Am Mittwochabend hat der Nationalrat die Motion Kälin, die ein Zitzenverschliessverbot an Viehschauen fordert (siehe Kasten) mit 91 Nein zu 76 Ja bei 11 Enthaltungen abgelehnt. Die grüne Nationalrätin Irène Kälin, Autorin der Motion hatte zuvor die bereits am Dienstag an einem Mediengespräch präsentierten Argumente noch einmal aufgezählt. Da es die Branche bis anhin nicht geschafft habe, selber Lösungen zu finden, um die Situation zu verbessern, brauche es nun ein öffentlich-rechtliches Vorgehen. Dieser Meinung war aber nur eine Minderheit.

Somit kann die Branche nun selber über allfällige weitere Einschränkungen bei der Vorbereitung von Schaukühen entscheiden. Dem Vernehmen nach bleibt der Druck der Verarbeiter in diese Richtung hoch.

"Mutter zu sein reicht als Qualifikation"

In der Debatte hatte der diese Woche vereidigte Nationalrat Martin Haab von der SVP die Motionärin nach ihrer Präsentation gefragt, ob sie wisse, dass man ohne Collodium mehr Antibiotika werde einsetzen müssen ohne Collodium? Sie sehe hier keinen Zusammenhang erwiderte Kälin.

Andreas Aebi, ebenfalls von der SVP, fragte sich als nächster Votant, ob die Motionärin genügend Kenntnisse hat über die Anstrengungen der Branche. Ja, erwiderte Kälin, aber sie wisse auch, wie schmerzhaft das Verschliessen der Zitzen sei. Die beste Qualifikation dazu sei, selber Mutter zu sein und Brüste zu haben.

Pierre-André Page von der SVP erklärte: "Einige Ihrer Argumente sind total falsch". Eine Zustimmung wäre aus seiner Sicht "ein schönes Eigentor" gewesen. Wenn man die Motion annehme, werde man die Spitzenschauen künftig verhindern, sagte Page. Das wäre umso bedauerlicher, als die Schweiz eine der besten Zuchtarbeiten weltweit leiste. In Lausanne an der Swissexpo und an der Expo Bulle würden die Tiere strikt kontrolliert, so Page. Die ASR habe ihr Reglement revidiert und verschärft. Die Organisationen engagierten sich stark.

Kälin fragt sich in ihrer Replik, warum es denn eine Studie gebe, die an Schauen 20 Prozent Kühe mit Ödem gefunden habe. Page räumte ein, dass es Probleme gegeben habe. Die Branche habe aber prompt reagiert.

Berset kritisiert Sekundenkleber

Bundesrat Alain Berset verwies auf die Tierschutz-Verordnung, die jegliche schmerzhaften Eingriffe am Tier verbiete. An Viehschauen sei Collodium zugelassen. Bis anhin sei dieses Produkt toleriert worden, weil es keinen grösseren Eingriff darstelle. Die Probleme kämen aber beispielsweise von zu langen Zwischenmelkzeiten.

Oft werde zudem Sekundenkleber unter dem Collodium versteckt, das sei streng verboten. Dies sei nicht tolerierbar. Was tun in dieser Situation, fragte sich Berset. Die Situation sei seit langem bekannt und man suche seit mehreren Jahren nach Lösungen. Seit 2015 habe es 14 oder 15 Sitzungen der zuständigen eidgenössischen Stellen gegeben, rechnete er vor.

Es gehe darum, diejenigen zu schützen, die sich an die Regeln halten. Entweder mache man eine Branchenlösung oder ein öffentlich-rechtliches Verbot. Die Ödem-Kontrolle mit Ultraschall durch die Vetsuisse sei die einzige taugliche Lösung, wenn sich diese an den Schweizer Ausstellungen nicht durchsetzen könne, habe der Bundesrat beschlossen, etwas anderes zu versuchen, damit die Gesetze eingehalten würden. Einige wenige genügten, um die Branche zu verunglimpfen.

Andreas Aebi stellt fest, man dürfe den Tieren nie Leid zufügen. Aber an der Expo Bulle habe man nicht weniger als fünf Tierärzte auf Platz gehabt. Glauben Sie nicht, dass wir mit gemeinsamen Lösungen weiter kommen als mit einem Collodium-Verbot, das vieles verhindert, fragte er Berset.

Page sichert weitere Schritte zu

Ich war nicht selber vor Ort, so Berset, aber offenbar klappe es nicht immer. Die Verwaltung habe anderes zu tun, als Sitzungen abzuhalten zu diesem Thema. Er appellierte an die Branche, endlich etwas zu tun. Page zeigte sich optimistisch, dass die Branche weitere Schritte unternehmen wird. Dazu wird sie nun Gelegenheit haben.

 

Die Motion Kälin

Titel:Zitzenverschliessverbot an Viehschauen

Text: Der Bundesrat wird ersucht, die Tierschutzverordnung dahingehend anzupassen, dass bei Rindern das Verschliessen von Zitzen jeglicher Art zu Schau- und Präsentationszwecken verboten wird.

Begründung: Die beliebte Tradition der Viehschauen gerät durch fragwürdige und oft tierschutzrelevante Manipulationen überehrgeiziger Züchter an Ausstellungskühen zunehmend in Verruf. Das wichtigste Kriterium an einer Milchviehschau ist das Euter. Deshalb werden die Tiere nicht mehr wie normalerweise alle zwölf Stunden gemolken, sondern die Zeit zwischen dem Melken wird ausgedehnt. Verschiedene Züchter dehnen diese so sehr aus, dass es für die Kuh schmerzhaft wird. Bei vielen Kühen tropft bereits vor dem Wettbewerb Milch aus den Zitzen. Um gute Wettbewerbsnoten zu erzielen, lässt man die Tiere leiden und verschliesst sogar die Zitzen - für die perfekte Symmetrie und damit die Milch nicht ausläuft. Sogar Sekundenkleber kam zum Einsatz, bis dieser verboten wurde. Aber nicht nur ist das Verkleben der Euter mit Sekundenkleber qualvoll, sondern jegliches Verschliessen der Euter gefährdet die Gesundheit der Kühe. Als Folge von überladenen Eutern belegen aktuelle Studien unter anderem verhärtete Euter, Euterödeme, erhöhte Zellzahlen in der Milch aufgrund entzündlicher Prozesse im belasteten Euter, Abduktion der Hinterbeine beim Gehen und erhöhte Corticoide-Werte im Blut (Stresshormon).
Es kann nicht sein, dass für eine perfekte optische Erscheinung tierquälerische Praktiken angewandt werden dürfen. Wenn der Bund die Viehschauen schon subventioniert, so soll er auch darum besorgt sein, dass diese ohne tierquälerische Praktiken über die Bühne gehen.