Matty Blomfield kommt aus Neuseeland und kam auf einen Abstecher nach Wädenswil an die Lagertagung. Er stellte den «Spectre Top Down» vor – frei übersetzt «Spektralanalyse von oben nach unten». Es handelt sich um eine riesige Kamera, die über der Einfahrt eines Abnehmers installiert wird. Wenn ein Lastwagen mit Paloxen voll mit Äpfeln darunter durch fährt, nimmt die Kamera alles auf. Dabei kalibriert der Spectre Top Down mittels IT-Tools und KI-Technologie die Äpfel und liefert die Messdaten unmittelbar an einen Laptop oder ein Handy. So soll die Lagerplanung, die Effizienz der Packlinien und das Arbeitsmanagement um einiges rascher vonstatten gehen. [IMG 2]

Die Technologie entwickelte die neuseeländische Firma Hectre, das sich auf Obstbautechnologie spezialisiert hat. Die Effizienz an dieser Schnittstelle war aber nicht das eigentliche Thema der Lagertagung, sondern es ging um Produktion und Lagerung. Die Produzenten stehen vor der Herausforderung, dass sie mit immer weniger Wirkstoffen beste Qualität liefern müssen, und die Lagerhalter müssen ihren Energieverbrauch reduzieren und alternative Kältemittel entwickeln, die weniger umweltschädigend sein sollen als die bisherige Technik. Dazu läuft im Nachbarland Deutschland einiges an Forschungsprojekten, die auf einen späteren Zeitpunkt hin Resultate liefern sollen.

Einfluss auf die Qualität hat vor allem das Wetter

Hierzulande geht es mehr um weniger Pflanzenschutz und rückstandsarme Produktion. Den Einfluss solcher Produktionsstrategien auf Lagerkrankheiten untersuchen Séverine Gabioud und Myriam Emin vom Agroscope-Forschungsstandort Conthey VS. Im Projekt ArboPhytoRed sollen Walliser Kern- und Steinobstproduzenten, den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln mit besonderem Risikopotenzial um mindestens 30 Prozent reduzieren, ohne dabei Abstriche beim Ertrag oder der Qualität zu machen.

[IMG 3] «Die Qualität und das Lagerungspotenzial der Früchte werden vor der Ernte bestimmt», sagte Séverine Gabioud an der Lagertagung. Sie stellte fest, dass Parzellen mit einer reduzierten PSM-Strategie einen tendenziell höheren Anteil an Früchten mit parasitären Lagerkrankheiten ausweisen. «Es ist für diese Betriebe auch schwierig, Schorf in den Griff zu bekommen», sagte Gabioud. So waren Äpfel aus der reduzierten PSM-Strategie 2021 stärker von Lagerschorf befallen als konventionelle. Insgesamt aber kommen Produzenten, die schon länger den Pflanzenschutz reduzieren, besser mit einer PSM-reduzierten Strategie zurecht als solche, die damit noch über keine Erfahrungen verfügen, so Gabioud. Leider liegen die Ergebnisse zu den Erträgen (konventionell versus rückstandsarm) noch nicht vor. Mehrere Lagerhalter müssten noch ihre Sortierdaten übermitteln, so Myriam Emin.

«Die extremen Wetterbedingungen erschweren die Umsetzung von Massnahmen zur Reduzierung von PSM»

Séverine Gabiouds

Den allergrössten Einfluss auf die Qualität und Lagerkrankheiten hatte aber nicht die Produktionsstrategie, sondern das Klima und die Wetterbedingungen – wie der erstmal im Wallis im Sommer 2023 grossflächig auftretende Hagelsturm. «Die extremen Wetterbedingungen erschweren die Umsetzung von Massnahmen zur Reduzierung von PSM», so Séverine Gabiouds Fazit. Deshalb müsse man, um Lagerkrankheiten zu vermeiden, auf mehreren Ebenen nach Lösungen suchen, die da wären:

  • Anbau von resistenten Sorten
  • Vorkehrungen gegen extreme Witterungseinflüsse
  • angepasste PSM-Strategie
  • optimaler Erntetermin
  • sortenangepasste Lagerung

Europaweit weniger Äpfel

Abo Vorernteschätzung 2023 gibt es die tiefste Tafelapfel-Ernte seit 10 Jahren Donnerstag, 24. August 2023 Dieser Tage erfolgt offizielle Ernteschätzung für Tafeläpfel des Schweizer Obstverbands. Laut Hubert Zufferey wird die Ernte 2023 um 14 % kleiner ausfallen als im Vorjahr. Dieser massive Rückgang ist den massiven Hagelschäden zuzuschreiben, der rund 80 % der Walliser Ernte vernichtete.

Aber auch im übrigen Europa fällt die Ernte tiefer aus als in den Vorjahren aus. Daniel Neuwald vom Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB) präsentierte an der Lagertagung erste Schätzungen. «In Polen, einer der grössten europäischen Apfelproduzenten gibt es 11 % weniger als im Vorjahr. Auch in Deutschland sind es 11% weniger», sagte Neuwald.

