In der Natur und draussen arbeiten, etwas Sinnvolles tun – das sind gemäss einer nicht repräsentativen Umfrage im Rahmen der Bachelorarbeit von Valeria Merlo die wichtigsten Motivationsgründe für Freiwillige, die auf einem Landwirtschaftsbetrieb mit anpacken. Am seltensten wurde von den 355 Teilnehmenden eine monetäre Belohnung genannt, während Etwas über die Landwirtschaft zu lernen und Produkte vom Hof eher motivierend wirken. Diese Dinge können die meisten Betriebe bieten, und trotzdem ist weder jeder Hof noch jede Landwirtin gleich gut für Freiwilligenarbeit geeignet. 

Viel Handarbeit und nicht im Haupterwerb

In den Interviews mit acht Experten und Expertinnen (Vera Geissbühler vom Erntenetzwerk, den Betreibenden des Gemeinschaftshofs Gabris, Stefan Brunner vom Eichhof, Ueli Ansorge von der Solawi Dunkelhölzli, Frank Meissner von der Solawi Meh als Gmües und Lea Reusser, Projektleiterin der Natureinsätze im Jurapark Aargau) kristallisierten sich folgende Eigenschaften heraus, die einen Betrieb besonders gut für freiwillige Mitarbeit geeignet machen:

Es fallen Simple Handarbeit wie Jäten oder Ernten  an: Hier braucht es viele Leute und die Arbeit ist leicht verständlich. Ausserdem braucht es wenig bis keine Vorkenntnisse oder Maschinen dafür. 

Der Betrieb ist eher klein: So bleibt mehr Zeit für das Erklären der Arbeiten und es gibt häufiger Arbeitsspitzen. Auf Grossbetrieben muss mehr Zeit in die Unternehmensführung investiert werden und es gibt mehr Angestellte. 

Der Betrieb wird im Nebenerwerbgeführt oder es werden Freiwillige nicht im wichtigsten Betriebszweig eingesetzt: Z. B. Hilfe bei der Pflege eines kleiner Gemüseackers auf einem Milchivehbetrieb.

Der Betrieb vermarktet zumindest teilweise direkt: Es besteht so bereits Kontakt zu potenziellen Helferinnen und Helfern und diese können beim Besuch auf dem Hof gleich einkaufen. 

Zwar schätzen viele Freiwillige biologische Bewirtschaftungsformen, dank dem engen Kontakt zum Landwirten muss der Betrieb aber nicht Bio zertifiziert sein. Es reiche, wenn z. B. Spezialkulturen wie Obst, die zu spritzen sich oft sowieso nicht lohnt, biologisch sind. 

Die solidarische Landwirtschaft (Solawi) ist eine besondere Form der freiwilligen Mitarbeit, bei der Helferinnen und Helfer zum Betriebskonzept gehören. Im Rahmen den Bio-Ackerbautags 2020 wurde auf dem Bio Schwand in Münsingen ein solches Projekt vorgestellt und die Eckpunkte des Prinzips erläutert: 

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Motivation ist da, Zeit und Kontakt fehlen

Wie oben ausgeführt mangelt es oft nicht an Motivation, um freiwillig auf einem Betrieb mitzuarbeiten. Am meisten fehlt gemäss dem Fragebogen in der erwähnten Bachelorarbeit schlicht die Zeit. An zweiter Stelle folgt das Problem, keinen geeigneten Hof in der Nähe zu haben oder keine Verpflichtung eingehen zu wollen. 

Hier passen Gedanken im Sinne einer Postwachstumgsgesellschaft, in der Lohnarbeit zugunsten des «Tätigseins» an Bedeutung verliert und so mehr Zeit für anders als mit Geld belohntes Tun zur Verfügung steht. Mehr über die mögliche Rolle der Landwirtschaft in einer Postwachstumsgesellschaft lesen Sie hier. 

Gleichzeitig bräuchte es eine bessere Vernetzung. So wurde in der Umfrage der Wunsch nach einer Vermittlungsstelle geäussert. Ausserdem sei es schwierig, mit landwirtschaftlichen Betrieben in Kontakt zu kommen, so ein Votum. 

 

Arbeitskraft, aber auch wertvoller Kontakt

Für die beteiligten Landwirtinnen und Landwirte sind die Freiwilligen mehr als billige Arbeitskräfte. Das kostenlose oder günstige Erledigen von Arbeiten spiele zwar eine Rolle, es gehe aber oft auch einfach um den Kontakt zu Aussenstehenden, schreibt Valeria Marlo. Man erzähle gerne von der täglichen Arbeit auf dem Hof. Das ist für Landwirte, die sonst häufig alleine arbeiten genauso ein Kontrast, wie die körperliche Tätigkeit unter freiem Himmel für Büro-Angestellte. 

