste ich mir mit der Zeit jedoch selbst eingestehen, dass die Möglichkeiten der Milchproduktion unter diesen Gegebenheiten immer kleiner werden. Bei den Tränkekälbern würde ich mich rückblickend bereits früher bei Berufskollegen über ihre Erfahrungen und Praxistipps zur Betreuung der Tiere informieren. Auch würde ich viel früher die Beratung durch eine erfahrene Fachperson suchen. Das hätte mir einige Probleme erspart.

Warum haben Sie sich nicht bereits früher für eine Umstellung entschieden?

Daten zur Rindermast auf dem Betrieb
 
LN: 25 ha
Tierbestand: Insgesamt 70 Rinder in der Vor- und Ausmast
Bezug Tränkekälber: Kauf von weiblichen Mastrassenkälbern mit einem Gewicht von 80 kg von einem Viehhändler aus der Region.
Tränkesystem Kälber: Tränkeautomat mit Milchpulver während der ersten 56 Tage auf dem Betrieb. Zusätzliche Verfütterung von Heu, entstaubtem Stroh und Kälberflocken.
Ration Vor- und Ausmast: TMR aus Mais- (50 – 60 %) und Grassilage und wenig Heu/Stroh, Kraftfutter (nur Vormast).
Schlachtgewicht: 280 –300 kg (SG) im Alter zwischen 18 und 20 Monaten.

Ein Hauptgrund war sicherlich, dass ich meinem Sohn, der gelernter Landwirt und Agronom ist, die Option der Milchproduktion nicht nehmen wollte. Als dieser jedoch klarstellte, dass auch er künftig keinen Milchviehbetrieb übernehmen möchte, war für mich ebenso klar, dass ich mich aus der Milchproduktion zurückziehen werde.

Was hat sich für Sie persönlich seit der Umstellung verändert?

Die Umstellung und die damit verbundenen neuen Herausforderungen erhöhten meine Motivation in der Tierhaltung. Ich glaube, für mich war nach so vielen Jahren in der Milchproduktion auch einfach die Zeit gekommen, mich einer neuen Herausforderung zu stellen.

Was sich zudem ganz klar veränderte, ist die Arbeitsbelastung. Selbst mit der Rindermast kann ich nicht einfach spontan eine Woche lang verreisen, trotzdem bin ich weniger angebunden, wodurch ich auf alle Fälle an Lebensqualität gewonnen habe. Früher bin ich um sechs Uhr morgens zum Melken aufgestanden und hatte mindestens drei bis vier Stunden Arbeit im Stall. Heute benötige ich im Normalfall nicht einmal die Hälfte der Zeit.

Über die Jahre hinweg stellte ich zudem fest, dass der Druck in der Milchproduktion immer stärker anstieg. Die Betriebe werden immer professioneller und die Qualitätsanforderungen immer strenger. Die monatlichen Milchkontrollen wurden für mich immer häufiger zur Belastung, obwohl wir nie wirklich Schwierigkeiten mit der Milchqualität hatten.

«Man hört nur einmal auf zu melken»

Jürg Lüscher ist sich sicher, der Entscheid die Milchproduktion aufzugeben geschieht nicht von einem Tag auf den anderen. 

Was hat sich im Hinblick auf die Finanzen für Sie verändert?

Der Stundenlohn hat sich seit der Umstellung verbessert. Aus wirtschaftlicher Sicht veränderte sich aufgrund des nahtlosen Übergangs von der Milchproduktion zur Rindermast nichts. Mir ist aber auch klar, dass dies nicht bei jeder Umstellung der Fall ist. Wie bereits angesprochen, konnte ich die Remontierung der Masttiere aus dem Laufenden finanzieren und die strukturellen Gegebenheiten waren bereits grösstenteils vorhanden. Ich musste also kein Geld in einen neuen Stall oder in grosse Umbauten investieren. Sonst hätte die Sache natürlich anders ausgesehen.

Welchen Rat würden Sie anderen Betriebsleitern, die über eine Umstellung nachdenken, mit auf den Weg geben?

Jeder sollte nur das tun, was er gerne tut, denn dann macht man es in der Regel auch gut. Mit dem Einblick in die Umstellung meines Betriebs möchte ich Betriebsleiter, denen es ähnlich geht wie mir damals, zu einer Umstellung ermutigen.