Die Schätzung für die Bodenseeregion schlüsselte Neuwald nach Sorten auf. Die Negativliste führt Jonagold an mit -23% gegenüber dem Vorjahr, gefolgt von Pinova mit -16% und bei Gala und Fuji sind es je -15%. In der Bodenseeregion liege die Fruchtgrössenentwicklung in diesem Jahr bereits über dem langjährigen Mittel. Die Reife sei etwa fünf bis sieben Tage später. Über dem langjährigen Mittel sei bei den meisten Sorten die Fruchtfleischfestigkeit.

Korrigieren durch Handausdünnen

[IMG 4] Neuwald vermerkte in den KOB-Anlagen, dass die Früchte an den Bäumen sehr heterogen seien und riet: «Ernten Sie die Früchte in möglichst homogener Qualität. Überpflücken und vermarkten Sie überreife Früchte direkt vermarkten.» 
«In der Tendenz stellte ich auch bei uns in der Ostschweiz
einen heterogenen Fruchtbehang fest – vor allem bis Anfang Sommer»», sagt Richard Hollenstein von der Fachstelle Obstbau des landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen. Aber seine St. Galler und Thurgauer Obstproduzenten hätten mit Handausdünnung für eine homogene Qualität gesorgt. Dadurch verbessere sich die Ernteleistung, so Hollenstein.

Nordwestschweiz ist zufrieden

[IMG 5] Heterogenen Früchtebehang gibt es auch in der Nordwestschweiz und sei auch bei Kirschen und Zwetschen spürbar gewesen. «Das ist sortenabhängig und witterungsbedingt», sagt Ernst Lüthi, Präsident der Baselbieter Obstproduzenten. In der Sortenvielfalt gibt es Sorten, die die Kälte besser vertragen, dafür die Hitze schlechter. Die Ursache sieht Lüthi im nassen und kalten Frühling. «Nach der Blüte folgte eine schlechte Zellteilungsphase und nachfolgend konnte die Zellstreckung nicht kompensieren.» Sicherlich spielte auch der Alternanzeffekt, nachwirkend aus dem Vorjahr, eine Rolle.

Wichtig ist ihm jetzt, dass sich die Färbung optimal entwickelt. «Aber wir werden trotz der wetterbedingten Kapriolen mit Nässe, Kälte, Hitze, Trockenheit in der Schweiz, ausser dem Wallis eine gute Ernte haben», so Lüthi. Die Preise seien gut, insbesondere da die letztjährige Ernte seit zwei Monaten verkauft sei. Seither werden Äpfel importiert. «Die Qualität dieser importierten Äpfel überzeugt mich in keiner Weise», sagt Ernst Lüthi. Es könne nicht sein, dass man hierzulande die Auflagen immer höherschraube, und dann quasi Ausschussware aus Übersee importiere. Er prophezeit zudem, dass die Auflagen in der Schweiz, vor allem jene Vorschriften, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln extrem erschweren, zu erheblichen Ernteverlusten führen können.


Nachgefragt bei Marc Hämmerli: «Forschung soll bei den Konsumenten ansetzen» 

An der Lagertagung gab es einen Input von Matty Blomfield, der den «Spectre Top Down» vorstellte, wo die Kalibrierung der Äpfel automatisiert bei der Annahme direkt mit einer Kamera erfasst wird. Ist das etwas für die Schweiz?

Marc Hämmerli: Nein, das kommt für uns nicht infrage. Das zahlt sich für grosse Mengen aus, wie sie in Amerika und Neuseeland produziert werden. Auch erfasst der Spectre nur die obersten Äpfel in einer Paloxe. Hierzulande haben wir aber eine viel detaillierte Sortierung. Jeder Apfel wird kontrolliert, um die Qualitätsnormen zu erfüllen. 

Mit dem Sortierergebnis und den Qualitätsnormen sind manchmal die Produzenten sehr unzufrieden. Braucht es diesbezüglich nicht eine Anpassung, insbesondere da immer weniger Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen, die das Risiko für Produktions- und Lagerschäden zu vermindern?

[IMG 6] Marc Hämmerli: In der Tat haben wir jeweils zig Diskussionen mit den Produzenten, weil sie mit dem Sortierergebnis und der Abrechnung unzufrieden sind. Seit diesem Jahr dokumentieren wir die Sortierung zudem mit Fotos. Aber am Hochschrauben der Qualität ist letztendlich der Endkonsument beziehungsweise der Detailhandel schuld. Die Ansprüche werden immer höher und wir müssen immer schönere Ware sortieren. Der Ausfall wird immer höher, was zu Lasten der Produzenten geht. Das ist das eigentliche Problem. Da nützt es auch nichts, wenn immer mehr Gelder in die Forschung für resiliente Sorten und nachhaltigen Schweizer Obstbau und in die Lagertechnologie fliessen. Bei den Konsumenten müsste man ansetzen. Es braucht mehr Gelder in entsprechende Marktstudien und Aufklärung.

Warum sieht man denn ab und zu sehr unterschiedliche Kaliber und Qualitäten in den Verkaufkisten der Detailhändler?

Marc Hämmerli: Jeder Konsument will möglichst schöne, untadelige Früchte, und fischt sich diese heraus. Ist auch nur ein Fleck zu sehen, bleibt der Apfel liegen.