Das wärmste und sonnigste Jahr seit Messbeginn hat mit hohen Dezembertemperaturen geendet und der Trend setzt sich auch im Januar 2023 fort. Nach Angaben des Bundesamts für Klimatologie und Meteorologie MeteoSchweiz liegt das an einer andauernden hochdruckbestimmten Westwindlage, die warme Luft vom Atlantik in die Schweiz bringt. Sonniges und sehr mildes Wetter ist das Resultat und die hohen Temperaturen bleiben den Prognosen nach zu urteilen auch in den nächsten zwei Wochen erhalten.
Bäume treiben noch nicht aus
Nicht nur Wintersportler auf der Suche nach Schnee spüren den scheinbaren Frühling, auch die Vegetation: Primeln blühen und das Getreide ist bereits in der Bestockung. Was das aktuell warme Wetter für Obstbäume bedeutet, kann Philipp Gut vom Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Wallierhof auf Anfrage nicht genau abschätzen. «Aber ich erwarte jetzt nicht wirklich Probleme».
Ein warmer Dezember mit dem berühmten Weihnachtstauwetter und einem milden Jahreswechsel trete schliesslich nicht zum ersten Mal auf, gibt Gut zu bedenken, «da treiben die Bäume noch nicht aus.» Im Übrigen verweist der Berater auf die Kälteperiode im Dezember, während der es durchaus winterliche Frosttage gab. Ganz ausgefallen ist der Winter also nicht.
Befalle Blätter werden schneller zersetzt
Auch was Schädlinge betrifft, würde Philipp Gut nicht zum frühzeitigen Ergreifen von Massnahmen raten. «Wenn Schädlinge erwachen, tun es auch die Nützlinge», erklärt er. Von einem erneuten Kälteeinbruch wären dann aber auch beide gleichermassen betroffen.
Einen Vorteil hat das warme Wetter in Bezug auf Krankheiten: «Mehltau und Schorf überwintern auf Blättern. Die werden jetzt rasch zersetzt und die Erreger nicht konserviert, wie wenn das befallene Blatt gefroren wäre.» Bis auf Weiteres gilt es also, abzuwarten. Obstbäuerinnen und -bauern kennen die erhöhte Gefahr für Forstschäden ja bereits zur Genüge – was aber erst zum Thema wird, wenn die Knospen tatsächlich zu wachsen beginnen.
Werden die Winter zu warm?
Pflanzen schützen sich vor der Kälte, indem ihre Knospen in Winterruhe fallen (Dormanz). Je nach Art braucht es unterschiedliche Reize via Kälte und/oder Tageslänge, damit bei günstigem Wetter die Knospen aufbrechen. In Nordeuropa und der Schweiz angebaute Apfelsorten wie Gala, Golden Delicious und Pinova brauchen mehr Kälte als Anna oder Dorsett Golden, die eigens für den Anbau in wärmeren Gebieten gezüchtet worden sind. So schildern es Forschende im Journal «Frontiers in Plant Science» und schreiben, dass der Bruch der Dormanz bei Äpfeln nur durch Kältereize gesteuert wird. Das könne in südlichen Ländern zum Problem werden: Es bleibe wegen zu milden Wintern im Süden häufig nur noch der Griff zur Chemie, um die Knospen aus ihrer Winterruhe zu wecken.
In Nordeuropa steigt mit dem Klimawandel eher das Risiko für Forstschäden, da die Obstbäume früher im Jahr weiter entwickelt sind und damit sensibel auf tiefe Temperaturen im Frühling.