Deren Perspektive einzunehmen, ist indes bei Anleitungen besonders wichtig. Vieles, was für Landwirtinnen klar ist, müssen Stadtmenschen lernen. Dafür braucht es Geduld und Akzeptanz dafür, wenn langsamer oder anders als gewohnt gearbeitet wird. Da sich viele längeres körperliches Arbeiten nicht gewohnt sind, empfehlen sich Halbtages-Einsätze. «Die gemeinschaftliche Form des Arbeitens wird geschätzt, da sie kraftvoll ist und es sich gut anfühlt zusammen etwas zu erreichen», wird der Gemeinschaftshof Gabris zitiert. 

Industrielle Landwirtschaft verknappt Arbeitskräfte

Mit der zunehmenden Industrielaisierung sinkt die Anzahl Betriebe, die Mechanisierung nimmt zu und ebenso die bewirtschaftete Fläche pro Hof. Obwohl in diesem System viel durch Maschinen erledigt wird, führt es paradoxerweise zur einer weiteren Verknappung der ohnehin schon raren Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, führt Merlo aus. Denn so gehen genau jene Eigenschaften flächendeckend verloren, die Betriebe für freiwillige Mitarbeit geeignet machen. 

 

«Damit sich die Mitarbeit in der Landwirtschaft etablieren kann, muss das Modell von der industrialisierten Landwirtschaft kritischer betrachtet und das Modell einer (hand)arbeitsintensiveren Landwirtschaft mehr gefördert werden», schliesst die ETH-Studentin.

 

«Mitarbeit ist auch ohne finanziellen Aufwand attraktiv»

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Valeria Merlo hat ihre Bachelorarbeit im Rahmen ihres Studiums der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich verfasst. (Bild Merlo)

Wie kamen Sie auf das Thema freiwillige Mitarbeit in der Landwirtschaft?

Ich wollte etwas machen, das gesellschaftlich relevant ist. Ich denke, dass eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln (und ein nachhaltiger Konsum) ein wichtiger Baustein für ein zukunftstaugliches Leben sind. Auf die Mitarbeit kam ich durch Gespräche mit Akteur*innen in diesem Bereich (unter anderem dem Verein Boimig) und weil mich die Beteiligung von Konsument*innen an der Produktion interessiet.

 

Haben Sie selbst einen landwirtschaftlichen Hintergrund?

Nein, ich bin zwar nicht in der Stadt aufgewachsen, aber auch nicht extrem ländlich. 

 

Arbeiten Sie selbst freiwillig auf einem Hof mit oder sind Mitglied einer Solawi?

Ich bin mit meiner WG Mitglied bei der Solawi Dunkelhölzli und arbeite seit dem letzten Jahr regelmässig für den Naturschutz (könnte man ja je nach dem auch als Landwirtschaft bezeichnen).


Was würden Sie als die wichtigste Erkenntnis Ihrer Arbeit bezeichnen?

Ich finde die Erkenntnis wichtig, dass die Motivation der Helfer*innen durch die Art des Arbeitens und durch Produkte als Entschädigung gegeben ist. Das zeigt, dass die Mitarbeit, für Helfer*innen attraktiv gestaltet werden kann, ohne dass dabei für Landwirt*innen ein finanzieller Aufwand entsteht.

 

Gibt es Bestrebungen, die Lücke einer Vermittlungsplattform für Freiwillige und interessierte Landwirte zu schliessen?

Es gibt verschiedene Initiativen: Im Frühling '20 ist wegen der Einreisesperre durch Covid u.a. eine Plattform von «Landwirtschaft mit Zukunft» entstanden, der Verein Boimig organisiert auf verschiedenen Höfen um Zürich Aktionstage; Agriviva vermittelt zwischen Jugendlichen und Höfen. 


Was würden Sie einem Landwirten oder einer Landwirtin raten, die gerne freiwillige Mitarbeitende auf den Betrieb holen möchten?

Ich denke, dass es wichtig ist, sich mit bestehenden Initiativen, anderen Höfen, die freiwillige Mitarbeitende haben/wollen und mit potentiellen Mitarbeitenden zu vernetzen. Wenn ein Kreis von potentiellen Helfer*innen besteht, wäre ein Mail/Chat Verteiler mit interessierten Leuten vielleicht hilfreich, um über den aktuellen Bedarf an Mitarbeit zu informieren. 

 

Welche Rat hätten sie andererseits für die Freiwilligen?

Informieren über bestehende Initiativen und Angebote. Für Leute, die noch nie auf einem Betrieb geholfen haben, würde es vielleicht Sinn machen, einfach mal auf einem Betrieb, der schon Mitarbeitende hatte, zu helfen, zum Beispiel einer Solawi.